Bunte Gedankenspiele
Landtagswahl Mit wem kann, mit wem wird die CSU regieren? Unmittelbar vor der Wahl ist die Koalitionsfrage noch schwieriger geworden. Kleine Abweichungen zu den Umfragewerten können große Folgen haben. Welche Bündnisse wahrscheinlich und welche ausgeschlo
München Mit wem kann, mit wem soll, mit wem wird die CSU regieren? Diese Frage ist im Endspurt des Landtagswahlkampfs noch einmal etwas schwieriger und etwas spannender geworden. Wenn die Umfragen zutreffen, hat sich die Lage für die CSU weiter verschärft. Die erhoffte Trendwende konnte zumindest bis zum Freitag nicht erreicht werden. Wird die CSU vielleicht sogar zwei Partner brauchen? Oder ringt sie sich am Ende doch zu einer Koalition mit den Grünen durch?
Nach der letzten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion und Spiegel Online ergibt sich folgendes Bild: CSU 32,9 Prozent, Grüne 18,5, AfD 12,8, SPD 11,0, Freie Wähler 9,8 und FDP 5,9. Damit würden sechs Parteien den Sprung in den Landtag schaffen. Die FDP wäre knapp drin, die Linke mit 3,9 Prozent knapp draußen.
Insgesamt kämen die im Landtag vertretenen Parteien demnach auf 90,9 Prozent der Stimmen. Geht man von dem Umfrageergebnis aus, wären für eine Koalitionsmehrheit mindestens 45 Prozent nötig. Das heißt, die CSU könnte im MitteRechts-Lager nur eine Dreier-Koalition mit Freien Wählern und FDP bilden. Dieses Regierungsbündnis hätte mit 48,6 Prozent eine komfortable Mehrheit. Theoretisch möglich wäre auch eine CSU-geführte Dreierkoalition unter Einschluss der SPD oder eben eine Zweierkoalition der CSU mit den Grünen – aus politischen Gründen aber ist das eine wie das andere wenig wahrscheinlich. Bündnisse mit der AfD haben alle Parteien vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen.
Am wahrscheinlichsten also wäre nach aktuellem Stand die Dreierkoalition aus CSU, Freien Wählern und FDP. Zwar liegen insbesondere in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik Welten zwischen den Freien und den Liberalen. Die Freien Wähler fordern auf vielen Gebieten mehr staatliches Engagement und stellen sich damit gegen die Grundlinie der FDP, die möglichst wenig Staat will. Und auch in grundsätzlichen Fragen der Gesellschaftspolitik gibt es mehr als Gemeinsames. Doch mit der CSU könnten sich die beiden kleinen Parteien vermutlich relativ schnell verständigen.
Die CSU müsste dafür allerdings auch einige Kröten schlucken. Das Regieren mit zwei Partnern wäre deutlich schwieriger als in einer Zweierkoalition, und es müssten auch mehr Ministerposten abgegeben werden. Der Vorteil eines Mitte-Rechts-Bündnisses für die CSU könnte sein, dass sie weniger Zugeständnisse an einen tendenziell linkeren Partner machen müsste. Viele CSU-Politiker sind davon überzeugt, dass das eine zentrale Voraussetzung dafür ist, der AfD im neuen Landtag wirksam Paroli zu bieten.
Dass die CSU die SPD mit ins Boot holt beziehungsweise die SPD sich ins Boot holen lässt, ist diese Woche noch einmal ein Stück unwahrscheinlicher geworden. SPDSpitzenkandidatin Natascha Kohnen ist mehr auf Distanz zur CSU gegangen als zuvor. Direkt gegen ein Bündnis mit den Christsozialen hat sie sich zwar nicht ausgesprochen, aber sie hat klargemacht, dass die SPD eine Partei sei, „die sich für den Machterhalt nicht verbiegt“. Der linke Flügel der Partei lehnt eine Koalition mit der CSU bisher strikt ab.
Auch Schwarz-Grün ist in der Endphase des Wahlkampfs unwahrscheinlicher geworden. Der Spitzenkandidat der CSU, Ministerpräsident Markus Söder, setzte sich zuletzt deutlich von den Grünen ab. Er wertete ihr Wahlprogramm als Rückfall auf klassisch grüne Positionen, die den Überzeugungen und dem Programm der CSU diametral entgegenstehen. Völlig ausgeschlossen hat er ein Bündnis jedoch nie. Dies würde allerdings auch seine Verhandlungsposition gegenüber allen anderen möglichen Koalitionspartnern schwächen.
Die Grünen haben sich im Wahlkampf zur CSU genauso verhalten wie die CSU zu den Grünen – mit scharfer inhaltlicher Abgrenzung, aber prinzipieller Gesprächsbereitschaft. Die grünen SpitzenkandidaTrennendes ten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann bekundeten zwar ihren Willen zu regieren, „aber nicht um jeden Preis“. Sie beharren darauf, dass erst die CSU sich ändern müsste, ehe die Grünen zu einer Partnerschaft in einer Regierung bereit wären.
Noch freilich ist gar nichts sicher. Dass die FDP es in den Landtag schafft, ist anzunehmen, aber das letzte Wort haben die Wählerinnen und Wähler. Genauso wenig steht fest, dass es die Linke nicht schafft. Alle Meinungsforschungsinstitute weisen immer wieder darauf hin, dass die Umfrageergebnisse von der tatsächlichen Stimmung um ein, zwei oder gar drei Prozent abweichen können.
Zudem gilt: Die Umfragen sind zwar in ihrer Tendenz eindeutig, aber jede Umfrage ist nur eine Momentaufnahme, keine Prognose. Ein Großteil der Wähler ist noch unentschlossen. Außerdem berücksichtigen Umfragen nicht, dass die Wähler in Bayern zwei Stimmen haben – eine für den Stimmkreiskandidaten, eine für eine Partei. Sie können ihre Wahlentscheidung also splitten. Danach wird in den Umfragen in aller Regel nicht gefragt.
Besonders spannend bei dieser Wahl ist, dass schon kleine Abweichungen im Ergebnis zu großen Kräfteverschiebungen führen könnten. Wenn zum Beispiel die FDP doch unter fünf Prozent landet, dann könnte es für die CSU selbst bei einem schlechten Ergebnis für eine Zweierkoalition mit den Freien Wählern reichen. Umgekehrt würde ein Einzug der Linken in den Landtag der CSU eine Regierungsbildung noch einmal deutlich erschweren. Und nur einige Prozentpunkte mehr für die CSU könnten bedeuten, dass die Partei plötzlich die freie Wahl unter drei oder vier möglichen Partnern hätte.
Fixpunkte gibt es bei dieser Wahl in der Tat nur zwei: Erstens haben, wie gesagt, alle anderen Parteien ein Bündnis mit der AfD ausgeschlossen. Zweitens hat Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, versichert, dass er für die Bildung einer „bunten Koalition“gegen die CSU auch dann nicht zur Verfügung stehen würde, wenn sie rechnerisch möglich wäre.
Rechnerisch geht viel, politisch aber nicht