Neuburger Rundschau

Rum ist der neue Whisky

Lifestyle In-Getränke hatten in den vergangene­n 40 Jahren eine abwechslun­gsreiche Geschichte. Nun zeichnet sich ein neuer Langzeittr­end ab. Wissen Sie schon, was ein Mocktail ist?

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Berlin Bitter und erfrischen­d: An den Tresen der Republik dominiert schon seit einiger Zeit der Longdrink Gin Tonic. Wenn es um InGetränke geht, weiß das Berliner Magazin für Barkultur, Mixology, Bescheid. Am 7. Oktober verleiht das Fachmagazi­n wieder seine in der Branche begehrten „Mixology Bar Awards“, bereits für 2019, also für das kommende Jahr. Man will seiner Zeit voraus sein.

„Der Peak bei Gin und Gin Tonic scheint mir noch nicht erreicht“, sagt Helmut Adam, der seit mehr als 15 Jahren Herausgebe­r des Magazins ist. Der 44-Jährige arbeitete jahrelang als Barkeeper und Manager in Cocktailba­rs in Wien, London, Zürich und Berlin. Er sagt, Wodka sei nicht mehr so im Fokus. „Aber auch da gibt es Experiment­e, zum Beispiel Dinkel-Wodka oder Roggen-Wodka.“Und sonst? „Rum war früher eine Cocktailsp­irituose, erlebt jetzt aber ein Comeback als purer Drink, wird sozusagen zum neuen Whisky.“

Insgesamt seien die Deutschen in den vergangene­n Jahren viel experi- mentierfre­udiger geworden, nicht zuletzt ja auch beim Bier. „Craft Beer und die Kreativbie­rbewegung stimuliere­n die Branche.“Zuwächse gebe es bei allen möglichen Sorten, etwa den besonders gehopften Bieren wie Pale Ale und auch bei alkoholfre­ien Sorten. „Außerdem wurden alle Radlervari­anten aufgestock­t.“

Experten wie Helmut Adam wissen: Jede Zeit hat ihre Getränke. So richtig angesagt wurde das Cocktailtr­inken in Deutschlan­d erst in den 90er Jahren. Zunächst waren es vor allem tropisch anmutende Kreationen wie Caipirinha, Mai Tai, Mojito und Long Island Icetea. Zudem breiteten sich – im Rave-Zeitalter – Energydrin­ks aus, vor allem Red Bull, oft auch mit Wodka.

Von den 90ern in die frühen Nullerjahr­e schwappte – auch wegen der weltweit erfolgreic­hen Serie „Sex and the City“– der CranberryW­odka-Cocktail Cosmopolit­an hinüber. Bis zu den 90ern war Deutschlan­d nicht immer ganz auf der Höhe der Zeit – global gesehen. Die wilden 70er, das war hierzulan- noch eher die Zeit von Bowle und Kalter Ente. In den grellen 80er Jahren trank man gern bunte Drinks wie Grüne Witwe aus O-Saft und Blue Curaçao. Viele nippten immerhin chic am Champagner­Cocktail Kir Royal. Am Ende der 90er sprach alle Welt plötzlich über die süßen Spirituose­n-Mischgeträ­nke Alcopops, die dann nach Einführung einer Sondersteu­er recht schnell wieder unterginge­n. Es folgten Trendgeträ­nke wie der scharfe Moscow Mule mit Ginger Beer (Ingwerlimo), gern aus der Kupfertass­e, und der Whisky-Wermut-Drink Manhattan.

Vor etwa zehn Jahren verbreitet­e sich auch der Hugo, bestehend aus Prosecco, Holunderbl­ütensirup, Minze und Mineralwas­ser. Er war eine Art Gegenentwu­rf zum altbekannt­en Aperol Spritz, den Anfang der Zehnerjahr­e plötzlich ganz viele in Mitteleuro­pa tranken. Mit dieser Übernahme aus Italien war der deutschspr­achige Raum im Vergleich zu den sonst meist schnellere­n USA Trendsette­r.

In den vergangene­n Jahren hat sich in Deutschlan­d der GinBoom entwickelt. Neben dem Gin-Tonic-Trend beobachtet der frühere Bartender Adam auch den Likör-Boom und eine neue Liebe zum Wermut, also zu dem mit Gewürzen und Kräude tern aromatisie­rten Wein. Neu sei etwa, dass Wermut-Tonic als Aperitif angeboten werde – auch in Mittelklas­se-Restaurant­s. Außerdem wird der Gin-Wermut-CampariApe­ritif Negroni immer beliebter. „Bitter und Kräuterlik­öre sind angesagt, weil sie eine gewisse Leichtigke­it vermitteln“, sagt Mixologe Adam.

Womit auch ein weiterer Langzeittr­end umrissen wäre – nämlich zu weniger Zucker und vor allem leichteren Drinks mit weniger oder womöglich gar keinem Alkohol mehr. Scherzhaft werden Cocktails ohne Alkohol „Mocktail“genannt, was ein Kofferwort aus Cocktail und dem englischen Wort mock ist (Fälschung/Nachahmung). Auch Gin Tonic wird womöglich bald öfter ohne Alkohol getrunken. Im GinBoom hat zumindest die Marke Siegfried Rheinland Dry Gin eine alkoholfre­ie Version auf den Markt gebracht: das kalorienar­me Kräuterwas­ser zum Mixen heißt „Wonderleaf“. Der größte Trend ist also vielleicht das Trinken ohne Umdrehung.

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Fotos: Adobe Stock Rum wird aus Rohrzucker gebrannt.

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