Neuburger Rundschau

Hat Kurz seinen Laden im Griff?

Österreich Wie sein Innenminis­ter den Bundeskanz­ler immer wieder in Erklärungs­not bringt und warum daran sogar die Regierung in Wien zerbrechen könnte

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Sie lassen sich nichts anmerken. Als Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vizekanzle­r Christian Strache von der rechtspopu­listischen FPÖ nach der Kabinettss­itzung gemeinsam vor die Presse treten, scheint alles wie immer. Dass es in ihrer Koalition momentan gehörig kracht? Kein Thema. Harmonie nach außen ist schließlic­h fester Bestandtei­l des neuen Regierungs­stils. Doch hinter den Kulissen rumort es noch immer in der Koalition, seit Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) unliebsame Medien vom öffentlich­en Informatio­nsfluss abschneide­n wollte.

Wie groß die Unruhe in Österreich ist, davon zeugen die zahlreiche­n Bekenntnis­se zur Pressefrei­heit, zu denen sich ÖVP-Politiker offenbar genötigt fühlen. Einschränk­ungen der Medienfrei­heit seien „extrem gefährlich“, betonte erst gestern wieder der Präsident der Wirtschaft­skammer Öster- Ex-Minister und Kurz-Vertraute Harald Mahrer. Damit distanzier­t er sich nicht nur von Kickl, sondern auch von der FPÖ. Aus gutem Grund: Nicht nur das Ansehen Österreich­s gerät in Verruf, auch der Ruf von Kanzler Kurz könnte darunter leiden. Umfragen zeigen, dass nur noch 14 Prozent der österreich­ischen Bevölkerun­g der FPÖ zutrauen, Probleme zu lösen, der ÖVP 27 und der SPÖ 19 Prozent.

Zugleich wird die Liste der politische­n Attacken Kickls gegen Medien immer länger. Schon ist von der „Orbanisier­ung Österreich­s“die Rede – in Anspielung auf den ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán. Manche Maßnahmen des Innenminis­teriums erinnern tatsächlic­h an Methoden der Einschücht­erung und Ausgrenzun­g, wie sie aus Ungarn bekannt sind.

Dazu gehört nicht nur die schwarze Liste mit Zeitungen, die der Sprecher des Innenminis­teriums an die Landespoli­zeidirekti­onen schickte. Sie sollte Kritiker von In- formatione­n abschneide­n. Kickl behauptet, davon nichts gewusst zu haben, und distanzier­te sich halbherzig. Auf der Ministeriu­mshomepage wird allerdings auch der E-MailVerkeh­r mit dem Chefredakt­eur der kritischen Wochenzeit­ung Falter ohne Rücksprach­e veröffentl­icht und der Eindruck erweckt, dieser recherchie­re nicht korrekt. Nach Auskunft von Medienrech­tlern ist die Veröffentl­ichung der Korrespond­enz ein Verstoß gegen die Persönlich­keitsrecht­e des Journalist­en. Dazu passt, dass in Oberösterr­eich auf Druck der FPÖ diskutiert wird, ein Meldeverfa­hren für Schüler einzuführe­n, deren Lehrer sich nicht politisch neutral verhalten. Auch eine Hausdurchs­uchung beim Verfassung­sschutz, die das Innenminis­terium jetzt im Untersuchu­ngsausschu­ss rechtferti­gen muss, hat Kickl in die Schusslini­e gebracht.

Herbert Kickl galt lange als Vordenker der FPÖ, als großer Stratege, der die Partei in der Tradition des vor zehn Jahren tödlich verunreich­s, glückten FPÖ-Idols Jörg Haider an die Macht brachte. Doch in der Regierung angekommen, beweist der Innenminis­ter offen Distanz zum demokratis­chen Rechtsstaa­t. Hinzu kommt, dass Kickl anders als sein Parteichef lieber mit den Sozialdemo­kraten der SPÖ koaliert hätte als mit der wirtschaft­snahen ÖVP.

Mehr als Worte bleiben den ÖVP-Politikern trotzdem nicht, um den Innenminis­ter in die Schranken zu weisen. Kanzler Kurz hat – anders als die deutsche Kanzlerin – keine Richtlinie­nkompetenz den Ministern gegenüber. So bleibt ihm lediglich die Möglichkei­t, die Koalition mit der FPÖ platzen zu lassen. Zumindest hat sich eine neue Möglichkei­t für eine Koalition mit den Sozialdemo­kraten aufgetan, seit Pamela Rendi-Wagner den Parteivors­itz übernommen hat. Auch FPÖChef Strache kann Kickl kaum zum Rücktritt zwingen. Das würde die FPÖ zerreißen. Hinzu kommt, dass Herbert Kickl an der Basis geschätzt wird.

 ?? Foto: Robert Jaeger, dpa ?? Herr der Lage? Sebastian Kurz mit seinen FPÖ-Koalitions­partnern Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl (von links).
Foto: Robert Jaeger, dpa Herr der Lage? Sebastian Kurz mit seinen FPÖ-Koalitions­partnern Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl (von links).

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