Leichenfund im Grenzgebiet
Polizeiruf 110: Der Fall Sikorska
ARD, 20.15 Uhr Musste das sein, dass „Der Fall Sikorska“aus der im deutsch-polnischen Grenzgebiet spielenden Folge der Reihe „Polizeiruf 110“so zusammengestöpselt daherkommt? Da ist das 19-jährige Au-pair-Mädchen Paula Borchert, das tot aus der Oder in der Nähe von Frankfurt geborgen wird. Damit nicht genug: Die Polizei stößt auf eine Anzeige gegen den Arzt Gerd Heise (Götz Schubert), der mit seiner Frau, seinem Sohn und dessen Familie in einem großzügigen Anwesen lebt. Vor 15 Jahren soll Heise seine Stieftochter Julia Sikorska sexuell missbraucht haben. Die damals 20-jährige Julia verschwand danach, alle Nachforschungen blieben ergebnislos.
Und so plagen sich Hauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und ihr Kollege Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) mit der Frage, ob Julias Verschwinden mit Paulas Tod zu tun hat. Beide Fälle zeichnen die Strukturen eines deutsch-polnischen Familiendramas eher nach als die von Verbrechen. Das muss kein Nachteil sein, vor allem nicht für Freunde von konventionell erzähltem Kriminalstoff. Dass aber die Fragen, die sexuelle Übergriffe aufwerfen, weil viele betroffene Frauen allein gelassen werden, mit Simplifizierungen des deutsch-polnischen Verhältnisses einhergehen, stört doch sehr. Julias polnischer Vater Pawel Sikorski nimmt den Tod Paulas zum Anlass, den von ihm verdächtigten Arzt Heise wieder zu attackieren. Es sind zwei Welten: Die Familie beschäftigt in ihrer schicken Villa eine polnische Putzfrau, derweil Sikorski in einer schlichten Datsche wohnt.
Die Auflösung ist zwar nicht direkt überraschend, aber dass die Regie bewusst darauf verzichtet, körperliche Gewalt zu zeigen, verdient Respekt. Nachteil: Die Landschaften wirken mitunter so nüchternmonoton wie die spröden Dialoge. Man wird das Gefühl nicht los, dass der RBB als zuständige Anstalt unbedingt das Nachbarland im Osten ins Spiel bringen wollte. Dann sollte aber der Sender als erste Maßnahme Lucas Gregorowicz, der den Charme einer Schlaftablette hat, verabschieden. Rupert Huber