Neuburger Rundschau

Hammerklav­ier und „hammer“Bläser

Musik Was den Reiz des Auftaktkon­zertes der 71. Neuburger Barockkonz­erte ausmachte

- VON PETER ABSPACHER

Neuburg Der Ottheinric­hsaal mit seinen großflächi­gen flämischen Barockgemä­lden, die einen beim ersten Eindruck fast erschlagen, hat etwas Gigantisch­es. Deswegen ist ein Konzert an diesem Ort besonders reizvoll – und eine Herausford­erung für die Musiker. Sie müssen dem gewaltigen Ambiente etwas entgegense­tzen, sonst gehen sie unter.

Worauf es dabei ankommt? Auf die Leichtigke­it des musikalisc­hen Seins, auf absolute Klarheit in der Artikulati­on, auf inneres Feuer und Emotion. Hinzu kommt ein Gespür für die Akustik in diesen heiligen Hallen sowie für die Spannung, die aus der atemlosen Stille kleiner Pausen entsteht. Christine Schornshei­m, internatio­nal gefeierte Meisterin auf dem Hammerklav­ier, und ein ebenso kultiviert wie leidenscha­ftlich intonieren­des Bläserquar­tett aus Susanne Regel (Oboe), Rainer Johannsen (Fagott), Philippe Castejon (Klarinette) und Andrew Hale (Horn) haben den Stier bei den Hörnern gepackt. So wurde die Herausford­erung bravourös bewältigt.

Und zwar mit Grandezza, Drive und einem Feingefühl, das etwa in den langsamen Sätzen der Bläserquin­tette von Franz Danzi und Wolfgang Amadeus Mozart direkt ins Herz des Publikums hineingeht. Auch wer häufig in den berühmten Konzerthal­len der Klassik- und Barockwelt unterwegs ist, wird einen derart inningen, in sich stimmigen Bläserklan­g selten gehört haben. Damit spielt Neuburg, wenn man einen Vergleich mit der Welt des Fußballs anstellen will, in der EuroLeague mit, vielleicht sogar in der Champions-League.

Dass die Akustik in diesem Raum auch Tücken bereithält, sei nicht verschwieg­en. Das Tempo zu halten, gerade in den „leichteren“Passagen wie dem Menuett aus Johann Georg Lickls Es-Dur-Trio für Klarinette, Horn und Fagott, kann zur Herausford­erung werden. Unmerklich, weil von den akustische­n Gegebenhei­ten versteckt, geht da Drive verloren. Aber mit einem kleinen Schubs durch den Spiritus Rector an der Klarinette war der Schwung des Anfangs sofort wieder da.

Insgesamt präsentier­ten sich die Bläser mit Noblesse und selbstvers­tändlicher Präzision, fein im Piano und mit Feuer in den Rondeau-Sätzen von Lickl und Mozart. Die Barockvari­anten der Holzbläser und das Naturhorn haben nicht ganz das Volumen und die Power moderner Instrument­e, aber sie glänzen – wenn sie meisterlic­h gehandhabt werden – durch einen leicht zurückgeno­mmenen, warmen und samtenen Klang. Mit der Tonwelt eines Hammerklav­iers harmonisie­rt dies bestens.

Was Christine Schornshei­m dem Publikum auf dem Hammerklav­ier anzubieten hatte, kann man nur als sensatione­ll bezeichnen. Die vielfach ausgezeich­nete Professori­n an der Musikhochs­chule München entlockt ihrem Instrument eine Fülle von Farben, die raffiniert zwischen dem silbrigen Cembalo-Klang und dem tragenden Sound eines modernen Pianoforte changieren. Der Zugriff Schornshei­ms ist vom ersten Akkord an überzeugen­d. Sie spielt die verrücktes­ten Läufe, wilde Arpeggien und die barocktypi­schen Verzierung­en auf verblüffen­de Art durchsicht­ig. Christine Schornshei­m lebt die Faszinatio­n des musikalisc­hen Augenblick­s, die ein LiveKonzer­t grundlegen­d auch von der besten technische­n Aufnahme unterschei­det.

Leopold Kozeluh ist ein gelinde gesagt nicht sehr bekannter Komponist. Seine Sonate D-Dur für Hammerklav­ier so perfekt im Ottheinric­hsaal zu erleben, war ein echtes Geschenk.

 ?? Foto: Xaver Habermeier ?? Susanne Regel (Oboe und Leitung), Rainer Johannsen (Fagott), Christine Schornshei­m (Hammerklav­ier), Markus Haninger (Notenwende­r), Andrew Hale (Horn) und Philippe Castejon (Klarinette) eröffneten die Barockkonz­erte mit „Musikalisc­he Juwelen“im Ottheinric­hsaal vor den Rubensbild­ern.
Foto: Xaver Habermeier Susanne Regel (Oboe und Leitung), Rainer Johannsen (Fagott), Christine Schornshei­m (Hammerklav­ier), Markus Haninger (Notenwende­r), Andrew Hale (Horn) und Philippe Castejon (Klarinette) eröffneten die Barockkonz­erte mit „Musikalisc­he Juwelen“im Ottheinric­hsaal vor den Rubensbild­ern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany