„Wer keine Meinung hat, handelt unverantwortlich“
Interview Ferdinand Hofer spielt den Kalli im Münchner „Tatort“, den Metzgerssohn Max in den „Eberhofer“-Krimis. Er erklärt, weshalb die junge Generation es der CSU schwer macht und wen er für den größten politischen Schauspieler hält
Ferdinand Hofer, Sie kommen aus Großseeham, einem Ortsteil von Weyarn in Oberbayern. Wären Sie ein typischer Bewohner, müssten Sie stolz sein, auf dem Land zu leben und München als heimliche Hauptstadt Deutschlands ansehen – so jedenfalls charakterisieren sich die Weyarner auf ihrer Internetseite. Sind Sie so einer? Hofer: Einige Weyarner, die ich kenne, schimpfen auf die „Stodtera“, die immer am Wochenende aufs Land kommen, den Verkehr behindern und denken, sie als Flachlandler könnten jeden Berg besteigen. Aber München, heimliche Hauptstadt? Ich mag München wirklich gerne, aber die Hauptstadt ist nun mal Berlin. Andererseits: Ich war länger in den USA und die Menschen dort – zumindest die mit weniger Länderkenntnis – stellen sich einen Deutschen schon wie einen Bayern vor. Insofern ist München zumindest symbolisch schon ein Mittelpunkt Deutschlands.
Regisseur Max Färberböck, mit dem Sie schon mehrere „Tatort“-Folgen gedreht haben, sagt über Sie, Sie würden das „schlierseehafte Bayerntum“verkörpern. Was meint er damit? Hofer: Ich glaube, er meint eine gewisse Natürlichkeit, Offenherzigkeit, die Art, dass ich ehrlich meine Rollen spiele. Den natürlichen bayerischen Charme, kann man vielleicht sagen. Der Kalli im „Tatort“ist ja auch einer, der immer gut gelaunt ist. Das ist, glaube ich, auch eine Eigenschaft des schlierseehaften Bayern, dass er bayerischen Humor hat und fröhlich ist – auch wenn er mal grantelt. Der typisch bayerische Grantler grantelt ja auch oft, weil er’s einfach lustig findet.
Gibt es denn Unterschiede zwischen den schlierseehaften Bayern und denen aus anderen Regionen?
Hofer: Ich glaube, der Oberbayer ist besonders offen und fröhlich. Und in gewisser Weise selbstbewusst. Franken zum Beispiel haben ja gerne mal Angst, dass sie wegen ihres Dialekts diskriminiert werden. Aber jetzt haben sie sogar ihren eigenen „Tatort“, das zeugt ja auch von Wertschätzung.
Hofer: Stimmt. Da hab’ ich jetzt gar nicht dran gedacht. Wer in einem bayerischen Dorf aufwächst, hat oft das Gefühl, dass die Regierung und Bayern als Einheit empfunden werden, dass erst die CSU in den Augen vieler Bewohner den Himmel weiß-blau macht. Fällt Ihnen das auch auf?
Hofer: Stimmt. Wir waren kürzlich unterwegs zu einem Klettersteig am Tegelberg. Wenn man durch die Dörfer fährt, hat die CSU immer die größten Wahlplakate, immer mit diesen Sprüchen: „Bayern, das sind wir.“Bei der älteren Generation ist das definitiv so, dass die CSU gleich Bayern ist. Mancher auf dem Land hat seinen – sagen wir – 40-Kilometer-Radius ums eigene Haus, den er selten verlässt. Das soll nicht abwertend klingen, ich finde es toll, wenn man seiner Heimat treu ist und sich im Dorf engagiert. Es ist wirklich schön bei uns, es herrscht eine Grundsicherheit. Dem durchschnittlichen Bürger geht es also gut. Und solange in dem Radius, in dem er sich bewegt, alles in bester Ordnung ist, gibt es keinen Grund, eine Änderung zu wollen.
Hofer: Wenn man in die jüngere Generation schaut, wandelt sich das, da wird der Radius gesprengt. Die Leute gehen in die Städte, sammeln Erfahrungen im Ausland. Diese Eindrücke prägen einen und dadurch wird alles ein bisschen bunter. Und gerade in München – wo ich heute wohne – ist es ja überhaupt nicht so, dass die CSU für die Leute die einzige Partei ist, die man wählen kann. Eher ist das Gegenteil der Fall, zumindest in meinem Alter.
Es scheint, als würden Sie sich viel mit solchen Themen befassen?
Hofer: Ja, ich versuche die verschiedenen Sichtweisen auf die Welt zu verstehen. Ich habe Freunde in München, die studieren, aber auch Freunde von zu Hause, die dort wohnen geblieben sind und eine Ausbildung gemacht haben. Ich merke, dass die jeweils einen die jeweils anderen oft nicht so akzeptieren, vielleicht sogar etwas abschätzig aufeinander schauen. Das tue ich nicht.
Sie sind Schauspieler und studieren nebenbei Betriebswirtschaftslehre. Bewegen Sie sich auch da in zwei Welten? Hofer: Ja, ich versuche immer wieder zu vermitteln. Zwischen einzelnen Betriebswirten, die denken: „Diese Künstler machen ja gar nichts“, und manchen Schauspielern, die die Betriebswirte als Karrieristen abtun, die nur aufs Geld aus sind. Beides stimmt natürlich überhaupt nicht, alles total stereotyp. Und natürlich denkt auch nicht jeder so.
Künstler und CSU, geht das denn zusammen?
Hofer: Ich würde sagen, dass der Großteil der Künstler eher sozial eingestellt ist – vor allem in Bezug auf Flüchtlinge. Da treffen politische Werte aufeinander, die sich komplett entgegenstehen.
Bisher haben Sie selbst vor allem unpolitische Charaktere gespielt. Könnten Sie sich vorstellen, eine politisch eingefärbte Filmrolle zu übernehmen? Hofer: Ja klar, das Angebot für eine politische Rolle würde ich schon gerne annehmen – außer sie widerspricht komplett meinen tiefsten Prinzipien. Einmal wurde mir die Rolle eins Typen angeboten, der Frauenrechte komplett verachtet. Da habe ich entschieden: „Das kann ich nicht machen.“
Ist Ihr bekanntestes Alter Ego, Kalli aus dem Münchner „Tatort“, auch politisch? Würde er wählen gehen? Hofer: Puh, das habe ich mir noch gar nicht überlegt. Er würde auf jeden Fall wählen. Aber was? Hm. Er ist auf keinen Fall total konservativ. Auf der anderen Seite ist er bei der Polizei. Manche Befugnisse aus dem neuen Polizeigesetz dürfte er dann wohl schon gut finden.
Mit dem Polizeiaufgabengesetz sprechen Sie eine der strittigsten Entscheidungen an, die die CSU zuletzt getroffen hat. Waren Sie bei den Demonstrationen, bei denen in München Zehntausende gegen das Gesetz protestiert haben?
Hofer: Nein. Ich finde es generell schwer, zu so komplexen politischen Sachverhalten pauschal Ja oder Nein zu sagen. Man müsste vielmehr sagen: „Ja, aber ...“oder „Nein, weil...“Viele Menschen mit extremen Meinungen setzen sich nicht ausführlich mit der Gesamtsituation auseinander. Ich finde, man muss sich sehr genau informieren und sich dann eine Meinung bilden. Wer keine Meinung hat, handelt unverantwortlich in einer Demokratie. Und erst, wenn man eine Meinung hat, kann man diskutieren. Hofer: Es führt zu nichts, wenn keine Partei überhaupt versucht, die Meinung der anderen zu verstehen. Und es führt auch zu nichts, wenn Söder ständig sagt, Bayern mit der CSU sei das coolste Bundesland. Das ist genau die Haltung, die Donald Trump in den USA vertritt. Man muss halt aufeinander zugehen und kann nicht immer davon überzeugt sein, dass man der Beste ist. Man muss auch in die anderen Bundesländer schauen und sagen: „Hey, das läuft hier besser und das dort.“Man darf sich nicht auf dem Erfolg ausruhen. Das ist eine Sache, die lernst du ja eigentlich schon in der Schule.
Wie informieren Sie sich über Politik? Als im Juni der Münchner „Tatort“über Reichsbürger lief, meinten Sie, Sie hätten von denen erst durch die „heute-show“erfahren. Es heißt ja, dass Satireshows als einzige Quelle die Gefahr bergen, dass man Politik nur noch als großen Klamauk sieht. Hofer: Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass zu viele Leute es ernst nehmen, was da gesendet wird. Aber ich glaube, wenn man ein gewisses Grundlevel an Allgemeinbildung hat, kann man das auch einordnen. Ich finde solche Satireformate gut, weil ich dadurch auf irgendwelche extremen Randphänomene aufmerksam werde, die es nicht in die Nachrichten schaffen, weil sie viel zu absurd sind – auf die Verschwörungstheorien durch Chemtrails zum Beispiel. Wenn solche Sendungen dazu führen, dass die Zuschauer sich dann weiter über ein Phänomen informieren, finde ich das bereichernd.
Zum Schluss noch ein Zitat von Regisseur Max Färberböck: Er hat mit Blick auf Ihre fehlende SchauspielerAusbildung gesagt, dass im Freistaat auch Laien gute Schauspieler sind. Welche Partei hat denn die besten? Hofer: Oh, schwierig. Auf internationaler Ebene ist auf jeden Fall Donald Trump der größte Schauspieler. Moment, hat der nicht auch bayerische Wurzeln?
Seine Großeltern kommen aus Kallstadt in der Pfalz – aber die hat im 19. Jahrhundert ja noch zu Bayern gehört. Hofer: Na also, sag’ ich doch!