Interessante Diskussionsvorlage
Junges Theater Warum das Bühnenprojekt zum Buch „Gegen den Hass“von Carolin Emcke nur bedingt gelungen ist
Ingolstadt Die Absicht ist höchst lobenswert, die Ausführung indessen nicht hundertprozentig. Die Abteilung Junges Theater der städtischen Bühne Ingolstadt hat sich zum Spielzeitbeginn Schwieriges vorgenommen: ein Projekt auf der Basis des Essays „Gegen den Hass“der bedeutenden Publizistin Carolin Emcke, die 2016 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde. Der Text erschien im selben Jahr als Buch, eine von tiefer Humanität geprägte Abhandlung über die großen Themen der Gegenwart wie Rassismus und Demokratiefeindlichkeit und ein eindrucksvolles Plädoyer für den Mut zu kreativer Gegenwehr, für genaues Hinschauen, für die Lust an der Verschiedenheit. Als Vorlage für ein Bühnenstück dennoch problematisch, weil theatralisch Erzählerisches erst dazu erfunden werden muss.
Die Regisseurin Mia Constantin mit ihrem Team (Teresa Gburek, Dramaturgie, Michael Lindner, Bühne, Christine Leers, Kostüme, Mirijiam Schollmeyer, Puppenbau) sowie dem hoch engagierten Schauspielertrio Paula Gendrisch, Olivia Wendt und Benjamin Dami versucht, die Herausforderung zu bewältigen, indem sie alle verfügbaren theatralischen Mittel mit großem Bemühen einsetzt: Videos, Einspielungen von Youtube-Dokus über die Chemnitzer Ereignisse, Schauspieler-Dialoge auf Band, Puppenspiel und so weiter.
Es gelingen ein paar witzige, anregende, phantasievolle Szenen – etwa, wenn Paula Gendrisch durch viele unterschiedliche Brillen den wuchtigen Stützpfeiler aus Sichtbeton in der Werkstattbühne betrachtet, über ihn sinniert. Mal ist er Ausweis der genialen Bauweise des Architekten, dann wieder etwas Bedrohliches, an dem man sich stoßen kann. Mit dieser hübschen Miniatur wird ganz nebenbei der ewige Ingolstädter Streit über die Qualität der Theaterarchitektur an der Schlosslände thematisiert.
Insgesamt aber dominiert bei dem Projekt für Jugendliche ab 15 Jahren doch sehr die pädagogische Bemühung, Belehrung, Ermahnung. Aber auch das gehört dazu: Anregung zur Diskussion danach. Da wäre zum Beispiel interessant der Monolog von Benjamin Dami mit der Einlassung, er habe es satt, immer gefragt zu werden, woher er komme und weshalb er so gut Deutsch spreche. Deshalb antworte er manchmal zum Beispiel, dass er gerade vom Bäcker komme. Eine gute Vorlage für ein Gespräch nach der Aufführung: Galt das nicht mal früher geradezu als tugendhaft, die Frage nach der Herkunft eines neuen Mitmenschen samt des Lobes für gute Sprachkenntnisse? Als Anregung für derlei Diskurse eignet sich das Stück vorzüglich.
OTermine Weitere Aufführungen sind am 10., 16., 17., 24., 25., 27. Oktober.