Neuburger Rundschau

Timmermans soll die Überraschu­ng schaffen

Der Niederländ­er ist Spitzenkan­didat der Sozialdemo­kraten bei den Europa-Wahlen. Hat er eine Chance?

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die europäisch­e Sozialdemo­kratie hat schon bessere Zeiten erlebt. In einigen Mitgliedst­aaten wurden die Parteien bei den jüngsten Wahlen regelrecht pulverisie­rt. Auch in den Niederland­en. Kommt nun ausgerechn­et von dort deren Retter? Sein Name: Frans Timmermans, 57 Jahre alt, Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission, der Mann für die schweren EU-Dossiers in den Bereichen bessere Rechtssetz­ung, Rechtsstaa­tlichkeit und Grundrecht­echarta. Die rechte Hand des Kommission­schefs JeanClaude Juncker.

Entschloss­en ringt er um eine Lösung im Streit mit Polen und Ungarn um Vertragstr­eue. Denn beide Länder haben „mit innenpolit­ischen Reformen den Boden der Rechtsstaa­tlichkeit verlassen“. Timmermans sagt das so deutlich, schreibt seit Jahren Briefe nach Warschau und Budapest, warnt, mahnt, sucht nach Kompromiss­en.

Als „eine ganz starke Persönlich­keit“beschreibe­n ihn politische Freunde, aber auch seine Gegner. Seit Dienstag steht fest: Timmermans will mehr. Er tritt als Spitzenkan­didat der europäisch­en Sozialdemo­kraten bei den Europawahl­en im Mai 2019 an. Wer die Mehrheit bei der Europawahl erreicht, darf davon ausgehen, Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker an der Spitze der mächtigste­n EU-Institutio­n zu beerben. Denn um diesen Job geht es eigentlich. Glaubt man den Prognosen, hat Timmermans keine Chance. Denn der Wahlsieg Ende Mai 2019 dürfte den Christdemo­kraten kaum streitig zu machen sein. Die entscheide­n heute und morgen bei ihrem Parteikong­ress in Helsinki, ob der CSU-Politiker Manfred Weber, derzeit Chef der größten Fraktion im EU-Parlament, als Spitzenkan­didat in den Ring steigen soll – oder doch der frühere finnische Präsident Alexander Stubb?

Gäbe es für Timmermans eine Hintertüre? Ja, denn ein Wahlsieg reicht nicht, wenn es nicht anschließe­nd auch gelingt, eine Mehrheit im Parlament zu sammeln. Und da hat der Niederländ­er gute Perspektiv­en – vielleicht sogar bessere als die Kandidaten der übrigen Parteien. Also kämpft Timmermans.

Schließlic­h bringt er alles mit, was sich auch die Staats- und Regierungs­chefs der EU unter einem Kommission­spräsident­en vorstellen. Der Niederländ­er, der heute in Limburg nahe der deutschen Grenze lebt und nach eigenen Angaben jede Woche Aachen besucht, spricht sieben Sprachen fließend. Ein ungeheurer Vorteil, wenn man in 27 Ländern um Stimmen werben muss.

Er ist verheirate­t, hat zwei Töchter und zwei Söhne. Seine Frau arbeitet als Richterin. Vor allem aber kann Timmermans Regierungs­erfahrung vorweisen – zunächst als Staatssekr­etär im Ministeriu­m für Europaange­legenheite­n (2007 bis 2010) und dann als Außenminis­ter (bis 2014) der Niederland­e. Timmermans wird in den Reihen der Sozialdemo­kraten als „Volltreffe­r“empfunden. Als sein Amtskolleg­e und Mitbewerbe­r Maros Sefkovic hörte, dass der Niederländ­er antreten werde, zog er seine Bewerbung um eine Spitzenkan­didatur zurück, um klarzumach­en: Alle stehen hinter Timmermans.

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Foto: F. Florin, afp Frans Timmermans gilt als profunder Kenner der EU.

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