„Es sieht aus, als hätte die Fraktion nichts gelernt“
Interview Es kracht in der CSU: Ilse Aigner ärgert sich vor allem über Thomas Kreuzer. Sie macht den Fraktionschef im Landtag dafür verantwortlich, dass qualifizierte Frauen nicht in verantwortliche Positionen gewählt wurden
Ilse Aigner: Das ärgert mich außerordentlich, weil es unseren erklärten Zielen widerspricht. Im Kabinett hat es funktioniert. Dort hat Ministerpräsident Markus Söder unser gemeinsames Ziel umgesetzt, die CSU jünger und weiblicher aufzustellen. In der Landtagsfraktion hat es nicht ganz geklappt. Das Ergebnis ist ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Oberbayern und den anderen Regierungsbezirken. So sieht es jetzt aus, als hätte die Fraktion aus dem Wahlergebnis nichts gelernt. Aigner: Es hätte aber nicht passieren müssen. Man hätte das schon im Vorfeld lösen können, wenn man es gewollt hätte. Aigner: Doch, die gab es. Wenn ich etwas zusage, halte ich mich daran. Das ist mein Verständnis von Zusammenarbeit unter Parteifreunden. Aber es ist dann ganz anders gekommen. Erst haben CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer und alle anderen Bezirkssprecher gegen den einheitlichen Willen der Oberbayern darauf bestanden, dass der frühere Umweltminister Marcel Huber nicht für den Fraktionsvorstand kandidieren soll. Ihr Argument war, dass zumindest einer der vier StellvertreterPosten in der Fraktion an eine Frau gehen soll und dass man ja auch für die Leitung einiger Arbeitskreise noch Frauen brauche. Das konnte ich nachvollziehen, obwohl gerade Marcel Huber schon wegen seiner Kompetenz, seiner Leistungen und wegen seines herausragend guten Wahlergebnisses in Oberbayern einen herausgehobenen Posten verdient gehabt hätte. Huber ist nicht angetreten, damit drei Frauen aus Oberbayern gewählt werden können. Dann aber kam nur eine Frau zum Zug. Das ist das Ärgernis – für Huber, für die Frauen und für Oberbayern. Unser Angebot wurde einfach niedergeschmettert. Aigner: Ja, so ist es. Er hat sich vehement für eine Frau als Fraktionsvize eingesetzt. Das war auch in Ord- nung. Aber als es danach um die Wahl der Arbeitskreisleiter ging, hätte ich denselben Einsatz für die Frauen erwartet, die als Arbeitskreisleiterinnen kandidiert haben. Es wäre seine Aufgabe als Fraktionschef gewesen, hier Führung zu zeigen, zu argumentieren und zu koordinieren. Da ist es im Nachhinein recht hilflos, zu sagen, Wahlen seien doch geheim … Aigner: Weil nur die CSU Oberbayern für diese Leitungsfunktionen noch erfahrene Frauen anbieten konnte. So groß ist das Angebot in der CSU-Fraktion ja leider nicht. Man musste kein Mathematik-Genie sein, um zu erkennen, dass nach der Wahl noch weniger Frauen AKLeiterinnen sind, wenn die beiden Kandidatinnen nicht gewählt werden. Aigner: Wir haben nicht überzogen. Oberbayern ist die bevölkerungsstärkste Region mit vielen immens wichtigen Themen, die in der Frakauch tion vertreten werden müssen. Oberbayern stellt 22 von insgesamt 85 CSU-Abgeordneten. Neun von ihnen sind in leitende Funktionen gewählt worden. Die Oberpfalz stellt acht Abgeordnete, sieben davon sind in leitende Funktionen gekommen. Aigner: Das ist richtig, aber ich lasse es auch nicht einfach auf sich beruhen. Ich habe Fraktionschef Kreuzer für kommenden Dienstag in die Runde der oberbayerischen Abgeordneten geladen. Da muss noch einmal geredet werden. An unserer Parteibasis in Oberbayern gibt es massive Verärgerung. Da versteht niemand, dass ein kompetenter und durch und durch integrer Mann wie Marcel Huber plötzlich keine Rolle mehr spielen soll.
Aigner: Zumindest für Marcel Huber muss eine Funktion gefunden werden. Ich meine eine wichtige Funktion. Die CSU kann und darf auf solch einen erfahrenen und kompetenten Mann nicht einfach verzichten.