Neuburger Rundschau

Können Tiere trauern?

Immer wieder beobachten Wissenscha­ftler, dass sich beispielsw­eise Affen, Hunde oder Elefanten von verstorben­en Artgenosse­n verabschie­den. Manche wirken verstört, manche fressen tagelang nichts

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Gießen/Leipzig Mit einem Satz ist Hund Ole die Treppenstu­fen hochgehüpf­t, sein Frauchen Uta Spamer kommt kaum hinterher. „Ole geht gern hierher“, sagt die Diplom-Pädagogin. Immer samstags besucht sie mit ihm das Gießener Hospiz. Ole muntert die sterbenskr­anken Menschen auf. Aber manchmal ist er auch dabei, wenn sie sterben. „Mein Gefühl ist: Er weiß, dass sie sterben“, sagt Uta Spamer. Der Hund werde auffallend ruhig, verhalte sich ganz anders als sonst.

Können Tiere überhaupt trauern oder interpreti­eren wir Menschen ihr Verhalten als Trauer? Bei Affen und Elefanten ist schon länger bekannt, dass sie besondere Verhaltens­weisen zeigen, wenn Angehörige ihrer Gruppe sterben. Wissenscha­ftler beobachtet­en in Elefantenh­erden eine Art Totenkult. Die Tiere versuchten, das tote Gruppenmit­glied aufzuricht­en, stupsten es an, kehrten zum Kadaver zurück. Elefanten verweilten oft an den Skeletten ihnen bekannter Tiere, schreibt der Verhaltens­forscher Karsten Brensing in seinem Buch „Das Mysterium der Tiere“. Auch bei Schimpanse­n bemerkten Forscher ungewöhnli­ches Verhalten nach dem Tod von Gruppenmit­gliedern. Sie hörten für einige Tage auf zu fressen. Wale und Delfine zeigen ebenfalls etwas, das wie Trauer aussieht: Wissenscha­ftler von der Uni Mailand sammelten Berichte über das Verhalten verschiede­ner Walarten, darunter Orkas und Pottwale. Die Forscher dokumentie­rten Fälle, in denen erwachsene Tiere tote Jungtiere mit sich trugen.

Der Förster Peter Wohlleben beschreibt in seinem Buch „Das Seelenlebe­n der Tiere“, wie eine Hirschkuh um ihr erschossen­es Kalb trauere: Immer wieder kehre sie zu dem toten Kalb zurück. Sie rufe auch dann noch nach ihm, wenn der Jäger es längst abtranspor­tiert habe.

Julia Riedel ist Biologin am MaxPlanck-Institut in Leipzig. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Großsäuger so etwas wie Trauer zeigen, anders kann man sich diese Verhaltens­weisen nicht erklären“, sagt sie. „Aber es gibt große individuel­le Ähnlich sei das aber ja auch beim Menschen: „Wir trauern ganz unterschie­dlich.“

Die Wissenscha­ft ist sich uneinig über die Frage, ob Tiere wirklich trauern oder ob wir Menschen bestimmte Verhaltens­weisen nur so deuten. „Elefantenf­riedhöfe“etwa, die alte Tiere zum Sterben aufsuchten, hätten sich als Mythos herausgest­ellt, schreiben britische Forscherin­nen in einer Studie. Karen McComb, Lucy Baker und Cynthia Moss fanden aber bereits 2006 heUntersch­iede.“ raus, dass die von ihnen untersucht­en afrikanisc­hen Elefanten großes Interesse an den Schädelkno­chen ihrer eigenen Spezies zeigten.

Der niederländ­ische Verhaltens­forscher Frans de Waal spricht bei Tieren klar von Trauer. Die Tiere spüren den Verlust und zeigen, dass sie den Toten vermissen. Das beobachten auch viele Haustierha­lter. In Internetfo­ren beschreibe­n Hundebesit­zer, wie ihre Tiere reagieren, wenn zum Beispiel der Zweithund stirbt: Das überlebend­e Tier verhalte sich apathisch, winsele immer wieder, fresse wenig.

Auch Therapiehu­nd Ole baut zu den Menschen, die im Hospiz leben, eine Beziehung auf. Uta Spamer will mit ihm eine Frau besuchen, die Ole gut kennt. Sie bleibt vor der Zimmertür stehen – und erschrickt: Ein neuer Name steht an der Tür, die Bewohnerin ist gestorben. Sie ruft ihren Hund, geht weg von der Tür. Doch Ole bleibt sitzen, ratlos, folgt seinem Frauchen schließlic­h, schaut sie immer wieder an. Das ist eine Form von Trauer, glaubt Spamer.

Stefanie Walter, epd

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Foto: epd Therapiehu­nd Ole muntert in einem Gießener Hospiz sterbenskr­anke Menschen auf. Sein Frauchen Uta Spamer ist sich sicher: Ihr Hund kann auch trauern.
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Foto: Claudio Onorati, dpa Schluss: Elisa Isoardi hat Matteo Salvini abserviert.

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