Wild und frei wie das „Fahrende Volk“
Barockkonzerte I Il Suonar Parlante Orchestra fasziniert im Kongregationssaal mit seiner Musik zwischen Barock und Weltmusik
Neuburg Menschen und fremden Kulturen in all ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit zu begegnen, war und ist zu allen Zeiten faszinierend. Gerade auch große Komponisten wie Telemann, Vivaldi oder Mozart hatten die Musik unterschiedlicher Völker vielfach in ihre Werke einfließen lassen. Durch die verbindende Sprache der Musik ist es sicherlich weiterhin möglich, den Weg zur „bunten Welt“zu bahnen und mit zu ebnen.
Die Neuburger Barockkonzerte widmeten sich in diesem Jahr unter dem Stichwort „Gypsy-barock“besonders den ethnologischen Einflüssen des sogenannten „Fahrenden Volkes“und beleuchteten die im östlichen Teil Europas erzeugte Musik mit ihrer ganz eigenen Prägung. Mit schöpferischer Kraft, Ideenreichtum sowie einem hohen Maß an Experimentierfreude öffneten sie somit das Tor für kreative Begegnungen und schafften den Raum für eine Werkdarbietung, die dieser Form vielfach einmalig scheint.
Beim eindrucksvollen Konzert im nahezu ausverkauften Kongregationssaal spürte das Publikum einmal mehr den besonderen Reiz einer „überlieferten Musik gemäß historisch informierter Praxis“, die aus der Koexistenz der Kulturen entstehen konnte und die eben von vielen unterschiedlichen Einflüssen, vielfach auch der Fremde, geprägt ist.
Der Gambist und Musikprofessor Vittorio Ghielmi hat mit der Sopranistin Graciela Gibelli, dem überaus brillant agierenden Blockflötisten Max Volbers und dem versierten Geiger Flavio Losco international renommierte Interpreten der „Alten-musik-szene“in sein Ensemble geholt, die mit ihrer Virtuosität die kulturelle Vielfalt der Musik vergangener Zeiten aufleben lassen.
Mit seinen Musikerfreunden aus Osteuropa, dem herausragenden Geiger Stanislav Palùch sowie dem technisch versierten Marcel Comendant (Cymbalon), begab er sich nach Siebenbürgen und somit auf die Su- che nach der Volksmusik des 18. Jahrhunderts, die an den Grenzen des Osmanischen Reiches und Österreichs gespielt wurde, auch um zahlreiche Werke eigens für das Konzert in Neuburg zu transkribieren und darzubieten.
Werke von Georg Philipp Telemann (Doppelkonzert für Flöte und Viola da gamba) sowie ungarische Tänze, Haiduckentänze und Zigeunermusik aus barocken Sammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts, bestens dargeboten vom mittlerweile weltweit gefragten Il Suonar Parlante Orchestra, erfüllten in schier einzigartiger Manier den Raum. Mit herrlicher Gelöstheit, in solider Einheit, mit Rasanz und enormer Leidenschaft agierten die Musiker, um letztlich eine Klangqualität auf höchstem Niveau zu offenbaren. Demgemäß entstand eine wundervoll reflektierte musikalische Interaktion, gleichermaßen melancholisch, freudig erregt, heiter und facettenreich. Besonders die feinen dynamischen Nuancen, die bahnbrechende solistische Prägnanz soin wie das stets ausgewogene Zusammenspiel aller Akteure wirkten im Werkverlauf, etwa bei Vivaldi (Concerto in D), Kirnberger (Mazurka), Mozart (Sirba nach dessen Violinkonzert in A- Dur) und eigens zusammengestellten Manuskripten, etwa aus „Sepsiszentgyörgy“überaus transparent und in der Form nach nahezu vollendet.
Mit kammermusikalischem Einfühlungsvermögen bewies auch Graciela Gibelli, dass sie diese Art von Musik bestens darbieten kann. Bei der in Argentinien geborenen Sängerin vereinen sich Charme mit einfühlsamer, innig beseelter Stimmkraft.
Auch das Orchester unter der Leitung des brillant agierenden Vittorio Ghielmi (Viola da Gamba) wirkte stilistisch klar, lupenrein und variabel in seinen Ausdrucksmöglichkeiten, ganz zur Freude eines restlos beeindruckten Publikums. Genau in dieser Intensität wünscht man sich überlieferte Musik, mit den so wundervollen Einflüssen fremder Kulturen und Völker.