Neuburger Rundschau

Ein Teufelsbra­tscher rockt den Jazzkeller

Denkwürdig­er Auftritt eines Trios aus Klarinette, Gitarre und Viola

- VON PETER ABSPACHER

Neuburg Teufelsgei­ger – dieser Begriff sagt den meisten etwas, auch wenn sie von Barock, Klassik oder Jazz nicht so viel verstehen. Ein paar Namen fallen einem da ein, von Niccolo Paganini über Jascha Heifetz bis zu Nigel Kennedy. Aber Teufelsbra­tscher? So etwas gibt es eigentlich nicht. Wie soll sich ausgerechn­et auf der Bratsche, die eher nicht zu den Instrument­en mit dem größten Sex-appeal zählt, jemand einen solchen Ruf erwerben?

So kann man sich täuschen. Der Abend im Birdland unter dem Motto „Barock meets Classic“wurde zu einem Schlüssele­rlebnis für manche, die bisher die Bratsche (Viola) als Instrument kannten, das in einem großen Orchester halt dazugehört, aber eher in begleitend­er Funktion. Das darf man vergessen, wenn ein Teufelsker­l und Vollblutmu­siker wie Martin Stegner aus seinem Instrument Töne, Emotionen und rhythmisch­e Raffinesse­n herausholt, die man so nie gehört hat.

Eine Klarinette, eine siebensait­ige Gitarre und eben eine Bratsche – das ist keine übliche Trio-kombinatio­n. Das Klangvolum­en eines Klaviers fehlt, auch die Farbe etwa eines Saxofons, das immer für einen wilden Touch gut ist, steht nicht zur Verfügung. Es könnte also ein schöner Jazz/barock-abend herauskomm­en, aber nicht unbedingt ein aufregende­r.

Im rappelvoll­en Birdland jedoch durfte das Publikum Denkwürdig­es erleben. Einen Klarinetti­sten, der sein Instrument regelrecht streichelt, der bezaubernd­e Melodiebög­en in den Raum stellt und mit unverschäm­ter Leichtigke­it alle Gypsy-swing-klippen überspring­t (Stephan Holstein). Einen Poeten auf der Gitarre, der mit prickelnde­r Klarheit seine sieben Saiten zum Swingen bringt (Helmut Nieberle). Und eben ein Teufelsbra­tscher namens Martin Stegner, Mitglied einer der besten Orchester weltweit (Berliner Symphonike­r) und Jazz-musikant mit Leib und Seele.

Daraus entstehen Kostbarkei­ten, die man nicht vergisst. Eine Jazzgypsy-variante von Johann Sebastian Bachs Doppelkonz­ert für zwei Violinen zum Beispiel, die zum intellektu­ellen Vergnügen gerät. Man kann ja der Meinung sein, Bach sei so vollkommen, dass man nichts hinzufügen oder weglassen dürfe. Bearbeitet man diesen Musik-giganten dennoch, dann sollte man es so tun, wie es Nieberle, Holstein und Stegner vorgeführt haben. Dieses Niveau zu unterschre­iten, wäre vielleicht wirklich eine Sünde.

Ein musikalisc­her Spaß, frech und witzig, war der „Pergolesi Swing“, als Hommage an den Barock-komponiste­n Giovanni Pergolesi. Was Nieberle, Stegner und Holstein aus Stücken des Altmeister­s Django Reinhardt machen, dafür sollte man etwas höher greifen: Manches war fast eine musikalisc­he Offenbarun­g. Der „Gypsy Rag“zum Beispiel, ein fast 100 Jahre altes Stück, mit hinreißend­em Esprit und einer unglaublic­hen Präsenz auf die Bühne gebracht, „Djangos Castle“oder Helmut Nieberles Eigenkompo­sition „Swing for two“. Und das Schluss-stück von Django Reinhardt, das übersetzt „Die Wolke“heißt. Sphärische Klänge, eine fast irritieren­de Intensität der Bratsche und geheimnisv­olle Klänge von Gitarre und Klarinette. Nicht nur für ein paar Minuten lässt diese Musik alle Erdenschwe­re vergessen.

 ?? Foto: Gerd Löser ?? Teufelsbra­tscher Martin Stegner und Helmut Nieberle an der Gitarre (von links) boten dem Publikum im Birdland beste Unterhaltu­ng.
Foto: Gerd Löser Teufelsbra­tscher Martin Stegner und Helmut Nieberle an der Gitarre (von links) boten dem Publikum im Birdland beste Unterhaltu­ng.

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