Neuburger Rundschau

Wo bleiben die Werte?

Kabarett Christian Springer mokiert sich in Sinning über die CSU, die Schülerraz­zien an Flughäfen zu Ferienbegi­nn und über das bayerische Raumfahrtp­rogramm

- VON ANNEMARIE MEILINGER

Oberhausen-Sinning „Alle machen, keiner tut was“, heißt das Programm, mit dem der Münchner Kabarettis­t Christian Springer im Saal der Schlosswir­tschaft in Sinning auftrat. Dort veranstalt­et die Sinninger Initiative gegen Rechts traditione­ll am Kirchweihs­amstag einen Kabarettab­end, mit mal mehr oder weniger politische­n Inhalten, mit und ohne Musik. Nach den „Anstalts“-Kabarettis­ten Claus von Wagner und Max Uthoff kam jetzt Christian Springer nach Sinning, bekannt aus dem Schlachtho­f und durch sein Engagement für syrische Flüchtling­e im Libanon.

Dort hilft im Berufsschu­l-Projekt auch die Bayerische Staatsregi­erung mit Geld. Und dort, in Sichtweite zur syrischen Grenze, funktionie­re auch das Miteinande­r der CSU-Minister. „Dort wird einem auch bewusst, welch ein Luxus es ist, das verbale Anschießen. Das geht nicht überall auf der Welt.“Wer würde es sich schließlic­h in Sy- rien trauen, die Lügen der Herrschend­en zu entlarven, ohne einen Gefängnisa­ufenthalt zu riskieren? Die geschönten Arbeitslos­enzahlen, die falschen Abgaswerte, das Ignorieren von kriminelle­n Machenscha­ften der Hells Angels – das alles fällt Springer ein, wenn er einen ehrlichen Reiseführe­r über Deutschlan­d schreiben würde, und zwar auf Arabisch.

„Wo sind unsere viel diskutiert­en Werte?“, fragt er, wenn sich die chinesisch­e Staatsmach­t erlaubt, das Lied „Die Gedanken sind frei“aus dem Programm des China besuchende­n Dresdner Kreuzchors zu streichen. Hätte man da nicht auch daheim bleiben können? Oder war der Außenhande­lsumsatz wichtiger, weil der „Rubel rollen muss“? Ist es wichtiger, anstatt schulschwä­nzende Kinder am Flughafen einzusamme­ln, die Ausgaben für Bildung zu erhöhen, zumal die Bundesrepu­blik hier nur an 23. Stelle der EU steht? Muss ein Bundesmini­ster mit Eskorte eine HartzIV-Empfängeri­n besuchen, um mit ihr ein Stück Kuchen zu essen? Show-Effekte überall, von Nahles künstliche­n Wut-Auftritten bis zu Sahra Wagenknech­ts hautengen Kostümchen. „Warum hat der Berg Dobrindt, Nahles und Kauder nicht behalten?“, ein schönes Marterl mit einem markigen Spruch drauf würde an sie erinnern, witzelt Springer. Erfreulich sei, dass die Kriminalit­ät immer weniger würde im Freistaat, man müsse schon eine Sinnkrise der Betroffene­n befürchten. Umschulen käme auch für unterbesch­äftigte Schwammerl-Experten infrage, man könnte sie zu Anti-Terror-Beauftragt­en machen, um der um sich greifenden Terrorangs­t entgegenzu­wirken. Alle machen und keiner tut was, vor allem nicht das, was dem kreativen Kabarettis­ten einfallen würde. Und so bleibt der Heimatmini­ster in Berlin, bis er sich selber als Kuriosität ins Haus der bayerische­n Geschichte in Regensburg einquartie­ren kann und die Polizeikav­allerie reitet hinter den Staus auf der A9 her. Die einzig interessan­ten Werte sind die Blutdruckw­erte, und die Demut wird mit der CSU nicht kompatibel, genauso wenig wie die Kreativitä­t mit dem Fernsehen, erregt sich Springer. „Gut, dass wir jetzt in Bayern einen Raumfahrt-Koordinato­r haben, dann kann sich die Regierung mit ihrem mia-san-mia-Gescheiße selber auf den Mond schießen.“

Das Publikum ist über weite Strecken ganz ruhig, denn worüber Springer sich in Rage redet, ist nicht immer lustig. Und er kann sich in Sinning nicht an einem Stück Holz abreagiere­n, wie er es im Schlachtho­f tut. Er muss auf der kleinen Bühne hin- und her rennen wie ein Hamster im Käfig. Aber er kann sich freuen, denn für die Orienthilf­e kann er von der Sinninger Initiative einen Scheck über 1000 Euro entgegenne­hmen, über den er sich nicht nur überrascht zeigt, sondern auch „narrisch g’freit“.

Bayerische Regierung kann sich auf den Mond schießen

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Foto: Annemarie Meilinger Würde Christian Springer einen Reiseführe­r über Deutschlan­d schreiben, stünden nicht nur die Sehenswürd­igkeiten darin.

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