Das Birdland on air
Veranstaltungsreihe Im Birdland findet heuer die achte Auflage des Radio Jazz Festivals statt. Roland Spiegel vom erklärt im Interview, wie es zur Zusammenarbeit mit dem Neuburger Club kam und wie die Stadt davon profitiert
Neuburg Eine Veranstaltungsreihe der ganz besonderen Art rund um das Thema „Jazz“sorgt seit einigen Jahren in und um Neuburg für Aufsehen. Wenn am kommenden Wochenende mit den Konzerten des Julia Kadel Trios (Freitag, 26. Oktober) und von Martin Winds Blue Light Quartet (Samstag, 27. Oktober) im Birdland Jazzclub die heiße Phase des inzwischen achten Birdland Radio Jazz Festivals eingeläutet wird, dann liegt eine Menge Arbeit hinter der Crew von Impresario Manfred Rehm. Doch der Aufwand lohnt sich für alle Beteiligten, findet nicht nur Roland Spiegel, der verantwortliche Jazzredakteur des Bayerischen Rundfunks, der sämtliche Festival-Konzerte seit Beginn aufzeichnet und am letzten Tag sogar live überträgt. Im NR-Interview verrät Spiegel, wie es zur Kollaboration mit dem Birdland Jazzclub kam, warum der „Jazz Marke Neuburg“eine Art Alleinstellungsmerkmal darstellt, und wie es um die Zukunft des kleinen, aber feinen Festivals bestellt ist.
Eigentlich könnte der Bayerische Rundfunk auch aus München, Nürnberg oder Regensburg ein Radio Jazz Festival übertragen, denn dort gibt es ebenfalls überaus renommierte Jazzclubs. Warum geht es stattdessen in Neuburg über die Bühne, und das zum mittlerweile achten Mal?
Roland Spiegel: Der Auslöser war das Konzert der Avantgarde-Ikone Cecil Taylor im Neuburger Birdland 2011, das sogar sein letztes in Europa sein sollte, bevor er im April dieses Jahres starb. Den ungewöhnlichen Auftritt dieses Musikers in einem Club wollten wir unbedingt aufzeichnen. In diesem Zusammenhang kam Manfred Rehm mit der wunderbaren Idee auf mich zu, weitere Konzerte zu einem kleinen Festival zu bündeln. Ich fand den Gedanken überaus reizvoll, und es stand für mich ebenso wie für Manfred Rehm fest, dass dieses Festival in Neuburg an der Donau und nirgendwo anders stattfinden sollte, gerade weil Rehm seit vielen Jahrzehnten ein unglaublich spannendes Programm auf die Beine stellt, das nahezu alle Facetten des Jazz abbildet, ob traditionell oder modern. In der Jazzredaktion des Bayerischen Rundfunks sind wir überzeugt, dass wir das auf jeden Fall unterstützen wollen, so lange es irgendwie möglich ist.
Sie zeichnen jedes Konzert auf und senden es zu einem späteren Zeitpunkt. Am Schlusstag des Festivals gibt es eine vierstündige Livesendung aus dem Birdland auf B 2 und auf BR-Klassik. Wie stark ist der Bayerische Rundfunk beim Radio Jazz Festival vertreten? Spiegel: Mit sehr viel Technik und Man-Power. Insgesamt kommen wir an den Konzerttagen mit zwei
Ü-Wagen, sechs Toningenieuren und -technikern, einer Redaktionsassistentin, meinem Moderationskollegen Uli Habersetzer und mir. In der Vorbereitungsphase passiert natürlich auch einiges. So produzieren wir Vorberichte, sei es in schriftlicher Form oder als Hör-Beitrag. Am 10. Oktober zum Beispiel lief eine
Sendung über das Birdland und die Geschichte Neuburgs.
Also quasi Werbung, auch für die Stadt, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Nulltarif?
Spiegel: Das kann man so nicht sagen, denn als Musikjournalist mache ich grundsätzlich keine Werbung.
Und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verstieße das gegen alle Regeln. Aber selbstverständlich bekommt Neuburg durch die Resonanz in einem der bekanntesten Klassik-Sender Europas eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit. Viele Leute erfahren dadurch, was für ein außergewöhnliches Jazz-Angekomplette bot die Stadt zu bieten hat. Ich stelle immer wieder mit Erstaunen fest, dass zu den Konzerten Besucher aus ganz Deutschland kommen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir immer wieder auf die einzigartige Atmosphäre des Kellers unter der Hofapotheke, die historische Altstadt und das Umland hinweisen. Das ergibt sicher auch einen touristischen Effekt. Nur die Resonanz innerhalb der Stadt scheint mir noch verbesserungswürdig. In Burghausen oder im schwedischen Ystad, wo regelmäßig große Jazzfestivals stattfinden, ist das anders. Da nimmt die gesamte Bevölkerung inklusive der Volksvertreter regelmäßig Anteil an solch einem kulturellen Alleinstellungsmerkmal.
Etwas provozierend gefragt: Lohnt sich dieser ganze Aufwand überhaupt für eine etwas am Rand angesiedelte Musikgattung wie den Jazz?
Spiegel: Bei Kunst darf man auf keinen Fall die kommerzielle Messlatte anlegen. Unser Auftrag ist es, gerade Phänomene wie den Jazz zu fördern. Kunst rechnet sich auf eine ganz andere Weise: Hier im Birdland bekommen wir immer wieder hochwertige Aufnahmen von international bekannten Künstlern geboten, die nicht nur einen Schatz im BR-Rundfunkarchiv darstellen. Zum zehnten Birdland Radio Festival wäre es zum Beispiel eine interessante Idee, die Highlights dieses Festivals auf einer CDBox herauszugeben. Dazu müsste man allerdings noch ein geeignetes Label finden. Wir erhalten im Übrigen stets überaus positive Resonanz. Vor allem nach der Livesendung kommen Mails von begeisterten Zuhörern, wobei der Posteingang natürlich keinesfalls überquillt. Aber die Frage, ob sich das rentiert, stellt sich aus meiner Sicht überhaupt nicht. Wir dokumentieren grandiose Musik am Puls der Zeit - und in der besonders intimen Atmosphäre des Clubs. Das was ich in Neuburg kriege, bekomme ich anderorts in dieser atmosphärischen Qualität und Prominenz auf keinen Fall.
Wie lange wird es das Birdland Radio Jazz Festival angesichts des rigiden Sparkurses, den der Bayerische Rundfunk fährt, noch geben?
Spiegel: Vom jetzigen Stand der Dinge aus sehe ich ganz klar eine Zukunft für das Festival, trotz unserer extremen Sparvorgaben. Eventuell müssen wir mal drüber nachdenken, nicht mehr an vier, sondern nur noch an drei Wochenenden mit den Ü-Wagen nach Neuburg zu kommen. Aber so lange es irgendwie geht, will ich diese Veranstaltung, die für uns so viele feine Dinge abwirft, am Leben erhalten. Es wäre eine Dummheit, das nicht weiterzumachen.