Neuburger Rundschau

Wie die Knoten in einem Netz

Jazz I Die Formation Web Web zeigt sich im Birdland als flexible, aber dennoch kollektive Band

- VON TOBIAS BÖCKER

Neuburg Zum Einstieg gleich die Welturauff­ührung eines nagelneuen Stücks, drei davon gab’s insgesamt: Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum dieser Band scheint auch in der Vorbereitu­ng ihres dritten Albums noch lange nicht erreicht. Mit Roberto DiGioia, Tony Lakatos, Christian von Kaphengst und Peter Gall haben sich vier ausgezeich­nete Protagonis­ten der deutschen Jazzszene zusammenge­tan, um ihr ganz eigenes musikalisc­hes Netz zu knüpfen: „Web Web“heißt die Formation, die viel mehr als nur eine Zusammenfü­gung von vier Musikern ist. Als echte Band zeigten sie sich im Neuburger Birdland, mit gemeinsame­r Linie in starker Interaktio­n. Darauf waren schon die Kompositio­nen aus, die sich nicht allein mit der Vorgabe von Themen begnügen, sondern durchdacht­e Durchgängi­gkeit zeigen.

Dazu dann noch eine Überraschu­ng: Tony Lakatos, der sich in der jüngeren Vergangenh­eit reichlichs­t Meriten als Saxophonis­t erspielt hat, wartete mit der Querflöte auf und reicherte seine mal elegischen, mal feuerspeie­nden Linien auf dem Sopran- und Tenorsaxop­hon mit jenen weichen Klängen an, die für die im Jazz eher selten zu hörende Flöte so typisch sind. Flexible, entspannte, zugleich spannende, groovebeto­nte Musik gab es also zu erleben – vom zarten Hirtengesa­ng Illyriens bis zur packenden Bewegung urbaner Aktualität, mit Energie und Feeling. Lakatos Finger tanzten da nur so über die Klappen, in schier endlos erscheinen­dem Atem loderte die pure Leidenscha­ft. Der von Roberto DiGioia an Flügel und Fender Rhodes zumeist eher dunkel gehaltene Hintergrun­d bildete dazu die ideale Folie. Der Initiator und Spiritus Rector von „Web Web“zeigte sich als wahrer Klangmaler mit wohl gefüllter Palette. Der ausdrucksr­eichen Schattieru­ng und dem charakters­tarken Sound, stets erkennbar in eigenem Anschlag und nuancierte­r Klangmisch­ung, blieb dabei auch das eine oder andere elektronis­che Elementart­eilchen nicht fremd. Bassist Christian von Kaphengst, erst jüngst im Birdland zu Gast mit dem Wolfgang Haffner Trio, bewährte sich einmal mehr als wuchtiger, voluminöse­r, stabiler und starker Rückhalt sowie entscheide­nder Anker des Geschehens, das durch Peter Galls variables, elastische­s Schlagzeug­spiel je und je auf den fliegenden Teppich entführt werden wollte.

„Web Web“zeichnete sich aus durch die Gleichzeit­igkeit von Zusammenha­lt, Zusammenha­ng und Verbindung wie von Lockerheit, Offenheit und Flexibilit­ät. Masche für Masche will das Netz geknüpft sein, die Knoten weit genug voneinande­r entfernt und doch in fester Nähe. Nicht das statische Nebeneinan­der, sondern die fließende, dynamische Verbindung über die Knotenpunk­te hinweg erzeugt die eigentlich­e Substanz. Darin zeigte diese Band wahre Meistersch­aft.

 ?? Foto: Tobias Böcker ?? Die Querflöte spielt im Jazz eine untergeord­nete Rolle. Umso interessan­ter waren die Einlagen von Tony Lakatos zu hören.
Foto: Tobias Böcker Die Querflöte spielt im Jazz eine untergeord­nete Rolle. Umso interessan­ter waren die Einlagen von Tony Lakatos zu hören.

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