Das Kreuz mit dem Kreuz
Am Rande notiert
Eine Wahl hat neuerdings immer mehr von einem Kreuzworträtsel. Der Wähler macht in der Kabine (oder schon vorher per Briefwahl) mehr oder weniger spontan sein Kreuz. Immerhin soll knapp eine Woche vor dem Urnengang noch rund die Hälfte der Wahlberechtigten keine Wahl getroffen haben. Weil es in Zeiten sich verzwergender Volksparteien keine eindeutigen Mehrheiten mehr gibt, bringen zahlreiche Parteien sich für Koalitionsverhandlungen in Stellung. Was dabei am Ende herauskommt, ist für alle Beteiligten ein Rätsel.
Um die persönliche Ratlosigkeit zu lindern, hat die Bundeszentrale für politische Bildung den WahlO-Mat erfunden. Diese Entscheidungshilfe haben seit der Premiere 2002 schon zig Millionen vor Urnengängen in der Hoffnung konsultiert, eine irgendwie passende politische Vertretung zu finden, ohne sich durch endlos dröge Parteiprogramme quälen zu müssen – und waren am Ende verdutzt. Oder gar empört, über ihre unerwartete Nähe zu Rechtsaußenfraktionen oder zur MarxistischenLeninistischen Internationalen. „Stimme zu, stimme nicht zu oder neutral“, fordert der WahlO-Mat auf, zu 38 Thesen Stellung zu nehmen. Wer politisches Abdriften vermeiden und etwas für die psychische Hygiene tun möchte, bezieht deshalb im Zweifelsfall keine Stellung und bleibt vage, sprich neutral. So sollte eine akzeptable Wahlempfehlung gelingen.
Wer so nicht ans Ziel gelangt, dem seien zwei Alternativen ans Herz gelegt: Bei www.wahlswiper.de muss mit ja/nein Stellung bezogen werden, was zumindest dem Autor dieser Zeilen nicht schwer gefallen ist. Die 30 Thesen sind alltagsrelevanter und lebensnäher als beim Konkurrenztool. Oder gleich Kreuzworträtseln. Zweckbündnis mit neun Buchstaben: Koalition.