Braucht es wirklich noch eine neue Quiz-Show?
Interview Jörg Pilawa wollte nie der Quiz-Onkel der Nation sein. Warum er es doch wurde und nun „Ich weiß alles!“im Ersten moderiert. Ach: Wissen Sie eigentlich, wer die ersten Rate-Sendungen im deutschen Fernsehen präsentierte?
Herr Pilawa, vor 65 Jahren lief das erste deutsche Fernseh-Quiz. Welche Shows haben Sie früher geschaut? Jörg Pilawa: In meiner Familie war die Sendung „Der Große Preis“mit Wim Thoelke ein Muss, als ich klein war. Meine Eltern waren total begeistert und machten Bier auf, wir saßen alle vor dem Fernseher. Und natürlich haben wir auch Hans-Joachim Kulenkampffs „Einer wird gewinnen“nicht verpasst. Kulenkampff hatte ja 1953 mit „Wer gegen wen“auch eine der ersten Rate-Sendungen präsentiert, aber daran kann ich mich naturgemäß nicht erinnern.
... damals trat das Publikum gegen Mannschaften aus drei Großstädten an. Ein paar Monate zuvor moderierte Kulenkampff „Wo blieb deine Schulweisheit?“. Welcher der legendären Quizmaster von einst war Ihr Favorit? Pilawa: Hans Rosenthal, weil er alles mit großer Hingabe machte. Wenn er bei seinem legendären Satz „Sie sind der Meinung: Das war spitze!“in die Luft sprang, ist man ja vor dem Fernseher mitgesprungen. Ich hatte das Glück, Hans Rosenthal noch kennenzulernen. Als Junge stand ich auf der Fähre zwischen Dagebüll und Föhr, wo er urlaubte, an der Reling neben ihm und habe mich mit ihm unterhalten. Er war sehr freundlich und zeigte mir die Robben auf den Sandbänken. Ich war zwar noch keine zehn, und meine Eltern mussten mir hinterher erklären, wer das war, aber die Begegnung hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt.
Pilawa: Eine Quiz-Show hat einen Vorteil, den andere Sendungen nicht haben: Sie bietet Interaktion. Du sitzt vorm Fernseher und machst mit. Wenn ich mir früher „Spiel ohne Grenzen“angeschaut habe oder zuletzt „Schlag den Henssler“, bin ich ja immer nur passiv. Beim Quiz kann man mitraten und hat dabei tendenziell immer das Gefühl, mehr zu wissen als die Kandidaten. Das macht es so erfolgreich.
Sie selber haben schon einige QuizShows präsentiert. Hat Ihr Allgemeinwissen davon profitiert?
Pilawa: Man merkt sich im Leben nur Dinge, an denen man wirklich Interesse hat. Ich habe schon viele Fragen zum Thema Kino gestellt, ich werde mir aber niemals eine Antwort dazu merken, weil mich Kino nicht interessiert. Bei Themen, die mich interessieren, merke ich mir vieles. Das sind Politik, Sport und Geschichte – und da vor allem die Kolonialgeschichte.
Sie moderieren nun „Ich weiß alles!“, das nächste Mal am Samstag um 20.15 Uhr im Ersten. Hat die Welt wirklich noch eine weitere Quiz-Show gebraucht?
Pilawa: Ich mache seit 25 Jahren Quiz-Shows und habe mich selber schon gefragt, ob man da überhaupt noch einen neuen Dreh finden kann. Aber ich glaube, dass wir hier etwas Einmaliges gefunden haben, denn es ist wirklich die schwerste QuizShow, die ich je moderiert habe. So
gab es definitiv noch nicht. Jeder Kandidat tritt zuerst gegen einen Prominenten an, der für eine Sache brennt, zum Beispiel Ulrich Wickert zum Thema Paris. In der nächsten Runde muss er gegen die Schwarmintelligenz von tausend Leuten antreten und dann gegen die QuizModeratoren Günther Jauch und seine Kollegen Susanne Kunz aus der Schweiz und Armin Assinger aus Österreich. Erst dann steht der Kandidat im Finale, in dem er 100000 Euro gewinnen kann.
Jauchs „Wer wird Millionär?“ist ein Dauerbrenner. Wer von Ihnen beiden würde in einem Ratespiel gewinnen? Pilawa: Auf jeden Fall Herr Jauch. Aber im Grunde sind wir uns sehr ähnlich, wir haben beide vergleichbare Interessen. Ich glaube zum Bei-
spiel, dass er ebenfalls kein Cineast ist: In seiner Sendung kommt er an denselben Stellen ins Schwimmen wie ich, wenn Fragen zu diesem Thema kommen. Pilawa: Auf jeden Fall. Wobei meine Familie sagt, dass es nicht angenehm ist, mit mir Unterhaltungs-Shows zu sehen, weil ich dabei nie entspannt vorm Fernseher sitze. Ich achte immer auf Dinge wie Licht, Grafik, Kamera, Sound und konfrontiere meine Mitgucker mit meinen Beobachtungen, die das aber langweilt.
Pilawa: Ich achte darauf, welcher Kollege das aus dem Stegreif macht, welcher mit Autoren, Teleprompwas
tern oder mit Moderationskarten arbeitet. Das macht jeder anders.
Pilawa: Ich arbeite nicht mit einem festen Buch oder mit Teleprompter oder großen Pappen, wo mein Text draufsteht, sondern versuche, alles im Kopf zu haben. Ich kenne auch die Fragen vorher nicht, damit ich spontan reagieren kann. Die schönsten Momente sind doch ohnehin die, wenn mal ein Fehler passiert. Das findet der Zuschauer lustig, und als Moderator kannst du zeigen, dass du ein bisschen was drauf hast.
Sie haben mal gesagt, dass Sie nicht als Quiz-Onkel der Nation enden wollen. Pilawa: Ich weiß, ich habe dieses Zitat selber geprägt, und heute wird es mir oft vorgehalten. Als ich vor
mehr als 20 Jahren das erste Quiz moderierte, dachte ich, ich mache das ein oder zwei Jahre, und am Ende war es eine tolle Erfahrung. Mittlerweile habe ich mehr als 3000 Quiz-Shows gemacht, dadurch bin ich einfach ein Quiz-Onkel.
Pilawa: Früher hatte ich das Bedürfnis zu beweisen, dass ich auch mal eine Doku oder eine politische Talkshow machen kann. Ich habe ja mit Sport und Nachrichten angefangen. Aber irgendwann musste ich mich entscheiden, denn in Deutschland wird man in eine Schublade gesteckt: Entweder du machst Information oder du machst Unterhaltung und bist der Clown – und ich habe mich entschieden.