Noch keine Compliance-Richtlinie
Transparenz Der Ingolstädter Stadtrat sieht noch erheblichen Diskussionsbedarf in Sachen „Leitlinien zur Regelkonformität“. Der Antrag geht zurück in die Ausschüsse
Ingolstadt Die „Leitlinien zur Regelkonformität in der Stadt Ingolstadt“– sprich die ComplianceRichtlinie – wird den Stadtrat noch länger beschäftigen. Das ist eines der Ergebnisse seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause. Der Antrag wurde nach kontroverser Debatte zurück in die Ausschüsse gegeben.
Worum geht es? Wie berichtet, möchte der Stadtrat sich, der Verwaltung und den städtischen Unternehmen einen enger gefassten Verhaltenskodex, eine Art Anstandsregelwerk, geben.
Wissen muss man dazu: Ingolstadt hat bereits die „Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption in der Stadt Ingolstadt“, die „Allgemeine Geschäftsanweisung“oder eben die „Vergabeordnung“. Die neue ComplianceRichtlinie nun führt laut Antrag aber „bestehende organisatorische Regelungen, Kontrollstrukturen und Berichtswesen zusammen, die sicherstellen, dass Regelverstöße vermieden werden beziehungsweise eventuelle Verstöße aufgedeckt und geahndet werden“.
Das Ganze passiert vor dem Hintergrund der juristisch noch nicht aufgearbeiteten Klinikumsaffäre, der Anklage gegen Ingolstadts Alt- Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue oder – etwas weiter zurückliegend – dem Mauschelprozess gegen führende Mitarbeiter des städtischen Hochbauamts. Weil angesichts dieser justiziablen Vorgänge fraglich ist, ob die städtischen Kontrollmechanismen in der jüngeren Vergangenheit ausreichend gegriffen haben, hat man sich schon vor längerer Zeit daran gemacht, das nun vorliegende übergreifende Regelwerk zu entwerfen.
In dem von Rechtsreferent Dirk Müller vorgelegten Antrag finden sich aber längst nicht alle Stadträte wieder. Der BGI-Fraktionsvorsitzende Christian Lange etwa bemängelte, dass ihn – neben vielen anderen Details – vor allem der Teil störe, der sich auf Hinweisgeber bezieht. Zur Erklärung: Eingeführt werden soll auch ein externer Ombudsmann. Sprich, eine unabhängig-institutionalisierte Person, an die man sich wenden kann, wenn Missstände auffallen. Und die dann, wenn es notwendig ist, tätig wird. Übernehmen soll diese sehr anspruchsvolle Aufgabe „ein unabhängiger Rechtsanwalt“, an den sich Mitarbeiter und Externe – sprich Bürger, Firmen oder Institutionen – wenden können.
In der Diskussion war im Stadtrat nun vor allem, wie mit einem Hinweisgeber umzugehen ist. Sprich, jemand, der eine Unregelmäßigkeit melden möchte.
Im nicht verabschiedeten Antrag heißt es unter Punkt 3: „Der Stadtrat bestätigt, dass eine missbräuchliche Verwendung des Hinweisgebersystems inakzeptabel ist, das heißt, dem jeweiligen Hinweisgeber keinen Schutz bietet. Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass Hinweisgeber, die bezüglich ihrer Informationen im Zeitpunkt ihrer Übermittlung an die Ombudsperson nachweislich wider besseren Wissens handeln, der Strafverfolgung, zum Beispiel wegen falscher Verdächtigung, übler Nachrede oder Verleumdung, unterliegen.“
Für Lange und seine BGI, für SPD, Grüne und ÖDP, gehört dieser Punkt ganz gestrichen. Denn: „Wir dürfen einem Hinweisgeber nicht drohen, wir müssen ihn schützen. Sonst traut sich keiner, etwas weiterzugeben, was ihm nicht in Ordnung erscheint.“
Die CSU-Fraktionsvorsitzende Patricia Klein findet die im vorliegenden Antrag formulierte Regelung gut. Sie entgegnete: „Es geht nicht nur darum, den Hinweisgeber adäquat zu schützen, sondern es geht auch darum, die Mitarbeiter der Stadtverwaltung zu schützen.“Denn es könne auch „liederliche Hinweisgeber“geben, die vielleicht Rache als Motiv hätten oder jemanden mobben wollten. Wenn jemand zu 100 Prozent anonym bleibe, dann könne der ja nie zur Verantwortung gezogen werden, wenn seine Anschuldigungen völlig haltlos seien.
Petra Kleine dagegen, Fraktionsvorsitzende der Grünen, findet die Formulierung im Antrag „nicht gut dargestellt“. Denn: „Wenn ein Verdacht geäußert wird, gehen wir davon aus, dass eine kompetente Ombudsperson das in die Hand nimmt, ohne den Hinweisgeber oder Verdächtigen zu schädigen.“
Es gibt noch viel Gesprächsbedarf. CSU-Stadträtin und Amtsgerichtsdirektorin Dorothea DenekeStoll gab zu bedenken, dass man aufpassen müsse, nicht eine „Kultur des Misstrauens“zu schaffen, in der man sich gegenseitig mit Strafanzeigen versehe.
Einig war man sich am Ende vor allem, in vielen Punkten noch uneins zu sein. Das Ganze müsse ausführlicher diskutiert werden. Denn letztlich – das wurde deutlich – wollen alle, dass die neue Compliance-Richtlinie eine möglichst große Zustimmung im Stadtrat bekommt. Wann diese erreicht wird, ist indes noch ziemlich ungewiss.