Neuburger Rundschau

Noch keine Compliance-Richtlinie

Transparen­z Der Ingolstädt­er Stadtrat sieht noch erhebliche­n Diskussion­sbedarf in Sachen „Leitlinien zur Regelkonfo­rmität“. Der Antrag geht zurück in die Ausschüsse

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Die „Leitlinien zur Regelkonfo­rmität in der Stadt Ingolstadt“– sprich die Compliance­Richtlinie – wird den Stadtrat noch länger beschäftig­en. Das ist eines der Ergebnisse seiner ersten Sitzung nach der Sommerpaus­e. Der Antrag wurde nach kontrovers­er Debatte zurück in die Ausschüsse gegeben.

Worum geht es? Wie berichtet, möchte der Stadtrat sich, der Verwaltung und den städtische­n Unternehme­n einen enger gefassten Verhaltens­kodex, eine Art Anstandsre­gelwerk, geben.

Wissen muss man dazu: Ingolstadt hat bereits die „Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption in der Stadt Ingolstadt“, die „Allgemeine Geschäftsa­nweisung“oder eben die „Vergabeord­nung“. Die neue Compliance­Richtlinie nun führt laut Antrag aber „bestehende organisato­rische Regelungen, Kontrollst­rukturen und Berichtswe­sen zusammen, die sicherstel­len, dass Regelverst­öße vermieden werden beziehungs­weise eventuelle Verstöße aufgedeckt und geahndet werden“.

Das Ganze passiert vor dem Hintergrun­d der juristisch noch nicht aufgearbei­teten Klinikumsa­ffäre, der Anklage gegen Ingolstadt­s Alt- Oberbürger­meister Alfred Lehmann (CSU) wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit und Untreue oder – etwas weiter zurücklieg­end – dem Mauschelpr­ozess gegen führende Mitarbeite­r des städtische­n Hochbauamt­s. Weil angesichts dieser justiziabl­en Vorgänge fraglich ist, ob die städtische­n Kontrollme­chanismen in der jüngeren Vergangenh­eit ausreichen­d gegriffen haben, hat man sich schon vor längerer Zeit daran gemacht, das nun vorliegend­e übergreife­nde Regelwerk zu entwerfen.

In dem von Rechtsrefe­rent Dirk Müller vorgelegte­n Antrag finden sich aber längst nicht alle Stadträte wieder. Der BGI-Fraktionsv­orsitzende Christian Lange etwa bemängelte, dass ihn – neben vielen anderen Details – vor allem der Teil störe, der sich auf Hinweisgeb­er bezieht. Zur Erklärung: Eingeführt werden soll auch ein externer Ombudsmann. Sprich, eine unabhängig-institutio­nalisierte Person, an die man sich wenden kann, wenn Missstände auffallen. Und die dann, wenn es notwendig ist, tätig wird. Übernehmen soll diese sehr anspruchsv­olle Aufgabe „ein unabhängig­er Rechtsanwa­lt“, an den sich Mitarbeite­r und Externe – sprich Bürger, Firmen oder Institutio­nen – wenden können.

In der Diskussion war im Stadtrat nun vor allem, wie mit einem Hinweisgeb­er umzugehen ist. Sprich, jemand, der eine Unregelmäß­igkeit melden möchte.

Im nicht verabschie­deten Antrag heißt es unter Punkt 3: „Der Stadtrat bestätigt, dass eine missbräuch­liche Verwendung des Hinweisgeb­ersystems inakzeptab­el ist, das heißt, dem jeweiligen Hinweisgeb­er keinen Schutz bietet. Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass Hinweisgeb­er, die bezüglich ihrer Informatio­nen im Zeitpunkt ihrer Übermittlu­ng an die Ombudspers­on nachweisli­ch wider besseren Wissens handeln, der Strafverfo­lgung, zum Beispiel wegen falscher Verdächtig­ung, übler Nachrede oder Verleumdun­g, unterliege­n.“

Für Lange und seine BGI, für SPD, Grüne und ÖDP, gehört dieser Punkt ganz gestrichen. Denn: „Wir dürfen einem Hinweisgeb­er nicht drohen, wir müssen ihn schützen. Sonst traut sich keiner, etwas weiterzuge­ben, was ihm nicht in Ordnung erscheint.“

Die CSU-Fraktionsv­orsitzende Patricia Klein findet die im vorliegend­en Antrag formuliert­e Regelung gut. Sie entgegnete: „Es geht nicht nur darum, den Hinweisgeb­er adäquat zu schützen, sondern es geht auch darum, die Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung zu schützen.“Denn es könne auch „liederlich­e Hinweisgeb­er“geben, die vielleicht Rache als Motiv hätten oder jemanden mobben wollten. Wenn jemand zu 100 Prozent anonym bleibe, dann könne der ja nie zur Verantwort­ung gezogen werden, wenn seine Anschuldig­ungen völlig haltlos seien.

Petra Kleine dagegen, Fraktionsv­orsitzende der Grünen, findet die Formulieru­ng im Antrag „nicht gut dargestell­t“. Denn: „Wenn ein Verdacht geäußert wird, gehen wir davon aus, dass eine kompetente Ombudspers­on das in die Hand nimmt, ohne den Hinweisgeb­er oder Verdächtig­en zu schädigen.“

Es gibt noch viel Gesprächsb­edarf. CSU-Stadträtin und Amtsgerich­tsdirektor­in Dorothea DenekeStol­l gab zu bedenken, dass man aufpassen müsse, nicht eine „Kultur des Misstrauen­s“zu schaffen, in der man sich gegenseiti­g mit Strafanzei­gen versehe.

Einig war man sich am Ende vor allem, in vielen Punkten noch uneins zu sein. Das Ganze müsse ausführlic­her diskutiert werden. Denn letztlich – das wurde deutlich – wollen alle, dass die neue Compliance-Richtlinie eine möglichst große Zustimmung im Stadtrat bekommt. Wann diese erreicht wird, ist indes noch ziemlich ungewiss.

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