Ein frisch gebackener Brotsommelier
Weiterbildung Der Neuburger Bäcker Wolfgang Schlegl hat einen besonderen Lehrgang gemacht. Nun kann er seine Produkte besser analysieren und Verzehrempfehlungen geben. Auch für Diabetiker hat er etwas herausgefunden
Neuburg Die letzte Arbeit, die Wolfgang Schlegl geschrieben hat, war die Facharbeit zu seinem Abitur vor mehr als 30 Jahren. Und die musste gerade einmal zehn bis 15 Seiten umfassen. Dieses Jahr hat der Neuburger Bäckermeister erneut die Schulbank gedrückt und eine Ausbildung zum Brotsommelier gemacht. Am Ende stand eine Abschlussarbeit mit wissenschaftlichem Anspruch, 45 Seiten lang. Schlegls Thema: „Gesunder Brotgenuss und Diabetes mellitus Typ 2b“. Durch die Ausbildung hat der Bäcker aber nicht nur über seine eigene Krankheit etwas gelernt. Er weiß nun auch allerlei rund um die Geschichte des Brots, kann Verzehrempfehlungen geben – und er hat sogar eine neue Brotsorte kreiert.
Die Geschichte des Brots beginnt nicht in Deutschland, sondern in Ägypten, erzählt Wolfgang Schlegl. Vor 30000 Jahren aß der Mensch Getreide, sammelte Süßgräser und vermalte sie. Ungefähr vor 20000 Jahren sei dann zufällig ein Brei aus diesen Süßgräsern auf einen heißen Stein gefallen, woraus das erste Fladenbrot entstand, fährt der Brotsommelier fort. „Die Menschen haben gemerkt, das Ding wird fest, ist haltbar und man kann es mitnehmen.“Ungefähr 6000 vor Christus bereiteten die Ägypter dann die ersten richtigen Brote zu. Sie erfanden den Sauerteig und nutzten tönerne Glocken, die im Feuer aufgeheizt als Öfen. Schlegl: „Über Handelswege kam das Brot schließlich zu uns.“
Mit der Ausbildung zum Brotsommelier begann der Neuburger Bäcker im Januar. Dafür musste er zwar nicht gleich nach Ägypten reisen, aber immerhin ins rund 300 Kilometer entfernte Weinheim, wo sich die Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks befindet. 27 Tage, verteilt auf neun Ausbildungsblocks zu je drei Tagen, dauerte der Kurs. Mitte November waren nun die letzten Prüfungen. Ein Freund hatte ihn darauf angesprochen und Schlegl sagte zu – ohne so ganz genau zu wissen, was da auf ihn zukäme. Als er erfuhr, dass er eine 40- bis 60-seitige Arbeit schreiben müsse, sei das schon ein Schock ge- wesen, gibt der 53-Jährige zu. Doch dann fand er ein Thema, das ihn persönlich interessierte und aus dem er einen Nutzen ziehen konnte.
Wolfgang Schlegl ist seit drei Jahren Diabetiker. „Die Diagnose war für mich der totale Frust. Ich musste meine Kohlehydrate reduzieren.“Und das als Bäcker! Also hat er einen Selbstversuch durchgeführt. Dazu hat er zweimal zwei Wochen lang bei seinen drei Mahlzeiten eine strenge Regel eingehalten: nur jeweils 60 Gramm Brot und sonst keine Kohlehydrate, sondern Wurst, Käse, Fleisch und Gemüse. Beim Brot konzentrierte er sich auf drei verschiedene Sorten: Dinkel-, Eiweißund Haferbrot. Letzteres hat Schlegl erst vor einem halben Jahr erfunden, im Zuge seiner Ernähwurden, rungsumstellung. Das Ergebnis seines Selbstversuchs: Würde er sich an die 60 Gramm halten und lediglich Hafer- und Eiweißbrot als Kohlehydrate konsumieren, könnte er sich seine Medikamente sparen.
Langfristig will Schlegl das aber nicht machen. Dazu hängt er zu sehr an seinen Backwaren – und am Genuss. Aktuell hat er seine Medikamente aber um mehr als die Hälfte reduziert. So kann er es sich leisten, zum Frühstück eine halbe Vollkornsemmel zu essen und ein halbes Hörnchen mit selbst gemachter Nussnugatcreme oder Marmelade.
Die schriftliche Arbeit war allerdings nur ein Teil der Brotsommelier-Ausbildung. Schlegl musste sich mit vielen Themen beschäftigen: mit Betriebswirtschaft, also mit Marketing und Marktstruktur, mit gesetzlichen Hintergründen, mit Inhaltsstoffen und mit der Verkostung sowohl von Brot als auch von Lebensmitteln, die zu Brot passen, wie Bier, Wurst und Käse. „Es ist die Aufgabe eines Brotsommeliers, Brot zu analysieren, wertig zu beschreiben und Verzehrempfehlungen zu geben“, fasst der Neuburger Bäckermeister zusammen. Man sei gewissermaßen ein Botschafter des Bäckerhandwerks.
Wolfgang Schlegl ist froh und stolz, dass er die Ausbildung zum Brotsommelier mit einer Gesamtnote von 2,0 bestanden hat. Neben dem Beruf sei das nicht einfach gewesen, sagt er. Fünf von 18 Teilnehmern seien durchgefallen. Der Rest durfte mit Fernseh-Koch Johann Lafer in Bad Kreuznach ein VierGänge-Menü kochen. 60 Brotsommeliers gibt es laut dem Neuburger Bäckermeister derzeit im deutschsprachigen Raum, vor fünf Jahren fand der erste Lehrgang statt.
Und es gibt noch etwas, worauf Schlegl stolz ist. Sein Sohn Max hat diesen Sommer seinen Bäckermeister gemacht, ebenfalls in Weinheim. Mit Max Schlegl ist dann bereits die fünfte Generation der Familie im Bäckerhandwerk tätig. Auch er soll irgendwann noch den Brotsommelier auf seinen Meister draufsetzen, wenn es nach seinem Vater geht. Doch jetzt sammelt der 25-Jährige erst einmal Erfahrung in der hauseigenen Backstube.