Nicht länger nur im Nebel stochern
Die Ortssprecher von Zell, Bruck-maxweiler und Marienheim fordern eine bessere Aufklärung für die betroffenen Bürger, wenn es um die Belastung des Bodens und des Grundwassers mit PFC geht – und dies schnell
Neuburg Es war ein Traumsommer. So oft es die Zeit zuließ, ging Roland Habermeier deshalb mit seiner Tochter im Zeller Weiher baden. Hätte er gewusst, dass der See mit polyfluorierten Chemikalien, den sogenannten Pfc-stoffen, belastet ist, hätte er dies wohl unterlassen. Das erfuhr er erst aus einem Artikel in der Neuburger Rundschau Ende August. Dabei war schon beim Bau des neuen Towers auf der Basis in Zell vor über vier Jahren festgestellt worden, dass es kontaminierte Stellen auf dem Flugplatz gibt. Genau das ist es, was er und seine Kollegen Günter Steinwand (Bruck-maxweiler) und Andreas Weis (Marienheim) beklagen: die miserable Informationsund Aufklärungsarbeit, vor allem vonseiten der Bundeswehr.
Dabei suchen sie keinen einzelnen Sündenbock, wie sie betonen. Der mit PFC versetzte Löschschaum, den die Bundeswehr ja nicht nur in Neuburg, sondern an allen Standorten verwendet hat, war bis 2011 die aktuelle Technik. Dass der Schaum, der über den Boden auch ins Grundwasser eingedrungen ist, ein Gesundheitsrisiko darstellen könnte, habe damals ja niemand gewusst. Doch Tatsache sei, so die drei Ortssprecher, dass es ohne die Verwendung des Löschschaums auch keine Pfc-belastung des Grundwassers geben würde. Und völlig unabhängig davon, wie gefährlich die Belastung für den Menschen sei: Einig ist sich das Trio darin, dass es gerade wegen des sensiblen Bereichs, den es betrifft, keine Frage sein dürfte, offen mit dem Thema umzugehen und die betroffenen Bürger bei der Aufarbeitung mitzunehmen.
Auf sie als Ortssprecher ist indes niemand zugekommen „Wir haben es aus der Heimatzeitung erfahren“, sagen sie. Aber selbst nach dem Artikel mussten Habermeier, Steinwand und Weis selbst die Initiative ergreifen. „Uns haben die Bürger angesprochen, aber wir konnten ihnen keine Antworten auf ihre Fragen geben“, erzählen sie. Schließlich sind sie auf die Stadt zugegangen, woraus sich ein gemeinsames Treffen mit Stadtvertretern und zwei Experten aus dem Landratsamt ergab: dem Leiter Immissionsschutz und Wasserrecht, Konrad Schneider, und Katharina Huber, Büroleiterin des Landrats. Von den beiden seien sie positiv überrascht gewesen. Alle im Vorfeld eingereichten Fragen hätten sie, soweit ihnen das möglich gewesen sei, beantwortet. „Huber und Schneider sind bestens vorbereitet gewesen und haben auf uns den Eindruck gemacht, dass sie für Transparenz stehen“, erzählen die Ortssprecher.
Um sich einen noch besseren Überblick verschaffen zu können, sei man allerdings auf die Kooperationsbereitschaft der Bundeswehr angewiesen. Es gebe drei nachgewiesene kontaminierte Stellen auf dem Fliegerhorst, dazu noch drei Bereiche, wo dies vermutet wird. Zudem sei der vom Bayerischen Landesamt für Umwelt festgelegte Schwellenwert in zwei von acht untersuchten landwirtschaftlichen Brunnen überschritten und den Besitzern empfohlen worden, das Wasser nicht mehr zu verwenden. Und schließlich wurden auch im Zeller und Rosinger Weiher erhöhter Werte festgestellt. Die Frage, die sich die Ortssprecher neben der fehlenden Informationspolitik auch stellen: „Warum dauert die Aufarbeitung so lange?“
Im benachbarten Manching können die Betroffenen ein Lied davon singen. Dort war die Pfc-belastung des Bodens und des Grundwassers auf und rund um den Flugplatz 2012, also gut ein Jahr vor Zell festgestellt worden. Mit der Aufarbeitung ist die Gemeinde im Vergleich zu allen bundesweit betroffenen Standorten mit am weitesten vorangeschritten. Als Hintergrund: Bei dem im Umweltbereich stringent festgelegten Verfahren, nicht zuletzt was das Bodenschutzgesetz angeht, müssen erst fünf Phasen durchlaufen werden, ehe eine Sanierung überhaupt beginnen kann. Manching hat gerade erst die Detailuntersuchung abgeschlossen und damit Phase drei hinter sich gebracht. Allerdings beziehe sich das Gutachten laut Pfaffenhofens Landratsamtspressesprecher Karl Huber nur auf drei kontaminierte Bereiche auf dem Flugplatz. Es gebe aber noch 18 weitere Schadstellen, auch außerhalb. In den am stärksten betroffenen Ortsteilen Lindach und Westenhausen dürfen die Bewohner ihre Grundstücke nicht mehr aus eigenen Brunnen bewässern, müssen ausgehobene Erde selbst reinigen und das auch selbst bezahlen. Dort hat sich bereits eine Bürgerinitiative Betroffener gegründet.
Für Neuburg ist man gerade erst dabei, das Konzept für die Detailuntersuchung vorzubereiten. Rechtsstaatliche Verfahren wie diese dauern, müssen europaweit ausgeschrieben und das Geld vom Bund bereitgestellt werden. Das gilt nicht nur für den Standort Neuburg, sondern für alle betroffenen in Deutschland. Das zu verstehen, tun sich die Ortssprecher schwer. „Wenn wir ein so gutes Verhältnis zur Bundeswehr haben, wie immer behauptet wird, gerade dann verträgt dieses Verhältnis auch eine klare Ansage, dass das Prozedere viel schneller durchgezogen werden muss“, verdeutlichen sie.
Nach der informativen Aufklärung durch die Mitarbeiter des Landratsamtes baten sie Katharina Huber und Konrad Schneider noch um eine künftig aktive Weitergabe an Informationen. Dabei sollten auch die Bürger in den anderen umliegenden Ortsteilen wie Feldkirchen, Sehensand und Altmannstetten mit eingebunden werden. „Wir alle sind durch unsere Nähe zum Flugplatz schon massiv belastet. Zu Kerosin und Lärm kommt jetzt noch PFC. Das lässt sich nicht kleinreden“, sagen die Ortssprecher. Wir brauchen die Bundeswehr, aber ein gutes Miteinander lebt nicht zuletzt von einem gegenseitigen Vertrauen.“
Außerdem verlangen sie regelmäßige, kostenlose Untersuchungen der privaten Grundwasserbrunnen in den betroffenen Ortsteilen, aus denen viele auch ihr Gemüse im Garten gießen würden. „Wenn dort krebserregende Stoffe gefunden werden, dann kann wenigstens jeder selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Das ist nichts anderes wie mit dem Rauchen“, vergleicht Andreas Weis. Zudem sollte aus den angrenzenden Badeweihern künftig nicht nur bakteriologische, sondern regelmäßig auch chemische Wasserproben gezogen werden.
Schriftlich an Landrat Roland Weigert leiteten die Ortssprecher darüber hinaus den Antrag weiter, den Pfaffenhofens MDL Karl Straub im Bayerischen Umweltausschuss gestellt hat. Unter anderem geht es da um die Herstellung von Transparenz, eine Sanierung, die Erstattung von Mehrkosten, die Übernahme von Entsorgungskosten und die Verjährungsfrist.
Der Landrat steht derweil ganz an der Seite der Betroffenen. Im Hinblick auf den extrem schleppenden Prozess will nun das Landratsamt den Hut aufsetzen, eine Untersuchungsmethodik mit den Fachleuten festlegen und gemeinsam mit der Stadt eine Aufklärungsveranstaltung organisieren, bei der alle relevanten Akteure am Tisch sitzen: etwa Wasserwirtschaftsamt, Bundeswehr, Landesamt für Umweltschutz und das Landwirtschaftsamt. „Wir wollen dafür sorgen, dass es dazu kommt, wofür die Behörden da sind: Nämlich, wenn es eine Gefährdung der Bürger gibt, müssen wir sie abstellen. Wenn keine Gefahr besteht, ist es unsere Aufgabe, mit der Stadt auch darüber aufzuklären“, verdeutlicht Weigert. Ohne einen Vorwurf an irgendjemanden zu richten, brauche es jetzt einen klaren Entscheidungsprozess, um zügig zu Lösungen zu kommen.
Involviert in den Prozess ist mittlerweile auch CSU Bundestagsabgeordneter Reinhard Brandl. Die von den Ortssprechern geschickten Fragen habe er bereits an die Bundeswehr weitergeleitet. Jetzt wartet er auf die Antworten. Kommentar