„Der Roboter wird zum Helfer des Menschen“
Interview Bernd Liepert ist Europas „Roboter-Präsident“. Der Experte erklärt, wann die Maschinen auch den privaten Alltag erobern können
Herr Liepert, die zentrale Veranstaltung der europäischen Roboterwoche findet dieses Jahr von Freitag an in Augsburg statt. Was können Roboter heute denn schon?
Bernd Liepert: Roboter sind durch das Zusammenspiel von Mechanik, Elektronik und Software sehr zuverlässig. Sonst würden nicht immer mehr in der Medizintechnik eingesetzt. Sie arbeiten punkt- und wiederholgenau. Ja, sie sind stabil. Das haben sie im massenhaften Einsatz in der Autoindustrie gelernt. Die Branche ist das Fitnesscenter für die Robotik.
Liepert: Schwächen gibt es immer noch, wenn es darum geht, die menschlichen Sinne, also das Erkenntnisvermögen in die Robotik zu übertragen. Trotz aller Sensorik und Kameratechnologie sieht der Mensch immer noch schneller und besser als ein Roboter. Der Mensch hat auch einen ausgeprägteren Tastsinn. Er kann schneller etwas greifen. Aber wir sind mittendrin in der zweiten Robotik-Revolution. Dank besserer Technik können Roboter mit Menschen enger zusammenarbeiten. Sie werden immer mehr aus ihren Käfigen, also den sie umgebenden Schutzzäunen, befreit. Liepert: Der Mensch will etwa eine Schraube in ein Loch drehen. Er sieht die Schraube und das Loch. Der Mensch setzt nun die Schraube an. Das kann er dank seiner überragenden kognitiven Fähigkeiten auch in den nächsten zehn Jahren besser als Roboter. Nun kommt die Maschine ins Spiel: Sie dreht die Schraube ins Loch. Das ist für den Menschen auf Dauer der unangenehmste Part: Hilft ihm der Roboter hier, vermeidet der Mensch, etwa eine Sehnenscheidenentzündung zu bekommen. Die Maschine soll zum Helfer des Menschen werden.
Liepert: Der Arbeiter holt sich künftig wie heute eine Bohrmaschine, eben einen kleinen Roboter. Das ist ein Paradigmenwechsel, denn früher dachten Unternehmen so: Wir haben uns einen teuren Roboter angeschafft. Der muss sich jetzt rechnen. Dem Arbeiter fällt nun in dieser Denke der Part zu, den Roboter am Laufen zu halten. Die neue Philosophie geht jedoch dahin, dass Roboter den Menschen bei monotonen Arbeiten unterstützen. Der Mensch wird gegenüber dem Roboter wieder zum Meister. Er muss sich nicht mehr nach der Maschine richten, nur weil sie teuer ist und möglichst lange laufen muss. Zu der Umkehr der Machtverhältnisse tragen auch kleinere, günstige Roboter bei.
Damit nehmen die Europäer an der japanischen Roboter-Philosophie Maß. Liepert: Ja, die Japaner sind hier weiter als wir. Davon konnte ich mich beim japanischen Autozulieferer Denso überzeugen. Hier montieren Werker Klimageräte. Wenn es aber darum geht, eine Gummidichtung einzufügen, wo es schwerfällt, den Gummiring auf ein Plastikrohr zu drücken, überlässt der Arbeiter den Job seinem Roboter.
In der Medizintechnik sind Roboter schon heute in Europa Helfer der Ärzte. Wie läuft diese Kooperation? Liepert: Mit dem Da-Vinci-Operationssystem können etwa im urologischen und gynäkologischen Bereich minimalinvasiv Operationen durchgeführt werden. Der Operateur steuert dank eines 3-D-Bildes millimetergenau die Arme und damit die chirurgischen Werkzeuge des Roboters. Und Roboter bestrahlen zielgenau Tumore.
Liepert: Nein. Roboter sollen weiter Helfer des Arztes bleiben. Sie dürfen den Arzt nicht ersetzen. Natürlich kann ein Roboter Knochen fräsen, aber nur vom Menschen gesteuert. Letztlich verhält es sich in der Chirurgie wie in Schreinereien, wo Roboter ihnen von Menschen vorgegebene Löcher bohren.
Wann gibt es nach Staubsauger-Robotern weitere Roboter für den Haushalt? Kommt der Alleskönner, der RoboterButler, der Gurken schneidet und auf Zuruf die Wohnung aufräumt? Liepert: Die Japaner gehen hier in Richtung des humanoiden, also dem Menschen äußerlich ähnlichen Roboters. Solche Maschinen für den Haushalt werden aber sehr teuer. Möglich wäre, dass man Roboter, die so teuer wie ein Auto sein könnten, via Leasing auf Mindestlohnbasis mieten kann. Doch humanoide Alleskönner-Roboter für den Haushalt sind Zukunftsmusik. Das wird sicher noch mehr als 20 Jahre dauern, ehe diese Geräte bei den Menschen einziehen. Warum dauert das so lange?
Liepert: Das liegt auch daran, dass unsere Küchen unterschiedlich aufgebaut sind. Da müsste man jeden Roboter extra programmieren, wie er sich in einer Küche beim Ein- und Ausräumen der Spülmaschine anstellen soll. Das wäre zu teuer. Denn hier tauchen komplizierte Fragen auf: Muss die Tasse in den linken oder rechten Schrank? Das kann der Mensch besser und günstiger. Sonst bräuchte man genormte Küchen, wo Besteck, Messer und Tassen immer am gleichen Ort liegen. Wir sind weit weg vom Roboter als Eier legende Wollmilchsau. Die Branche arbeitet an Speziallösungen.
Roboter könnten gerade das Leben älterer Menschen leichter machen. Was ist hier denkbar?
Liepert: Das ist ein großer Markt für die Branche. Ältere Menschen wün- schen sich etwa einen Aufhebe-Roboter. Die Maschine bückt sich und hebt etwa die runtergefallene Fernbedienung des Fernsehers auf. So ein Roboter könnte kommen. Auch Hol- und Bring-Roboter gerade für ältere Menschen könnten Realität werden. Man stellt etwa die Einkaufstasche auf dem Roboter ab, und er folgt einem wie ein Hund in die Küche.
„Die Kooperation von Mensch und Roboter im Arbeitsleben wird noch enger werden.“
In der Altenpflege ist der Druck groß, Roboter einzusetzen, weil Fachpersonal schwer zu bekommen ist.
Liepert: Bei Kuka arbeiten wir in der Konzernforschung an Konzepten eines solchen Pflege-Roboters. Bei dem Thema kommt es entscheidend darauf an, ob Pflegebedürftige es akzeptieren, von einem Roboter und nicht einem Menschen unterstützt zu werden. Japaner akzeptieren Roboter als Pfleger, Europäer sicher nicht. Deswegen bin ich überzeugt, dass der Roboter wie in der Medizintechnik der Helfer der Pflegekraft sein sollte und nicht der alleinige Pfleger. Und es geht auch nicht, dass in einer Abteilung Roboter pflegen und in einer anderen Menschen. Damit würde, wer weniger Geld hat, einen Roboter als Helfer zugeteilt bekommen. Das halte ich für inakzeptabel. Doch ein solcher Pflegeassistenz-Roboter wird die nächste große Anwendung sein, die unsere Branche herausbringen wird. Denkbar sind auch Sicherheits-Roboter, die Haus oder Wohnung überwachen und die Polizei informieren, wenn Einbrecher eindringen. Liepert: Nein, eher wie eine kleine fahrbare Tonne. Und dieser Roboter wird auch nicht bellen. ⓘ
Bernd Liepert, 56, ist Chief Innovation Officer des Augsburger Automatisierungsspezialisten Kuka. Der promovierte Ingenieur und Diplom-Mathematiker hat zudem das Amt des Präsidenten der Europäischen Roboter-Vereinigung inne. Liepert hat die erste Roboter-Steuerung auf PC-Basis entwickelt.