„Irgendwann schlägt er dich tot“
Ein 49-Jähriger soll seine Freundin dermaßen verprügelt haben, dass sie starb. Dieses schreckliche Ende der Beziehung war für viele vorhersehbar. Warum niemand helfen konnte
Ingolstadt Im Gerichtssaal klingt es fast prophetisch, was der Hausmeister, der als Zeuge am Landgericht geladen ist, zu der Frau vor mehr als einem Jahr gesagt hat: „Irgendwann schlägt er dich tot.“Wenige Wochen später war die 34-Jährige dann tatsächlich tot, vermutlich erschlagen von ihrem Freund. Gestern war der dritte Verhandlungstag.
Der 49-Jährige und seine Freundin lebten beide in der Ingolstädter Obdachlosenunterkunft am Franziskanerwasser. Dort war die Frau dann auch Anfang September des vergangenen Jahres verstorben, an einer Gehirnblutung. Aber an brutale Schläge in jener verhängnisvollen Nacht, die die Frau nicht überlebt hat, kann sich der Angeklagte nicht mehr erinnern. Wohl aber an die zahlreichen Übergriffe in den vielen Wochen zuvor. Die hat er vor Gericht auch zugegeben. Deren Spuren waren auch nicht zu übersehen. „Die blauen Flecken waren kaum weg, da hatte sie auch schon wieder neue“, sagt einer, der in der Unterkunft arbeitet. Schlimm habe sie oft ausgesehen, oft auch eine Sonnenbrille aufgesetzt, selbst wenn es draußen schon dunkel wurde. Und auch wenn sie sich nur wenigen anvertraut hatte und davon gesprochen habe, dass sie vom Fahrrad gestürzt oder die Treppe hinuntergefallen sei. Die Menschen, die in der Obdachlosenunterkunft lebten oder arbeiteten, waren sich sicher: Die blauen Flecken, mit denen ihr Körper übersät ist, stammen von dem 49-Jährigen. Da er auch auf andere Bewohner losgegangen war, auch mal die Türen in der Einrichtung zertrümmert hat, bekam er im Sommer vergangenen Jahres Hausverbot.
Er räumte anstandslos sein Zimmer – und tauchte doch immer wieder dort auf. Es war ein offenes Geheimnis, dass er bei der 34-Jährigen übernachtete. Und sie immer wieder aufs Neue verprügelte. Doch die Behörden waren machtlos. „Uns waren die Hände gebunden, wir haben ihn nie gesehen“, sagte gestern die zuständige Abteilungsleiterin der Stadt Ingolstadt. Nur dann hätten sie ihn aufgrund des bestehenden Hausverbots anzeigen können.
Menschen, die mit dem späteren Opfer zu tun hatten, beschreiben die Frau als „nette, fröhliche Person“, „adrett“und „hübsch“sei sie gewesen, sehr „kommunikativ“. Unübersehbar aber war, dass sie ein massives Alkoholproblem hatte. Doch im August letzten Jahres, nur wenige Wochen vor ihrem Tod, hatte sie offenbar einen Entschluss gefasst: Sie wollte neu anfangen. Weg aus Ingolstadt, ganz alleine, ohne den Freund, der sie grün und blau schlug. Eine Therapie stand ganz oben auf ihrer Wunschliste. „Das klang nach einer Entscheidung“, sagte gestern die Abteilungsleiterin. Sie habe „gehofft“, dass die Frau die Pläne auch umsetzen würde.
Doch offenbar konnte sie sich vom Angeklagten nie lösen, ließ ihn immer wieder auf ihr Zimmer. Vorschläge, als Schutz zu einer anderen Bewohnerin ins Zimmer zu ziehen oder den Mann anzuzeigen, lehnte sie ab. Ins Frauenhaus konnte sie wegen ihrer Sucht nicht. „Sie wollte sich ja nicht helfen lassen“, sagte gestern ein Mitarbeiter in der Unterkunft. Den 49-Jährigen habe sie stets verteidigt, davon gesprochen, dass er „eigentlich ein guter Mensch“sei.
Das Urteil im Prozess soll Mitte November fallen.