Hammerklavier und „hammer“Bläser
Musik Was den Reiz des Auftaktkonzertes der 71. Neuburger Barockkonzerte ausmachte
Neuburg Der Ottheinrichsaal mit seinen großflächigen flämischen Barockgemälden, die einen beim ersten Eindruck fast erschlagen, hat etwas Gigantisches. Deswegen ist ein Konzert an diesem Ort besonders reizvoll – und eine Herausforderung für die Musiker. Sie müssen dem gewaltigen Ambiente etwas entgegensetzen, sonst gehen sie unter.
Worauf es dabei ankommt? Auf die Leichtigkeit des musikalischen Seins, auf absolute Klarheit in der Artikulation, auf inneres Feuer und Emotion. Hinzu kommt ein Gespür für die Akustik in diesen heiligen Hallen sowie für die Spannung, die aus der atemlosen Stille kleiner Pausen entsteht. Christine Schornsheim, international gefeierte Meisterin auf dem Hammerklavier, und ein ebenso kultiviert wie leidenschaftlich intonierendes Bläserquartett aus Susanne Regel (Oboe), Rainer Johannsen (Fagott), Philippe Castejon (Klarinette) und Andrew Hale (Horn) haben den Stier bei den Hörnern gepackt. So wurde die Herausforderung bravourös bewältigt.
Und zwar mit Grandezza, Drive und einem Feingefühl, das etwa in den langsamen Sätzen der Bläserquintette von Franz Danzi und Wolfgang Amadeus Mozart direkt ins Herz des Publikums hineingeht. Auch wer häufig in den berühmten Konzerthallen der Klassik- und Barockwelt unterwegs ist, wird einen derart inningen, in sich stimmigen Bläserklang selten gehört haben. Damit spielt Neuburg, wenn man einen Vergleich mit der Welt des Fußballs anstellen will, in der EuroLeague mit, vielleicht sogar in der Champions-League.
Dass die Akustik in diesem Raum auch Tücken bereithält, sei nicht verschwiegen. Das Tempo zu halten, gerade in den „leichteren“Passagen wie dem Menuett aus Johann Georg Lickls Es-Dur-Trio für Klarinette, Horn und Fagott, kann zur Herausforderung werden. Unmerklich, weil von den akustischen Gegebenheiten versteckt, geht da Drive verloren. Aber mit einem kleinen Schubs durch den Spiritus Rector an der Klarinette war der Schwung des Anfangs sofort wieder da.
Insgesamt präsentierten sich die Bläser mit Noblesse und selbstverständlicher Präzision, fein im Piano und mit Feuer in den Rondeau-Sätzen von Lickl und Mozart. Die Barockvarianten der Holzbläser und das Naturhorn haben nicht ganz das Volumen und die Power moderner Instrumente, aber sie glänzen – wenn sie meisterlich gehandhabt werden – durch einen leicht zurückgenommenen, warmen und samtenen Klang. Mit der Tonwelt eines Hammerklaviers harmonisiert dies bestens.
Was Christine Schornsheim dem Publikum auf dem Hammerklavier anzubieten hatte, kann man nur als sensationell bezeichnen. Die vielfach ausgezeichnete Professorin an der Musikhochschule München entlockt ihrem Instrument eine Fülle von Farben, die raffiniert zwischen dem silbrigen Cembalo-Klang und dem tragenden Sound eines modernen Pianoforte changieren. Der Zugriff Schornsheims ist vom ersten Akkord an überzeugend. Sie spielt die verrücktesten Läufe, wilde Arpeggien und die barocktypischen Verzierungen auf verblüffende Art durchsichtig. Christine Schornsheim lebt die Faszination des musikalischen Augenblicks, die ein LiveKonzert grundlegend auch von der besten technischen Aufnahme unterscheidet.
Leopold Kozeluh ist ein gelinde gesagt nicht sehr bekannter Komponist. Seine Sonate D-Dur für Hammerklavier so perfekt im Ottheinrichsaal zu erleben, war ein echtes Geschenk.