Ein verdammt teurer Einsatz
Feuerwehr Arbeitgeber haben einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für ihre Mitarbeiter. Manche Unternehmen machen von ihrem Recht Gebrauch, andere nicht. Über die Forderung der Audi AG ärgert sich ein Bürgermeister mächtig
Gachenbach Alfred Lengler legt die Stirn in Falten und schnaubt. Über die Rechnung der Audi AG, die dem Gachenbacher Bürgermeister ins Haus geflattert ist, ist der CSUKreisvorsitzende immer noch mächtig sauer. 701,60 Euro fordert das Automobilunternehmen mit Sitz in Ingolstadt für die Abstellung eines Mitarbeiters, der als Mitglied einer Ortsteilfeuerwehr seiner Gemeinde Ende August bei einem Großbrand in Habertshausen im Einsatz war. „Wie ich das gesehen hab’, hab’ ich gedacht, mir haut’s den Vogel naus“, schimpft der Rathauschef, der zusammen mit seiner Frau selbst ein Familienunternehmen führt.
Über 150 Einsatzkräfte sieben verschiedener Wehren bekämpften das Feuer in jener Mittwochnacht, das in einer großen Maschinenhalle eines landwirtschaftlichen Anwesens ausgebrochen war. Die Rauchwolke stand kilometerweit sichtbar am Nachthimmel. Der Schaden ging in die Millionen. Die Lösch- und Aufräumarbeiten zogen sich zwei Tage lang hin, die Hälfte der eingesetzen Männer und Frauen kamen aus dem Gemeindegebiet.
Bei einem Dutzend der Ausgerückten haben die Arbeitgeber nun die Erstattung der Lohnfortzahlung bei der Gemeinde eingefordert. Ein üblicher Vorgang, wie er auch in anderen Kommunen vorkommt. Rein rechtlich ist das Vorgehen auch korrekt. Dazu verweist Neuburg-Schrobenhausens Kreisbrandrat Stefan Kreitmeier auf das Bayerische Feuerwehrgesetz (BayFwG). In Artikel 9 und 10 sind die Erstattungsansprüche von Arbeitgebern geregelt. Unter anderem heißt es dort: „Dem privaten Arbeitgeber ist auf Antrag von der Gemeinde zu erstatten...das Arbeitsentgelt einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit ...“
Für Alfred Lengler freilich sollte dieser Rechtsanspruch hinter dem Allgemeinwohl zurückstehen. „Wir haben bei uns heuer 30 Feuerwehreinsätze gehabt. Oft auch tagsüber. Von den Unternehmen vor Ort berechnet keiner was.“Seine beiden Söhne seien bei der Gachenbacher Wehr, das Feuerwehrhaus fußläufig nur wenige Meter von der Firma entfernt. „Meine Buben rücken bei jeder Alarmierung aus. Ich hab’ noch nie eine Rechnung geschrieben.“Die Praxis der Großkonzerne sei eine andere. Der Bürgermeister hält es dagegen für eine moralische ein Ehrenamt, bei dem es um die Rettung von Menschenleben geht, vor den Profit zu stellen.
Beim Ingolstädter Autokonzern sieht man das ein wenig anders. Audi unterstütze den Dienst von Mitarbeitern in der Freiwilligen Feuerwehr oder im Katastrophenschutzdienst und halte sich dabei an die Vorgaben des Feuerwehrgesetzes, teilt das Unternehmen auf Nachfrage der
mit. Audi stelle die jeweiligen Mitarbeiter bezahlt frei, schöpfe diesen gesetzlichen Anspruch nicht vollständig aus. Dies gelte insbesondere für Kurzzeiteinsätze. „Nehmen wir den Anspruch wahr, halten wir selbstverständlich die vom Gesetzgeber festgelegten Regularien und Sätze ein“, erklärt Pressesprecherin Michaela Schnellhardt. Unabhängig von solch gesetzlich privilegierten Ehrenämtern fördere Audi das ehrenamtliche Engagement seiner Mitarbeiter. Unter dem Motto ’Audi Ehrensache’ habe man eine Vielzahl von Aktionen gebündelt, bei denen sich Mitarbeiter freiwillig engagieren könnten. Schnellhardt verweist auf die Freiwilligentage an den Audi-Standorten, die Aktionen „Freude schendurchaus ken“oder „Herbstzeit schenken“, bei denen sich Mitarbeiter nach Feierabend beziehungsweise in ihrer Freizeit in sozialen Einrichtungen engagierten oder auch „TeamAktionen“, bei denen ganze Abteilungen einen Tag lang soziale Einrichtungen unterstützen.
Alfred Lengler schüttelt darüber den Kopf. „Ein Benefizkonzert im Sommer macht’s nicht aus“, verweist er auf die Liste seines Kämmerers. Darauf ist dokumentiert, dass das Ingolstädter Unternehmen für seinen Mitarbeiter bei dem Einsatz im August in Habertshausen dreieinhalbmal so viel Lohnfortzahlung eingefordert hat, wie die Handvoll anderer Unternehmen. 2909,39 Euro stehen insgesamt unter der Position „Erstattung Lohnfortzahlung“. Rechnet man alle Positionen, etwa für die Reinigung der Kleidung – stolze 1040,22 Euro – zusammen, dann schlagen für diesen einen Einsatz in Habertshausen 4621,16 Euro zu Buche. Die Ersatzbeschaffungen für defektes Material sei da noch nicht eingerechnet, rechnet Lengler vor.
„Das geht bei einer kleinen Gemeinde wie unserer ganz schön ins Geld. Bezahlt wird das mit SteuerPflicht, geldern und damit sind wir wieder bei Audi und beim Allgemeinwohl“, fährt der Kommunalpolitiker fort. „Und wenn’s wirtschaftlich schlecht läuft, sind die Autohersteller die ersten, die schreien.“Gerade Audi habe im Zuge der Turbulenzen der Finanzkrise enorm von Staatshilfen profitiert. Deutsche Autobauer seien jahrelang über Gebühr Nutznießer der Abwrackprämie gewesen und hätten sich mit Zeitarbeitsfirmen schadlos gehalten. „Die Mitarbeiter sind mit 90 Prozent Gehaltsfortzahlung daheim geblieben. Und das war nicht das einzige Mal. Wäre der Staat in der 70ern nicht eingesprungen, dann gäb’s Audi heute gar nicht mehr“, redet sich der Bürgermeister in Rage.
Die Rechnung für den Feuerwehreinsatz ist nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. „Diesel-Skandal“heißt das Stichwort für Alfred Lengler. „Audi könnte ja mal hergehen und sagen, dass sie falsch gelegen sind. Die haben jetzt wieder einen Gewinnsprung gemacht, sind aber nicht in der Lage, dass sie den Autobesitzern in Deutschland eine Entschädigung anbieten.“Längere Zeit hatte er zuletzt ein Auto mit den vier Ringen im Logo geleast. Lengler hat das Fahrzeug vorzeitig zurückgegeben, obwohl er die Rate noch eine Zeit lang weiterzahlen musste. „Weil ich mich so geärgert habe.“
Das Allgemeinwohl geht vor, findet Alfred Lengler
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt