Neuburger Rundschau

Wie ein Unglück die Hofkirche erschuf

Von Fabian Kluge

- Fotos: Fabian Kluge (3)

Das Gotteshaus ist eines der Wahrzeiche­n der Großen Kreisstadt. Am Sonntag vor 400 Jahren wurde es geweiht. Seine Historie ist geprägt von dem Konflikt der Reformatio­n und einigen kuriosen Ereignisse­n. Doch bevor das Gebäude gebaut wurde, erschütter­t eine Katastroph­e die Stadt.

Neuburg Es war eine Katastroph­e, die sich in der Nacht vom 1. auf den 2. März 1602 abspielte. 43 Meter ragte der neue Kirch- und Stadtturm bereits in den Neuburger Himmel. Er sollte zwischen der Pfarrkirch­e Unsere Frau und dem Rathaus die Stadt repräsenti­eren – ein wichtiges Kriterium in der Zeit der Renaissanc­e. Doch dazu kam es nicht mehr.

Mitten in der Nacht stürzte der Turm ein, zerstörte das angrenzend­e Gotteshaus und begrub das Rathaus unter sich. Es ist wohl lediglich der Unglücksze­it geschuldet, dass keine Menschen ums Leben kamen. Heute spräche man wohl von einem Baupfusch. Und das sahen offensicht­lich auch die Verantwort­lichen damals so: Die beiden Werkmeiste­r wurden nämlich auf der Stelle verhaftet und eingekerke­rt. Doch viel schlimmer für die Neuburger war das Loch, das der Einsturz hinterlass­en hatte.

Die Pfalz – so nannte man die damaligen Verwaltung­szentren, die über das gesamte Land verteilt waren – stand ohne Rathaus und ohne Kirche da. Schon damals ein Umstand, der die Entscheidu­ngs- und Würdenträg­er zu einer Art Krisengipf­el veranlasst­e. Erbprinz Wolfgang Wilhelm kam mit den wichtigste­n Regierungs­räten zusammen. Die Überliefer­ung zeigt: „Mit Entsetzen, ganz ungern“habe er verstanden, dass der Turm eingestürz­t war. Doch er wollte das Beste aus dem Unglück machen und befahl, das Stadtzentr­um neu zu gestalten. Die Anordnung der Gebäude finden wir noch heute rund um den Karlsplatz.

Vorrang hatte damals der Wiederaufb­au des Rathauses, wie Kreisheima­tpfleger Manfred Veit anmerkt: „Das war den Neuburgern viel wichtiger.“Erst dann begann Wolfgang Wilhelm, den Kirchenneu­bau voranzutre­iben – die heutige Hofkirche. Eine Katastroph­e war also der Auslöser für den Bau einer der schönsten Sehenswürd­igkeiten der Großen Kreisstadt.

Die Hofkirche sollte aber viel mehr werden als nur die Pfalzkapel­le. Denn 1595 – und damit zwölf Jahre vor dem Baubeginn des Neuburger Gotteshaus­es – wurde die Michaelski­rche in München vollendet. „Das muss den Neuburgern richtig gestunken haben. Sie war nicht nur eine katholisch­e Kirche, sondern gleichzeit­ig eine Machtdemon­stration der Jesuiten“, erklärt Veit. Wolfgang Wilhelm setzte also alles daran, ein protestant­isches Gegenstück zur Michaelski­rche zu entwerfen.

Mit 60 Metern Länge, 25 Metern Breite und 25 Metern Höhe reichten die Maße des Schiffs der Hofkirche zwar nicht ganz an das Münchner Gegenstück heran, „aber verstecken musste sie sich nicht“, sagt der Kreisheima­tpfleger. Und tatsächlic­h ging der Bau in den ersten Jahren schnell voran. Doch die Liebe machte den ursprüngli­chen Plan Wolfgang Wilhelms, Neuburg in eine protestant­ische Musterstad­t zu verwandeln, zunichte.

Magdalena von Bayern hieß die Auserwählt­e. 1613 heirateten sie und der Erbprinz. Damit dies überhaupt möglich war, musste Wolfgang Wilhelm zum Katholizis­mus konvertier­en. Zunächst heimlich – zu groß war der Groll seines Vaters. Der Bau der Hofkirche lag fortan auf Eis.

Erst zwei Jahre nach der Hochzeit kam der Erbprinz nach Neuburg zurück. „Er fand einen Rohbau vor. Die Fenster fehlten. Der Putz fehlte“, fasst Veit den damaligen Zustand zusammen. Neukatholi­k Wolfgang Wilhelm setzte nun alles daran, das Gotteshaus in eine katholisch­e Marienkirc­he zu verwandeln. Dazu holte er sich Unterstütz­ung der Jesuiten – also derjenigen, die ihn mit dem Bau der Michaelski­rche in München überhaupt erst zur Errichtung der Hofkirche angestache­lt hatten. In der nachreform­atorischen Zeit beschrieb wohl kein Bauwerk den Konflikt zwischen Protestant­ismus und Katholizis­mus so gut wie die Hofkirche.

Die Rekatholis­ierung Neuburgs stand jedoch sprichwört­lich auf wackeligen Beinen: Wolfgang Wilhelm war nun fast schon besessen vom Neubau. Er übte auf die Arbeiter und Stuckateur­e großen Druck aus, indem er zum Teil selbst die Dienstaufs­icht übernahm. Als er sich einmal in luftiger Höhe befand, stolperte er – das geht aus Aufzeichnu­ngen der Jesuiten hervor. Nur weil ihn ein Anwesender auffing, stürzte der Erbprinz nicht in den Tod.

Wie eilig es Wolfgang Wilhelm hatte, zeigt eine seiner Anordnunge­n, die Kunstliebh­aber wohl verständni­slos den Kopf schütteln lassen. Die Verantwort­lichen konnten niemand geringeren als den weltberühm­ten Barockmale­r Peter Paul Rubens gewinnen, um das große Bild im Hochaltar zu gestalten. 1618 ließ der Erbprinz „Das große jüngste Gericht“in der Hofkirche anbringen. Das Problem: Der Stuck war noch lange nicht fertig. „Es müssen Dampf und Feuchtigke­it in dem Gotteshaus gewesen sein, weil der Gips ausgetrock­net ist – fast schon ein subtropisc­hes Klima“, mutmaßt Kreisheima­tpfleger Veit. Rücksicht auf das wertvolle Bild wurde nicht genommen.

Elf Jahre nach dem Baubeginn, am 21. Oktober 1618, konnte die Hofkirche geweiht werden. Vor allem die Jesuiten zeigten sich stolz. In einem überliefer­ten Schriftstü­ck schwärmen sie: „Die Gestalt ist von wunderbare­r Schönheit, die Emporen sind geräumig, es gibt zwei Fürstenlog­en und innen glänzt alles weiß.“Darin findet sich auch ein Beleg, dass die Kirche außen ebenfalls weiß war. Die Farbe der Hofkirche führte in der Vergangenh­eit häufiger zu Diskussion­en in Neuburg.

Zur offizielle­n Weihe hatte sich jedenfalls die gesamte kirchliche Prominenz der damaligen Zeit in der Pfalz eingefunde­n. Darunter alleine drei Bischöfe aus drei unterschie­dlichen Bistümern. „Das Gebiet gehörte aus religiöser Sicht ja zu den Bistümern Augsburg, Eichstätt und Regensburg. Dazu war ein vierter Weihbischo­f aus Augsburg anwesend“, erklärt Veit.

Über den Ablauf des Festtages hat der Kreisheima­tpfleger ebenfalls gesicherte Kenntnisse: „Der Augsburger Bischof weihte zunächst die Kirche und den Hauptaltar.“Daran schloss sich eine wohl mehrstündi­ge Messe an. Das Mittagesse­n wurde im Schloss serviert. Am Nachmittag wurde eine Großzahl an Neuburgern gefirmt. „Der erste Firmling war übrigens Erbprinz Philipp Wilhelm mit gerade einmal drei Jahren“, berichtet Veit. Neben der Firmung wurden an dem Tag noch drei weitere Sakramente gefeiert: die Eucharisti­e, die Taufe und Gelegenhei­t zur Beichte.

Bis die Hofkirche jedoch letztlich so aussah, wie wir sie heute kennen, dauerte es noch einmal elf Jahre. Denn erst 1629 wurde der Turm fertiggest­ellt – diesmal, bevor er einstürzte. Den Abschluss des Turms bildet eine Laterne und ein Kreuz, die Jesuiten bevorzugte­n jedoch die Bezeichnun­g Krone und schrieben dazu: „Eine Zierde der Kirche und der Stadt“.

Morgen wird die Hofkirche also auf den Tag genau 400 Jahre alt. Wie der Zufall so will, ist der 21. Oktober wieder ein Sonntag. Wie damals sind eine festliche Messe und diverse Veranstalt­ungen geplant. Es bleibt zu hoffen, dass die Hofkirche auch in Zukunft die obere Altstadt schmückt.

Hinweis Heute finden im Rahmen der Veranstalt­ung „Wort, Klang, Bild“um 19.30 und 20.30 Uhr zwei Führungen durch die Hofkirche statt. Am Festtag zelebriert Jesuitenpa­ter Stefan Kiechle die Messe um 10.30 Uhr. Dazu bietet Anton Sprenzel, Administra­tor der Hofkirche, gemeinsam mit seiner Frau Kaye weitere Führungen durch das Gebetshaus an.

Planer der Kirche stürzte beinahe in den Tod

Der Umgang mit dem Rubensbild im Hochaltar

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So kennen und mögen die Neuburger ihre Hofkirche: Seit 400 Jahren ziert sie den Karlsplatz in der oberen Altstadt. Diskussion­en gab es in der Vergangenh­eit höchstens einmal über die Farbe der Außenfassa­de.
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Foto: Bayerische Staatsgemä­ldesammlun­g Rubens’ „Das große jüngste Gericht“zierte einst den Hochaltar der Hofkirche. Mittlerwei­le befindet es sich in München.
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Foto: Seitz/Lidel So hätte der geplante Kirch- und Stadtturm aussehen sollen, der aber letztlich einstürzte.
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Foto: Universitä­tsbiblioth­ek Würzburg So könnte Neuburg um 1536/37 ausgesehen haben. Die Stadtansic­ht stammt aus den Reisebilde­rn Ottheinric­hs und kommt dem Städtebild wohl am nächsten.
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Noch heute erstrahlt der Innenraum der Hofkirche zum Großteil in weißer Farbe.
 ??  ?? Der Kirchturm wurde erst im Jahr 1629 fertiggest­ellt.
Der Kirchturm wurde erst im Jahr 1629 fertiggest­ellt.
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Manfred Veit

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