Wohin mit all dem Überfluss?
Garten Es war ein Rekordsommer mit einer Rekordernte. Die Bäume biegen sich unter der Last der Früchte. Egal ob Beeren, Zwetschgen oder Äpfel – die Ernte ist mehr als reichlich. Da stellt sich die Frage: Wohin mit all dem Obst?
Neuburg-Schrobenhausen Die Äste biegen sich unter der Last ihrer Früchte. Manch einem alten Baum fehlt die Kraft, dass er die vielen Kilos tragen kann, sodass der ein oder andere Ast ob seines Übergewichts abbricht. Es ist ein außergewöhnliches Obstjahr. Zwetschgen, Äpfel, Birnen, Quitten, Beeren, Kirschen – alle Bäume und Sträucher strotzen vor Ertrag. Und die Gartenbesitzer stellen sich mit jeder Ernte erneut die Frage: Wohin mit all dem Überfluss?
Im Augenblick sind es die Äpfel, die zuhauf an den Bäumen hängen. Es gab Jahre, da trauten sich Passanten, von den Obstbäumen am Wegesrand keinen Apfel zu pflücken. Andernorts wurde das Ernterecht sogar versteigert. Doch dieses Jahr ist alles anders: Tonnenweise liegen sie im Gras und scheinbar will sie niemand haben, wie etwa in der Gemeinde Oberhausen, wo zahlreiche Obstbäume entlang der Baugebiete gepflanzt wurden. Auch in den Privatgärten bleibt so mancher Baum ungeerntet – weil die Menschen schlichtweg nicht mehr wissen, wohin mit all den Äpfeln. So geht es etwa Familie Heinze aus Oberhausen. 1200 Liter Apfelsaft, der mit der selbst gebauten Presse gekeltert wurde, lagern bereits im Keller. Trotzdem sind bei Weitem noch nicht alle Bäume abgeerntet.
Wer keine eigene Saftpresse hat, kann seine Äpfel auch zu Mathias
Bis zu dreimal mehr Äpfel als in „normalen“Jahren
Rami nach Marxheim bringen. Die Apfelpresse, die er „nebenbei“betreibt, ist in diesem Jahr am Rotieren: „Wir haben bis zu dreimal mehr Äpfel als in normalen Jahren und wir pressen seit 18. August vier Tage die Woche von 7 bis 23 Uhr.“Bis 27. Oktober ist die Presse noch in Betrieb, dann soll Schluss sein.
Was nicht zu Saft verarbeitet wird, landet mitunter im Keller. Dafür eignet sich die Sorte Boskoop am besten. Doch was ist mit den anderen Apfelsorten, sie sich nicht so gut lagern lassen und der Keller ohnehin zu warm dafür ist? Dann kommen sie ins Glas – in Form von Kompott. Wenn sich auch davon zuhauf in den Vorratsräumen stapelt und man sich beim Anblick der vielen Gläser die Frage stellt: „Wer soll das alles eigentlich essen?“, steht noch eine Snack-Variante zur Wahl: das Dörren. So macht es auch Hans Wiest mit seinen Gloster-Äpfeln. Die knallroten Früchte schauen aus, wie aus dem Bilderbuch. Weil sie zum Saften viel zu schade sind und weil es zum Lagern zu viele sind, schnippelt und trocknet er sie. Eine Prozedur, die ihren Preis hat, denn der Dörrapparat frisst Strom und Apfelschnitze brauchen fünf Stunden, Zwetschgen mindestens doppelt so lang, bis sie haltbar werden.
Schneller geht da ein Apfelstrudel. Der macht zwar viel Arbeit, schmeckt aber immer gut. Und man ihn einfrieren – aber nur, wenn es in der Gefriertruhe neben dem Zwetschgendatschi und den Beeren noch genügend Platz gibt.
Der Apfelsegen kommt in diesem Jahr auch all jenen zugute, die keinen Garten haben. Kinder, Freunde, Nachbarn, Verwandte – sie alle werden mitversorgt, und das meist nicht nur von einer Seite. Doch jetzt, wo der Apfel überall reichlich vorhanden ist, will ihn keiner mehr haben. Sogar in der Apotheke bekommt man einen „Bio-Apfel“geschenkt. Und während unverständlicherweise in so manchem Supermarkt Importäpfel aus Neuseeland und Argentinien angeboten werden, verfüttern Jäger die heimischen Früchte an die Rehe – oder sie lankann den in letzter Konsequenz auf dem Wertstoffhof. Klar, man könnte auch Garnisonen von Apfelmännchen basteln. Aber das hilft auch nichts. Denn nach den Äpfeln wird schon das nächste Füllhorn ausgeschüttet: die Quitten, die zu Tausenden an den ringsum gestützten Bäumchen hängen. Der Überfluss macht Probleme – welch ein Luxus!