Wiesn-Zeit ist Krisen-Zeit
FC Bayern Die Münchner werden von effektiven Gladbachern in eine missliche Situation gebracht. Den Oktoberfest-Besuch lässt sich die Mannschaft trotzdem nicht nehmen. Es ist der letzte gemeinsame Termin vor entscheidenden Tagen
München Es waren nur 16 Minuten. Aber in diesen 16 Minuten zeigte Thiago mal wieder, warum ihn Pep Guardiola vor fünf Jahren unbedingt zum FC Bayern holen wollte. Thiago streichelte den Ball über das Feld, spielte 40-Meter-Bälle mit unverschämter Leichtigkeit und holte sich das Spielgerät energisch vom Gegner zurück, wenn sich einer dieser Gladbacher doch mal länger mit der Kugel über das Feld bewegen wollte. 16 Minuten lang war Thiago ein brillanter Anführer einer guten Bayern-Mannschaft. Dann verlor er einen Zweikampf und die Münchner ihre Selbstsicherheit.
Am eigenen Strafraum übersah er den heranrauschenden Jonas Hofmann, kurz darauf schloss Lars Stindl zur 2:0-Führung seiner Mannschaft ab. Sechs Minuten zuvor hatte Alassane Pléa das 1:0 erzielt. Es galt Fans und Spielern als Ouvertüre zu einem attraktiven Spiel. Es kam anders. „Wir sind echt gut reingekommen. Aber dann führt die Mannschaft, die keinen Auftrag hat, 2:0“, fasste Mats Hummels die Anfangsphase zusammen, die das Selbstverständnis der Bayern erschütterte.
Nach dem zweiten Treffer wollte den Münchnern nichts mehr gelingen. Sie rannten bis zum Schluss gewillt an, prallten aber immer und immer wieder am Gladbacher Bollwerk ab wie ein erschlaffter Ball, der auf eine Wand geschleudert wird. Am Ende stand es 3:0 für Gladbach. So sind die Münchner erneut zur Wiesn-Zeit in die Krise geschlittert. Vergangenes Jahr wurde Carlo Ancelotti als Schuldiger für die mageren Auftritte ausfindig gemacht. Nach einer Niederlage in der Champions League bei Paris St.-Germain und mit drei Punkten Rückstand auf den Tabellenführer aus Dortmund wurde der Italiener entlassen. Nun hinken die Münchner dem BVB vier Punkte hinterher. Niko Kovac gibt sich keinen Illusionen hin: „Ich kenne die Mechanismen im Fußball und in der Bundesliga. Ich weiß, dass die Zeit bei Bayern München anders läuft.“Bedeutet: schneller.
Nach der Länderspielpause treten die Münchner innerhalb von sieben Tagen in Wolfsburg, Athen und Mainz an. Hat sich die Lage danach nicht deutlich verbessert, werden sie wohl greifen: die Mechanismen.
Zum Problem für Kovac werden könnte, dass der Großteil seines Kaders in den kommenden zehn Tagen bei Nationalmannschaften über ganz Europa verweilt. Ein gemeinsames Nach- und Vorbereiten ist somit kaum möglich. Dabei gibt es allerhand, das einer gemeinsamen Analyse bedarf. „Wir haben zu viele Spieler in ungefährlichen Räumen und zu wenige dort, wo es dem Gegner wehtut“, fasst Hummels die taktische Komponente zusammen. Diese Details aber zu verbessern, gelingt am ehesten auf dem Trainingsplatz. Den sehen die Münchner aber erst in eineinhalb Wochen.
Ihren letzten gemeinsamen Tag verbrachten die Profis am Sonntag zusammen auf dem Oktoberfest. Die Lust darauf wollten sich die Münchner trotz der Niederlage nicht nehmen lassen. „Wir haben so oft zusammen gewonnen und verloren. Davon lassen wir uns nicht verrückt machen“, so Hummels. Auch David Alaba fand den Weg ins Zelt wieder sicheren Schrittes. Er hatte sich gegen Gladbach einen kleinen Muskelfaserriss zugezogen. Nachdem Juan Bernat nach Paris veräußert wurde und auch Rafinha verletzt ist, bleibt mit Joshua Kimmich derzeit nur ein gesunder Außenverteidiger. Probleme hat Kovac genug in den kommenden Tagen.
Bayern München Neuer – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba (55. Sanches) – Thiago – Robben (46. Ribéry), Müller (46. Gnabry), Goretzka, James Rodríguez – Lewandowski
Bor. Mönchengladbach Sommer – Lang, Ginter, Elvedi, Wendt – C. Kramer – Neuhaus (74. P. Herrmann), Hofmann – T. Hazard (83. Traoré), Stindl (66. Zakaria), Pléa Tore 0:1 Pléa (10.), 0:2 Stindl (16.), 0:3 P. Herrmann (88.) Zuschauer 75 000
Schiedsrichter Willenborg (Osnabrück)