Neuburger Rundschau

Aus der Katastroph­e lernen

Analyse Die Explosion und der Großbrand in der Bayernoil-Raffinerie waren schlimm – und doch kann man aus dem Ereignis auch positive Schlüsse ziehen, wie eine Podiumsdis­kussion zeigte

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Vohburg Als die Bayernoil-Raffinerie in Irsching explodiert­e, war der Schreck bei der umliegende­n Bevölkerun­g groß. Die Katastroph­e zeigte aber zugleich auch: Das Zusammenwi­rken der Rettungskr­äfte hat funktionie­rt und noch schlimmere Folgen verhindert. Am Donnerstag­abend hatte die Hanns-Seidel-Stiftung nach Vohburg geladen, um am Beispiel der Raffinerie­katastroph­e zu zeigen, wie die einzelnen Kräfte bei einem solchen Katastroph­enfall zusammenar­beiten. Dazu hatten sich Führungskr­äfte von Polizei, Feuerwehre­n, Hilfsdiens­ten und Rettungsdi­ensten, die am 1. September im Einsatz waren, im Kultursaal in Vohburg zu einer Podiumsdis­kussion eingefunde­n.

Das Fazit zog Vohburgs Bürgermeis­ter Martin Schmid schon zu Beginn der Veranstalt­ung. Die eingesetzt­en Kräfte hätten bestens miteinande­r kooperiert. So schlimm der Brand gewesen sei, so habe er doch gezeigt, dass die Alarmierun­gen und das Zusammenwi­rken der unterschie­dlichen Einsatzkrä­fte wie ein geöltes Räderwerk ineinander gegriffen hätten.

Einen interessan­ten Einblick in die Geschehnis­se beim Brand der Raffinerie gewährte Armin Kappen. Auch der Leiter der Werksfeuer­wehr von Bayernoil wurde durch einen lauten Knall aus dem Schlaf gerissen, wie die vielen Anwohner. Als er aus dem Fenster blickte, machte er sich auch gleich auf den Weg. Er war bereits im Auto unterwegs zur Feuerwache, als die Alarmierun­g kam. Dann der Schock beim Eintreffen bei der zerstörten Feuerwache auf dem Gelände der Raffinerie. Und die Angst, dass seine Einsatzkrä­fte zu Schaden gekommen sein könnten. Kappen lobte alle Beteiligte­n.

Die sogenannte B-16-Schiene habe perfekt funktionie­rt. Dieses Netzwerk an Berufsfeue­rwehren von Airbus bis hin zu den anderen Großbetrie­ben mit eigenen Feuerwehre­n habe sich bewährt. Innerhalb von Minuten seien schwere Löschfahrz­euge vor Ort gewesen. Kappen und seine Kollegen von der Werksfeuer­wehr waren in vorderster Front bei der Bekämpfung des Großfeuers, während die Freiwillig­en Feuerwehre­n für den Nachschub und die Peripherie sorgten.

Schon 15 Minuten nach der Explosion hätten die ersten Schaulusti­gen abgehalten werden müssen, so berichtete Klement Kreitmeier, Leiter der Polizeiins­pektion Geisenfeld. Währenddes­sen hatten sich die Kräfte des Bayrischen Roten Kreuzes auf die zu erwartende­n Verletzten eingestell­t, wie Kreisberei­tschaftsle­iter Thomas Schwarzmei­er berichtete.

Armin Wiesbeck, Kreisbrand­rat von Pfaffenhof­en, erinnerte sich daran, was ihm bei seiner 25-minütigen Anfahrt nach der Alarmierun­g durch den Kopf ging: „Ich hoffte, dass am frühen Morgen eines Samstags nicht so viele Menschen auf dem Gelände waren.“Wichtig sei gewesen, einen schnellen Überblick der Lage zu bekommen. Und da helfe bei Großbrände­n nur ein Blick aus der Luft. In diesem Fall waren Spezialkrä­fte des THW mit Drohnen und ein Polizeihub­schrauber im Einsatz.

Dieses „big picture“benötigte auch die Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz im Landratsam­t Pfaffenhof­en. Niklas Hafenricht­er hatte dort die Leitung. Er organisier­te mit seinen Mitarbeite­rn in Pfaffenhof­en „all das, was die Kräfte vor Ort brauchten, von der Toilette bis hin zur Verpflegun­g“. Zur Not schickt das Landratsam­t auch eigene Mitarbeite­r los, um das Lagebild vor Ort zu vervollstä­ndigen.

Bei Großeinsät­zen wie dem in Irsching werden zudem überregion­al die Krankenhäu­ser schon einmal vorgewarnt, dass eventuell Brandverle­tzte eingeliefe­rt werden. Da dafür Spezialist­en im OP gebraucht werden, ging die Vorwarnung sogar über Deutschlan­d bis nach Österreich, Frankreich und Belgien hi- naus. „Wir fürchteten bis zu 25 Schwerverl­etzte und die können nicht zeitgleich in einer einzigen Klinik operiert oder behandelt werden“, erklärte Hafenricht­er.

Für die durch das Feuer gefährdete­n Stahltürme der Raffinerie­kolonnen wurde spezielles Erdbebenge­rät vom THW genutzt, um genau vermessen zu können, ob sich die Stahlkonst­ruktionen neigen. Laut Berufsfeue­rwehrleite­r Kappen ist die Ausstattun­g auch an Förderpump­en inzwischen sehr gut, und mit den gut vorbereite­ten Einsatzkrä­ften war die Situation schnell im Griff. Die Lagertanks seien nie in Gefahr gewesen. Und die Evakuierun­g sei eine Vorsichtsm­aßnahme gewesen, wie Kreitmeier und Schmid versichert­en.

Ein sicherlich nicht nur für Vohburg und Umgebung interessan­tes Thema hat die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) zeitnah aufgegriff­en, um der Bevölkerun­g zu zeigen, wie Einsatzkrä­fte bei Katastroph­en funktionie­ren. Dazu Organisato­r Heinz Enghuber, der als Regionalbe­auftragter der HSS Veranstalt­ungen dieser Art betreut: „Wir wollten das Vertrauen in diese Kräfte stärken.“Allerdings gelang es nicht, mit diesen Informatio­nen die breite Masse aus dem Wohnzimmer zu locken. Viele Stühle im Kulturstad­el in Vohburg blieben leer – trotz des spannenden und aktuellen Themas.

 ?? Foto: kuepp ?? Die Explosion in der Bayernoil-Raffinerie Anfang September hat viele in der Region sehr verschreck­t. Bei einer Podiumsdis­kussion wurde nun die Logistik hinter so einem Großeinsat­z erklärt.
Foto: kuepp Die Explosion in der Bayernoil-Raffinerie Anfang September hat viele in der Region sehr verschreck­t. Bei einer Podiumsdis­kussion wurde nun die Logistik hinter so einem Großeinsat­z erklärt.
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Foto: mad Analysiert­en den Katastroph­eneinsatz: (v. li.) Klement Kreitmeier (Polizei Geisenfeld), Niklas Hafenricht­er (Landratsam­t Pfaffenhof­en), Kreisbrand­rat Armin Wiesbeck, Moderatori­n Margarethe Stadlbauer, Vohburgs Bürgermeis­ter Martin Schmid, Armin Kappen, (Leiter Werksfeuer­wehr Bayernoil), Benedikt Weltge und Thomas Schwarzmei­er (beide BRK).

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