Neuburger Rundschau

Aus Braun werde Blau

Medizin Ein Straßburge­r Arzt ändert auf Wunsch die Augenfarbe. Das Ganze kostet pro Augenpaar 5900 Euro. Experten warnen jedoch vor den Risiken

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Straßburg Ein „tropisches“Grün? Ein „nussiges“Zimt-Braun? Oder doch lieber Riviera-Blau? Zwischen diesen und weiteren Farben können Kunden eines Straßburge­r Arztes wählen – es geht um ihre Augen. Für 5900 Euro pro Person ändert der Mediziner Francis Ferrari in der elsässisch­en Stadt regelmäßig Augenfarbe­n. Deutsche Experten warnen jedoch vor Risiken.

„Das ist der Traum vieler Leute“, sagt der 59 Jahre alte Augenchiru­rg Ferrari, der unter anderem in Tübingen ausgebilde­t wurde. Seit der ersten Testkandid­atin im Dezember 2013 hat er den Eingriff bereits 140 Mal durchgefüh­rt – bislang angeblich ohne jede Komplikati­on.

Doch wie ändert man Augenfarbe­n? Ferrari greift auf Lasertechn­ik zurück. Mit einem sogenannte­n Femtosekun­denlaser schafft er innerhalb der Hornhaut des Auges einen Hohlraum – ringförmig mit einer Aussparung für die Pupille – also jener schwarze Punkt in der Mitte der Iris, der sich von der Größe her verändern kann und durch den das Licht ins Auge fällt. Über zwei kleine Schnitte bringt Ferrari dann mit einem kleinen Spatel die gewünschte­n Pigmente in die Hornhaut ein. Diese Pigmente überdecken dann oberhalb der Iris deren eigentlich­e Farbe.

Die Kunden bleiben wach, sie bekommen nur betäubende Augentropf­en. Nach 45 Minuten ist alles vorbei. Die beliebtest­e Farbe sei das helle Riviera-Blau, sagt Ferrari. 70 Prozent seiner Kunden seien Frauen. Der Effekt sei ähnlich dem von gefärbten Kontaktlin­sen. Die Augenfarbe steht im Pass (der dann sicherlich umgeschrie­ben werden muss), manch einer zieht aus ihr Rückschlüs­se auf den Charakter, andere sehen in den Augen sogar die „Spiegel der Seele“. Also warum wollen Menschen da eine Veränderun­g?

Ein 37-jähriger Franzose, der seinen Namen nicht nennen mag, sitzt vor seinem Eingriff im Wartezim- mer von Ferraris Praxis. Der gepflegte Mann mit krausen, dunklen Haaren und akkurat gezupften Augenbraue­n hat gerade sein Vorgespräc­h hinter sich und erzählt, was ihn antreibt. „Es ist dieser Wunsch, ein Erscheinun­gsbild zu haben, das mehr zu der eigenen Vorstellun­g von sich selbst passt.“Er will von braunen zu hellblauen Augen kommen – und einen „strahlende­ren, fasziniere­nderen Blick“erlangen.

Eine andere Kundin – eine 24 Jahre alte Deutsche aus Gießen mit knallrot gefärbten Haaren – nennt ihre Liebe zu Farben als Grund für die OP. „Ich mag alles, was bunt ist“, sagt sie. Den Eingriff vergleicht sie mit Haarefärbe­n. Und fügt hinzu: „Man kann es einfach probie-

Jetzt ändern Ärzte also schon für ein paar tausend Euro die Augenfarbe. Wer braune Augen hat, kann also endlich wie Paul Newman aussehen. Und umgekehrt. Angeblich ohne Nebenwirku­ngen und Gefahren. Der eher bodenständ­ige Zeitgenoss­e wird sagen: „Ja, geht’s noch? Jetzt auch noch das!“Eine absolut nachvollzi­ehbare Reaktion.

Aber man sollte sich nicht darüber hinwegtäus­chen lassen, dass das, was machbar ist, in der Regel auch gemacht wird. So ist der Mensch. Als sich die ersten Frauen die Brüste operieren ließen (größer oder kleiner), haben viele das noch als albern abgetan. Heute sind Brust-OPs längst in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen. Und immer mehr Männer lassen sich ebenfalls vom Operateur kosmetisch nachhelfen. Insofern werden ren.“Doch der Eingriff sei unumkehrba­r, gibt Walter Sekundo, Direktor der Universitä­ts-Augenklini­k Marburg, zu bedenken. „Die Hornhaut wird in gewisser Weise tätowiert.“Eine unmittelba­re gesundheit­liche Gefahr sieht der Experte nicht – die Farben seien medizinisc­h zugelassen, der Femtosekun­denlaser arbeite sehr genau.

Das Hightech-Gerät schneide dabei nicht von außen in die Hornhaut, sondern löse vielmehr unzählige winzige Explosione­n in ihrem Inneren aus. Dadurch entstehe der Hohlraum, der dann mit Farbe gefüllt werde.

Andere Techniken, die zum Ändern der Augenfarbe genutzt werden, seien da viel gefährlich­er, sich auch Augenfarbe­n-Veränderun­gen verbreiten. Noch kostet der Eingriff fast 6000 Euro. Irgendwann wird es dann die Hälfte oder noch weniger sein. Das können sich auch Normalverd­iener leisten – wenn sie es unbedingt wollen.

Viele Menschen sind auf das Äußere fixiert. Mehr denn je, so hat man zumindest das Gefühl. Insofern wird auch in puncto Augenfarbe ein Riesengesc­häft entstehen. Und eines Tages wird ein solcher Eingriff nichts Besonderes mehr sein. Die OP-Technik wird sich weiterentw­ickeln, die Methoden werden verbessert, sicherer gemacht.

Wer sich jetzt einer Augenfarbe­n-Veränderun­g unterzieht, sollte bedenken: Er steht erst am Anfang einer solchen Entwicklun­g. Ist also noch Teil einer Testreihe. Man sollte sich gut überlegen, ob man das sein will. Und wenn man schon dabei ist, kann man sich ja auch fragen, ob eine andere Augenfarbe wirklich nötig ist. warnt Sekundo. In Panama beispielsw­eise setzen Chirurgen IrisImplan­tate ein – mit zweifelhaf­ten Ergebnisse­n. Das Implantat wird dabei in der vorderen Augenkamme­r platziert, dem winzigen Raum zwischen Hornhaut und Iris. Diese Technik berge gravierend­e Risiken, sagt der Mediziner. Zum Beispiel könne grüner oder grauer Star entstehen. Manche Patienten verlören gar ihr Augenlicht.

Ein langfristi­ges Problem sieht Walter Sekundo jedoch auch bei der Technik, die Francis Ferrari in Straßburg anwendet. Bei Augenopera­tionen, zum Beispiel bei grauem Star, seien Chirurgen darauf angewiesen, die Pupille möglichst stark zu weiten, um gute Sicht ins Auge zu haben. Sei jedoch die Hornhaut tätowiert, könne der Einblick ins Auge erschwert werden – denn der gefärbte Bereich überdeckt ja dann zum Teil die Pupillenöf­fnung.

Martin Spitzer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilk­unde des Universitä­tsklinikum­s Hamburg-Eppendorf (UKE), ist sogar noch weitaus skeptische­r. Es fehlten Langzeiter­fahrungen zu der Technik sowie spezielle Sicherheit­sstudien zu dem Farbstoff. Außerdem lasse das kosmetisch­e Ergebnis möglicherw­eise zu wünschen übrig, denn mit der Technik könne die echte, oft sehr vielschich­tige Irisstrukt­ur ja nicht nachempfun­den werden. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Belege, ob durch den Eingriff nicht die Fahrtüchti­gkeit bei Nacht eingeschrä­nkt wird. „Ich würde aufgrund der bislang nur sehr geringen Datenlage von dem Eingriff abraten“, sagt Spitzer. Die Operations­technik sollte zuerst im Rahmen von unabhängig­en wissenscha­ftlichen Studien bewertet werden. Violetta Heise, dpa

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Francis Ferrari

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