Die letzte Diva der Opernwelt
Nachruf Die spanische Sopranistin Montserrat Caballé wurde über die Grenzen ihres Faches hinaus gefeiert. Auch mit Freddy Mercury sang sie zusammen. Ihr Werdegang war märchenhaft
Barcelona Sie wolle auf der Bühne sterben, hatte Montserrat Caballé gesagt. Die Spanierin, die als die letzte große Operndiva galt, tat ihren letzten Atemzug aber in einem Krankenbett in ihrer Geburtsstadt Barcelona – am Samstag im Alter von 85 Jahren. Erst am 14. April, zwei Tage nach ihrem 85. Geburtstag, war sie noch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew aufgetreten. Obwohl ihre Stimme nicht mehr die alte war, begeisterte sie auch das Publikum in Kiew.
Das Leben der María de Montserrat Bibiana Concepción Caballé i Folch, so ihr voller Name, erinnert an ein Märchen: Die Eltern des am 12. April 1933 in Barcelona geborenen Mädchens verloren im spanischen Bürgerkrieg ihr Hab und Gut. „Wir haben Hunger gelitten“, erzählte Caballé. Sie musste die Schule verlassen, um als Näherin zum Familienunterhalt beizutragen. Da ihr Talent schon damals zu erkennen war, fand sie Zeit, mithilfe von Mäzenen das Konservatorium zu besuchen und erste Auftritte zu absolvieren. Hunger und Not blieben aber vorerst. Mitte der 50er Jahre zog die Familie deshalb als Gastarbeiter in die Schweiz. In Basel feierte die Sängerin 1956 ihr offizielles Debüt. Von 1959 bis 1962 war sie in Bremen engagiert. Nach Aufnahme mehrerer Platten wuchs ihre Fangemeinde vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz rapide. Den internationalen Durchbruch schaffte Caballé dann 1965 in der Titelrolle von Donizettis „Lucrezia Borgia“in der Carnegie Hall in New York – als Ersatzbesetzung. Sie wurde so begeistert gefeiert, dass die Metropolitan Opera sie engagierte.
Einen weiteren Meilenstein setzte die Sängerin 1992: Mit dem für die Olympischen Spiele in der katalanischen Hauptstadt geschriebenen Song „Barcelona“wurde sie einem breiten Publikum auch jenseits der Opernwelt bekannt. Sie hatte das Stück mit Rockstar Freddie Mercury aufgenommen, der kurz drauf an Aids starb. Den Kontakt zu anderen Genres der Musik und des Entertainments hatte die Caballé übrigens nie gescheut. Sie trat schon als junge Frau an der Seite von Frank Sinatra auf. Und sie saß bei „Wetten, dass ..?“auf dem Sofa. Neben der Karriere unterstützte sie soziale Vorhaben, förderte den Nachwuchs und galt als Entdeckerin ihres katalanischen Landsmannes José Carreras.
Montserrat Caballé wurde bewundert für ihre Vokaltechnik und ihre Interpretationen des BelcantoRepertoires – schon Anfang der 60er Jahre hatte sie sich spezialisiert auf Opern von Donizetti, Bellini und Rossini. Keine verstand es wie sie, sich in den Höhenlagen zu artikulieren, keine verzauberte mehr mit ihrem Timbre und ließ im Piano die Stimme immer noch leiser werden. Im Laufe ihrer jahrzehntelangen Karriere kam sie auf über 4000 Auf- tritte und etwa 90 verschiedene Rollen – sie dürfte damit eine der aktivsten Sängerinnen der Operngeschichte sein. Sie arbeitete mit Stardirigenten wie Herbert von Karajan, Leonard Bernstein, und Claudio Abbado zusammen und trat besonders gern mit ihrem Landsmann Plácido Domingo und dem Italiener Luciano Pavarotti auf. „Pavarotti war wie ein Vater für mich“.
Die für ihr herzhaftes Lachen bekannte Künstlerin wurde beim Blick zurück auch wehmütig. Im vorigen Jahr klagte sie: „Die Magie der Oper geht immer mehr verloren.“Inzwischen werde fast alles „dem schnellen Erfolg und dem Applaus“geopfert. Im Leben der Caballé gab es aber auch negative Schlagzeilen: Im Dezember 2015 wurde sie wegen Steuerhinterziehung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von gut 250 000 Euro verurteilt.
Bei allen Triumphen und Schwierigkeiten ist die Frau, die mehr als 50 Jahre mit dem Tenor Bernabé Martí (89) verheiratet war, stets bodenständig, herzlich und bescheiden geblieben. Nach dem Tod ihrer engen Freundin Maria Callas im Jahr 1977 hatten viele in ihr die Nachfolgerin von „La Divina“gesehen. Erst vor wenigen Jahren widersprach sie erneut trotzig: „Ich bin keine Diva. Mich als eine Diva zu betrachten, ist absurd! Ich versuche, meine Arbeit einfach nur so gut wie möglich zu machen.“