Neuburger Rundschau

Der lange Weg zum guten Tropfen

Handwerk Karl Ziegler sen. ist ein passionier­ter Schnapsbre­nner. Wie das Obst vom Baum ins Glas kommt

- VON NORBERT EIBEL

Neuburg-Heinrichsh­eim Karl Ziegler sitzt am Steuer des Golfcarts und zeigt ins Gelände. Das Stamperl vorhin war seinen Fahrkünste­n nicht abträglich – und überhaupt: Der Senior ist auf Privatgrun­d unterwegs. Rund neun Hektar ist Zieglers Golfplatz in Heinrichsh­eim groß. Dort wird an diesem Vormittag eifrig gespielt, doch das interessie­rt den 84-Jährigen weniger. Er hat nur Augen für seine Obstbäume und -gehölze, die überall auf dem Gelände stehen. Dort wächst der Rohstoff für seine Passion: Karl Ziegler ist Schnapsbre­nner.

Über 200 Bäume und ungezählte Sträucher, schätzt er, hat er in den vergangene­n zehn Jahren, seitdem Sohn Karl die Neun-Lochanlage eröffnet hat, im Außenberei­ch des Areals gepflanzt. „Nachdem ich die Landwirtsc­haft übergeben hab’, hab’ ich eine Beschäftig­ung gebraucht. Und mich hat immer das Obst gereut, das am Boden verfault ist.“Aus einem kleinen Obstgarten ist so eine riesige Streuobstw­iese geworden und der Senior hat sich für die Ernte einen selbstfahr­enden Hubwagen mit Kanzel zugelegt, denn „mit 84 kann ich nicht mehr auf der Leiter stehen“.

Bevor es ans Schnapsmac­hen ging, musste Karl Ziegler aber erst ein Brennrecht erwerben. Der Gesetzgebe­r knüpft daran einige Regeln. Unter anderem braucht es eine Hofstelle, eine Mindestbet­riebsgröße und einen Obstertrag. Er ist zudem Mitglied im Landesverb­and der Kleinbrenn­er, wo er auch Schulungen besucht hat. 50 Liter Alkohol durfte er bisher pro Jahr erzeugen, heuer wurde das Branntwein­monopol geändert, jetzt sind es 300 Liter. „Das kann ich aber nicht auslasten“, schmunzelt Ziegler senior. Nach dem Alkoholste­uergesetz muss er seine Erzeugniss­e zudem beim Zoll versteuern. Bezahlt wird für die Maische, „wie viel Alkohol ich daraus brenne, hängt dann von meinen Fähigkeite­n ab.“

Fürs Destillier­en braucht’s ein Händchen und ganz viel Erfahrung. „Von den Kollegen erfährt man selten was Nützliches. Da muss man viel rumfragen“, weiß er. Ein Problem hatte er etwa mit einem Schlehenbr­and. Bei einer Qualitätsp­rüfung wurde zu viel giftige Blausäure festgestel­lt. Das Cyanid steckt in Steinobstk­ernen. Und es hat gedauert, bis der Hobbybrenn­er auf des Rätsels Lösung kam: Das Wildobst stand zu lange in der Maische. „Die Kerne waren nicht verletzt, aber sie sind ja winzig und haben eine sehr dünne Schale.“Nach der Devise Versuch und Irrtum hat Karl Ziegler sich das Handwerk selbst beigebrach­t. „Man lernt immer dazu.“Jeder habe so seine Kniffe. Und so hat er auch einen bernsteinf­arbenen Apfelbrann­twein, seinen begehrten Calvados kreiert.

Bevor es ans Feintuning geht, muss aus Festem Flüssiges werden. Und das ist komplex: Schon die perfekte Maische, also das Vergären, eine gute Organisati­on und ein wenig Glück. Etwa drei Wochen ruht die Maische im Gärfass, aus Zucker wird Alkohol. Dann geht’s ans Brennen: Dazu wird der Fruchtbrei in den Kessel des kupfernen Brenngerät­s gefüllt. Die Destillati­on ist ein komplexes thermische­s Verfahren. In rund zweieinhal­b Stunden wird durch Verdampfun­g, Kondensati­on und Kühlung der Alkohol vom Wasser getrennt. Da Alkohol bei 78,3 Grad siedet, wird das Wasser aus dem Destillat praktisch herausgewa­schen. Unten am Kühler ist ein Überlauf, der ein Alkoholmet­er enthält, das den Alkoholgeh­alt misst. Ziel sind 40 Prozent.

Wenn Karl Ziegler die hochprozen­tige Flüssigkei­t zum Reifen in Glasballon­s abgefüllt hat, geht’s ans Veredeln. Im Lagerraum stehen die Behälter in langen Regalreihe­n. Um Farbe und Geschmack zu bekombrauc­ht men, hat er sich etwas ausgedacht. Er legt selbst hergestell­tes Trockenobs­t ein. Schlussend­lich füllt er die edlen Tropfen in Flaschen ab. Und mit einem Trick gelingt ihm auch sein Calvados. „Wenn man nämlich die Apfelmaisc­he brennt, bekommt man nur Obstler.“Karl Ziegler macht deshalb zuerst Apfelwein, den er dann brennt. So erhält die bernsteinf­arbene Spirituose ihr unverwechs­elbares Aroma. Santé!

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Fotos: Alexander Kaya (1)/N. Eibel Der Weg vom Apfelbaum ins Calvados-Glas: Viele Arbeitssch­ritte muss Karl Ziegler tun auf dem Weg zum perfekten Destillat (2. Reihe v.l.).
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...in Gärfässer, wo sie drei Wochen lang ruht. Den geeichten Messstock verlangt ...
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...bevor er in Flaschen abgefüllt und etikettier­t wird.
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Der Genuss kommt zum Schluss: Von der Flasche läuft der Tropfen ins Glas ...
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Nach der Ernte wird das Obst erst gepresst, die sogenannte Maische kommt ...
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... am Überlauf wird mit dem Alkoholmet­er der Prozentgeh­alt gemessen.
 ??  ?? Zunächst ruht der Alkohol in großen Glasballon­s ...
Zunächst ruht der Alkohol in großen Glasballon­s ...
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... und dann heißt es schlussend­lich: Zum Wohl!
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... der Zoll. Im Kupferbren­nkessel entsteht durch Destillati­on Alkohol, ...

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