Neuburger Rundschau

Viel Applaus für einen echten Rebellen

Figurenthe­atertage I Puppenspie­ler Sebastian Kautz lässt Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“zum Leben erwecken. Wie die aufwendig gestaltete­n Figuren die Zuschauer begeistern

- VON ANNEMARIE MEILINGER

Neuburg Die zweiten Neuburger Figurenthe­atertage begannen mit einem Theaterkla­ssiker. Die Bühne „Cipolla“startete das Festival mit Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist. Kohlhaas wird zum Rebellen, der verzweifel­t versucht, Gerechtigk­eit zu finden – doch er verliert alles: Geld, Familie, Ansehen und schließlic­h das Leben. Viele sind an der 1810 erschienen­en Geschichte beteiligt: Familie, Knecht, Obrigkeit, Landesfürs­ten und Kirche in der Person von Martin Luther höchstpers­önlich.

Wie kann eine solche Geschichte von nur einem Schauspiel­er realisiert werden? Es geht – mit Puppen, Masken, Figuren und einem Schleier aus Plastikfol­ie, aus der nach und nach die Akteure enthüllt werden. Zunächst ist da nur der Kohlhaas, ein markanter Kopf mit harten Zügen. Glühende Augen ziehen die Zuschauer in die Geschichte, sodass sie den Akteur dahinter, den Schauspiel­er Sebastian Kautz, kaum noch wahrnehmen. Er spielt mit seiner wandelbare­n Stimme nicht nur unzählige Rollen, er ist der Puppenspie­ler, der am Ende das Tribunal wie eine Klaviatur bedient.

Am Rande des Bildes agiert Gero John. Ganz sacht erzeugt er die akustische Untermalun­g des Stücks, mit dem Piano, mit seiner Stimme oder – wenn mehr Dramatik erforderli­ch ist – mit dem Cello. Nur wenige Male wird er zum Assistente­n, dann, wenn Kautz’ Arme nicht mehr ausreichen, um das Bühnenbild zu verändern oder eine Maske hochzuhalt­en. Als der Kohlhaas beschließt, den Kampf gegen die Obrigkeit aufzunehme­n, redet er mit seiner Frau, der Puppenmach­erin Melanie Kuhl ein streng-vornehmes Äußeres gegeben hat. Ihr tragisches Ende beschließt sie in einer Tonne, die auch schon das Grab für den treuen Knecht Herse war, der sich für den Herrn geopfert hat. Herse ist Spielball zwischen den Parteien, und wie ein Ball ist er auch darge- Der Junker Wenzel von Tronka, Kohlhaas’ hinterhält­iger Widersache­r, ist ein körperlose­r Kopf, den giftig-grüne Tropfen voller Widerlichk­eit umgeben. Während Kohlhaas mit seiner Wut an immer neue Widerständ­e stößt, bekämpfen sich die Herrscherh­äuser im Hintergrun­d, die Herkunft eines ominösen Zettels einer Zigeunerin spielt dabei in einer eingeschob­enen Geschichte eine wichtige Rolle.

Viele Zuschauer nahmen nach dem langen Applaus die Einladung von Sebastian Kautz an, die Puppen am Bühnenrand genauer anzuschaus­tellt. en. Fragen nach der raffiniert­en Leichtbauw­eise und der Ausstattun­g beantworte­te der Schauspiel­er ausgiebig. Auch sei man „zu 95 Prozent“an Kleists Vorlage geblieben. Nur eine Person im Tribunal habe man mit einer Frau besetzt, als „Zugeständn­is an die Quote“.

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Beiden droht das gleiche Ende: der widerliche Wenzel von Tronka und der Geschäftsm­ann Michael Kohlhaas, bevor das Schicksal seinen Lauf nimmt.
 ?? Fotos: Annemarie Meilinger ?? Herr und Frau Kohlhaas im Gespräch. Dahinter befindet sich Puppenspie­ler Sebastian Kautz.
Fotos: Annemarie Meilinger Herr und Frau Kohlhaas im Gespräch. Dahinter befindet sich Puppenspie­ler Sebastian Kautz.

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