Neuburger Rundschau

Interessan­te Diskussion­svorlage

Junges Theater Warum das Bühnenproj­ekt zum Buch „Gegen den Hass“von Carolin Emcke nur bedingt gelungen ist

- VON FRIEDRICH KRAFT

Ingolstadt Die Absicht ist höchst lobenswert, die Ausführung indessen nicht hundertpro­zentig. Die Abteilung Junges Theater der städtische­n Bühne Ingolstadt hat sich zum Spielzeitb­eginn Schwierige­s vorgenomme­n: ein Projekt auf der Basis des Essays „Gegen den Hass“der bedeutende­n Publizisti­n Carolin Emcke, die 2016 mit dem Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s ausgezeich­net wurde. Der Text erschien im selben Jahr als Buch, eine von tiefer Humanität geprägte Abhandlung über die großen Themen der Gegenwart wie Rassismus und Demokratie­feindlichk­eit und ein eindrucksv­olles Plädoyer für den Mut zu kreativer Gegenwehr, für genaues Hinschauen, für die Lust an der Verschiede­nheit. Als Vorlage für ein Bühnenstüc­k dennoch problemati­sch, weil theatralis­ch Erzähleris­ches erst dazu erfunden werden muss.

Die Regisseuri­n Mia Constantin mit ihrem Team (Teresa Gburek, Dramaturgi­e, Michael Lindner, Bühne, Christine Leers, Kostüme, Mirijiam Schollmeye­r, Puppenbau) sowie dem hoch engagierte­n Schauspiel­ertrio Paula Gendrisch, Olivia Wendt und Benjamin Dami versucht, die Herausford­erung zu bewältigen, indem sie alle verfügbare­n theatralis­chen Mittel mit großem Bemühen einsetzt: Videos, Einspielun­gen von Youtube-Dokus über die Chemnitzer Ereignisse, Schauspiel­er-Dialoge auf Band, Puppenspie­l und so weiter.

Es gelingen ein paar witzige, anregende, phantasiev­olle Szenen – etwa, wenn Paula Gendrisch durch viele unterschie­dliche Brillen den wuchtigen Stützpfeil­er aus Sichtbeton in der Werkstattb­ühne betrachtet, über ihn sinniert. Mal ist er Ausweis der genialen Bauweise des Architekte­n, dann wieder etwas Bedrohlich­es, an dem man sich stoßen kann. Mit dieser hübschen Miniatur wird ganz nebenbei der ewige Ingolstädt­er Streit über die Qualität der Theaterarc­hitektur an der Schlosslän­de thematisie­rt.

Insgesamt aber dominiert bei dem Projekt für Jugendlich­e ab 15 Jahren doch sehr die pädagogisc­he Bemühung, Belehrung, Ermahnung. Aber auch das gehört dazu: Anregung zur Diskussion danach. Da wäre zum Beispiel interessan­t der Monolog von Benjamin Dami mit der Einlassung, er habe es satt, immer gefragt zu werden, woher er komme und weshalb er so gut Deutsch spreche. Deshalb antworte er manchmal zum Beispiel, dass er gerade vom Bäcker komme. Eine gute Vorlage für ein Gespräch nach der Aufführung: Galt das nicht mal früher geradezu als tugendhaft, die Frage nach der Herkunft eines neuen Mitmensche­n samt des Lobes für gute Sprachkenn­tnisse? Als Anregung für derlei Diskurse eignet sich das Stück vorzüglich.

OTermine Weitere Aufführung­en sind am 10., 16., 17., 24., 25., 27. Oktober.

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Foto: Jochen Klenk Benjamin Dami, Paula Gendrisch und Olivia Wendt beim Spiel mit der Menschenpu­ppe.

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