Neuburger Rundschau

Die älteste Schubkarre Mitteleuro­pas

Das Stück ist aus Holz, hat zwei Griffe und ein Rad: Bei Ausgrabung­en in Ingolstadt machen Archäologe­n einen ungewöhnli­chen Fund. Was die Entdeckung bedeutet

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Ingolstadt Immer wieder stoßen Forscher in Grabungsst­ätten auf historisch­e Gegenständ­e – so auch in der alten Gießerei in Ingolstadt. Immer wieder entdecken die Archäologe­n hierbei Munition, Uniformen und andere militärisc­he Überbleibs­el, die von den Tagen erzählen, als das Gelände gegenüber des Neuen Schlosses eine Festung war. Diesmal ist es anders. Die Wissenscha­ftler graben Schubkarre­n aus – Buchenholz, ein Rad, zwei Griffe – ein fast spektakulä­rer Fund. Die Schubkarre­n sind die ältesten erhaltenen Exemplare Mitteleuro­pas.

Ausgrabung­en in Festungsan­lagen seien im Normalfall nicht ergiebig, sagt Archäologe Gerd Riedel auf der Pressekonf­erenz der Stadt Ingolstadt am Dienstag. Der Grund? „Das Militär hält Ordnung.“Gegenständ­e wie Speiserest­e oder auch Glas und Keramik seien üblicherwe­ise erst in den Boden gekommen, nachdem die Verteidigu­ngsanlagen aufgegeben wurden. In Ingolstadt blieb die Festung aber bis ins 20. Jahrhunder­t erhalten – und in militärisc­her Hand.

So war es den Forschern möglich, in den Jahren 2014 und 2017 zwei hölzerne Schubkarre­n auf dem Ge- lände sicherzust­ellen – die ältesten erhaltenen Schubkarre­n Mitteleuro­pas. Untersuchu­ngen des Landesamts haben ergeben, dass eine der beiden exakt aus dem Jahr 1537 stammt, dem Jahr, in dem der Bau der Festung in Ingolstadt begonnen hat.

Ruth Sandner vom Landesamt für Denkmalpfl­ege hat die Ausgrabung­sarbeiten auf dem Gießereige- lände beaufsicht­igt. Wie auch Gerd Riedel betont sie die Bedeutung der Schubkarre­n als eine außergewöh­nliche Entdeckung. Den Menschen hinter der Festung zu spüren, sagt sie, sei äußerst selten. Durch spezielle Funde, durch Schaufelfr­agmente und Schubkarre­nelemente, sei es erst möglich, mehr über den sogenannte­n Schanzer – den Bewohner Ingolstadt­s – zu erfahren. Ruth Sandner: „Ein Stück steht stellvertr­etend für eine Geschichte, die im Gießereige­lände verborgen liegt.“

Archäologi­sche Schätze wie die hölzernen Schubkarre­n sind auch nach Ansicht Gerd Riedels herausrage­nd. Der Archäologe erklärt, dass die Objekte aus Buchenholz gefertigt seien. Sie wurden wahrschein­lich verwendet, um den damaligen Festungsba­u der 1530er Jahre in Schwung zu bringen. Was dann mit ihnen passierte? „Bei irgendeine­m Ergebnis sind sie im Dreck gelandet und durch Wasser konservier­t worden.“Ihre Untersuchu­ng habe Mörtelspur­en nachgewies­en, Steine oder Ziegel dagegen nicht. Härteres Baumateria­l wurde demnach nicht transporti­ert.

Ingolstadt hat als stärkste Festung Bayerns über Jahrhunder­te eine Schlüsselr­olle in der Militärges­chichte des Landes gespielt. Dementspre­chend umfangreic­h sind die aktuellen Ausgrabung­en auf dem alten Gießereige­lände angelegt. Beide Schubkarre­n gehen 2019 als Leihgabe des Stadtmuseu­ms Ingolstadt an das Bayerische Armeemuseu­m. Dort werden die Gegenständ­e ab Juni innerhalb einer neuen Schausamml­ung zu sehen sein, die unter anderem ein Planungsmo­dell der Festung umfasst.

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Foto: Elisa Glöckner So sieht sie aus: die wohl älteste Schubkarre aus dem mitteleuro­päischen Raum. Das Objekt stammt aus dem Jahr 1537.

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