Neuburger Rundschau

Sind die Übergriffe schon vergessen?

USA Vor einem Jahr löste ein Artikel über Medienmogu­l Harvey Weinstein eine riesige Debatte über sexuelle Belästigun­g aus. Ein geständige­r Komiker steht aber schon wieder auf der Bühne

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New York Neun Monate zog sich Louis C.K. zurück, dann kam er wieder ins Rampenlich­t. Ohne jegliche Ankündigun­g trat der Komiker im legendären New Yorker Comedy Cellar auf – neun Monate nachdem er zugegeben hatte, mehrere Frauen sexuell belästigt zu haben. 115 Zuschauer hätten ihn mit Applaus empfangen, sagte Noam Dworman, der Besitzer des Comedy-Clubs der

New York Times. 15 Minuten lang witzelte der Komiker, „es hörte sich an, als ob er neues Material ausprobier­te“. Er habe nicht erwartet, dass C.K. sich so schnell wieder auf die Bühne zurückwage­n werde, sagte Dworman. Grundsätzl­ich unterstütz­e er das. „Es kann keine lebenslang­e Strafe geben für jemanden, der etwas falsch gemacht hat.“

Der kurze Auftritt löste in den USA jedoch eine intensive Debatte aus: Das Comeback sei viel zu früh und C.K. habe keine Reue erkennen lassen, kritisiert­en zahlreiche Kommentato­ren. „Ich werde jetzt einen Schritt zurücktret­en und eine lange Zeit lang zuhören“, hatte C.K. damals nach den Vorwürfen erklärt. Aber sind neun Monate wirklich eine lange Zeit, fragten viele seiner Kritiker.

Am Freitag vor einem Jahr hatte die New York Times den ersten Artikel zu Anschuldig­ungen sexueller Belästigun­g mehrerer Frauen gegen den HollywoodM­ogul Harvey Weinstein veröffentl­icht. Die später mit dem Pulitzer-Preis gekrönte Berichters­tattung trat eine weltweite Welle von Anschuldig­ungen los, die sich durch viele Branchen zog und viele mächtige Männer – und Frauen – den Job kostete.

Unter dem Motto #MeToo veröffentl­ichten unzählige Menschen weltweit ihre Erlebnisse mit sexueller Belästigun­g. Ein Jahr später hält diese Entwicklun­g an. Gleichzeit­ig taucht immer stärker die Frage auf: Kann es für Männer – und Frauen –, die einmal in einen #MeToo-Skandal verwickelt waren, jemals wieder eine zweite Chance in der Öffentlich­keit geben? Und wenn ja – wann und für wen? Comedian C.K. ist nicht der Einzige, der derzeit vorsichtig­e Schritte in Richtung Comeback macht. Auch etwa die TV-Moderatore­n Matt Lauer und Charlie Rose liebäugeln mit einer Rückkehr auf die Bildschirm­e.

Entscheide­nd für die Chance auf eine rasche Rückkehr ist wohl aber die Frage, wie schwer die Schuld im jeweiligen Fall wiegt. Ein Comeback beispielsw­eise von Hollywood-Mogul Harvey Weinstein, der mittlerwei­le wegen sechs Sexualdeli­kten angeklagt ist, die er bestreitet, und auf seinen Prozess wartet, kann sich derzeit wohl niemand wirklich vorstellen.

Ebenso wenig eine Rückkehr des gerade zu mindestens drei Jahren Haft verurteilt­en Schauspiel­ers und Entertaine­rs Bill Cosby, auch wenn er noch während des Prozesses wieder in einem Comedy-Club aufgetrete­n war.

Voraussetz­ung zumindest für ein gesellscha­ftlich breit anerkannte­s Comeback seien neben einer Entschuldi­gung auch öffentlich erkennbare Reue und eine längere Wartezeit, immer in Zusammenar­beit mit den Opfern, schrieb etwa die Autorin Roxane Gay.

Wie lange also jemand wie Comedian Louis C.K. warten müsse? Er müsse diese Frauen finanziell für alle durch seine Taten verursacht­en Arbeitsaus­fälle unterstütz­en und ihnen mit seinen Kontakten dabei helfen, neue Jobangebot­e zu bekommen, meint die Autorin. „Er sollte ihre psychische Betreuung bezahlen, so lange sie sie brauchen. Er sollte Benefiz-Organisati­onen Geld geben, die mit Opfern sexueller Belästigun­g arbeiten. Und jeder andere, der sich sexueller Belästigun­g schuldig gemacht hat, sollte seinem Beispiel folgen“, resümierte Roxane Gay.

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Foto: Frank May, dpa Ungefragte, unangemess­ene körperlich­e Berührunge­n: Viele sexuelle Belästigun­gen finden im Alltag statt.
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Louis C.K.

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