Neuburger Rundschau

WhatsApp geschriebe­n – Prozess geplatzt

Gerichte Manager tun es ständig, ja selbst die Bundeskanz­lerin. Doch in Ingolstadt hat ein Schöffe kurz auf sein Handy geschaut – und damit einen Prozess platzen lassen

- VON LUZIA GRASSER

In Ingolstadt hat ein Schöffe während einer Verhandlun­g kurz aufs Handy geschaut – und damit einen Prozess platzen lassen.

Ingolstadt Es war ein kurzer Blick auf’s Handy, wie ihn viele während der Arbeit schnell mal zwischendu­rch machen, doch er hatte weitreiche­nde Folgen: Weil ein Schöffe während einer Verhandlun­g eine Handynachr­icht gelesen hat, ist der gesamte Prozess geplatzt. Und dabei ging es nicht einmal um eine brisante Mitteilung.

Zugetragen hat sich das Ganze im September am Ingolstädt­er Landgerich­t. Der Hintergrun­d: Alle Richter – und Schöffen sind Laienricht­er – müssen während aller Verhandlun­gstage anwesend sein und den Prozess mitverfolg­en. Und zwar nicht nur körperlich am Richtertis­ch, sondern auch geistig. Und wer auf sein Handy schaut, das sagt die Rechtsprec­hung, kann zeitweise dem Prozess eben nicht gedanklich folgen. Die Folge ist, dass er komplett neu aufgerollt werden muss.

Bei dem Prozess, der nun geplatzt ist, war ein 51-Jähriger angeklagt. Er war bei einem Tankstelle­nbetreiber aus dem Kreis Neuburg-Schrobenha­usen angestellt und zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, die Automaten an den Tankstelle­n zu leeren. Allerdings soll der Mann dabei das Geld – die Anklage spricht von fast 300 000 Euro – seit 2012 in die eigene Tasche gesteckt haben.

Es war am Nachmittag des zweiten von sechs Verhandlun­gstagen, da versammelt­en sich die Prozessbet­eiligten am Richtertis­ch, um Akten in Augenschei­n zu nehmen. Einer der Schöffen, so erzählt es jedenfalls Verteidige­r Klaus Wittmann aus Ingolstadt, habe sich dann allerdings kurz zurückgezo­gen, auf sein Handy geschaut und eine private Nachricht gelesen. Auf Nachfrage habe der Schöffe das auch gleich zugegeben, so Wittmann. Damit war der Prozess geplatzt, er wird vermutlich erst wieder im kommenden Jahr von vorne starten. Die beiden Verteidige­r erkannten beim Schöffen eine Befangenhe­it, indem er sich durch das Handy hat ablenken lassen.

Weder Wittmann noch Gerichtssp­recherin Heike Linz-Höhne haben jemals einen vergleichb­aren Fall in Ingolstadt erlebt. Doch ein fast identische­s Geschehen war vor drei Jahren beim Bundesgeri­chtshof gelandet. Eine Richterin hatte in Frankfurt während einer Verhandlun­g per SMS ihre Kinderbetr­euung organisier­t – und das hätte sie nicht gedurft, urteilte der BHG. Ein Richter sei verpflicht­et, seine gesamte Aufmerksam­keit der Hauptverha­ndlung zu widmen. Handys hätten im Gerichtssa­al nichts zu suchen, hieß es damals. Denn ein Richter gebe mit einem solchen Verhalten zu erkennen, dass er zumindest zeitweise seine privaten Interessen den dienstlich­en vorziehe. Ein Angeklagte­r könne den Eindruck gewinnen, ein Richter sei nicht bei der Sache und könne so auch nicht richtig entscheide­n.

Zu den Grundsätze­n der deutschen Rechtsprec­hung gehört es, dass alle Richter an allen Verhandlun­gstagen anwesend sein müssen. Sollte einer von ihnen längere Zeit erkranken, dann muss ein Prozess ebenfalls neu aufgerollt werden, erklärt Linz-Höhne. Gerade bei langen Gerichtsve­rfahren, die sich womöglich über Jahre ziehen, kann es aber auch passieren, dass einer der Richter zwischenze­itlich in den Ruhestand geht. Deshalb sei es bei langwierig­en Prozessen auch üblich, dass bei jedem Prozesstag Ersatzrich­ter mit am Tisch sitzen – für den Fall, dass einer der Richter oder Schöffen krank oder pensionier­t wird.

So einen Fall gab es in Ingolstadt noch nie

 ?? Symbolbild: Bernhard Weizenegge­r ?? Bei einer Verhandlun­g am Landgerich­t in Ingolstadt hat ein Prozessbet­eiligter eine Nachricht auf seinem Handy gelesen. Der auf fünf Verhandlun­gstage angesetzte Prozess wurde daraufhin abgesetzt. Die Wiederaufn­ahme ist für nächstes Jahr geplant – drei Jahre nach der Anklage.
Symbolbild: Bernhard Weizenegge­r Bei einer Verhandlun­g am Landgerich­t in Ingolstadt hat ein Prozessbet­eiligter eine Nachricht auf seinem Handy gelesen. Der auf fünf Verhandlun­gstage angesetzte Prozess wurde daraufhin abgesetzt. Die Wiederaufn­ahme ist für nächstes Jahr geplant – drei Jahre nach der Anklage.

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