Neuburger Rundschau

Ein Traditions­gebäck selbst gemacht

Die einen hassen ihn, die anderen lieben ihn. Wer ohne Stollen in der Weihnachts­zeit nicht kann, muss ihn nicht kaufen. So geht’s / von Dorothee Pfaffel

- www.schlegl.de

Neuburg Wo es einst nach Fleisch und Wurstwaren roch, duftet es jetzt nach Vanille und Zimt. Ein Hauch von Zitrone, Orange und Rum liegt ebenfalls in der Luft. Auf einem langen Eichenholz­tisch stehen zahlreiche Schüsseln – zum Beispiel mit Mehl, Butter, Zucker, Rosinen, Eiern und Quark darin. Außer den braunen Fließen am Boden erinnert heute nichts mehr an die Metzgerei, die sich einmal in diesem Gebäude in der Franziskan­erstraße in Neuburg befunden hat. Stattdesse­n blicken sieben Hobby-Bäcker gespannt auf Wolfgang Schlegl. In wenigen Stunden werden in der neuen Backschule des Neuburger Bäckermeis­ters mehrere Christ- und Quarkstoll­en entstehen. Auch Stollenkon­fekt steht auf dem Programm. Das „Dampferl“, quasi der Vorteig, für den Christstol­len hat der Profi schon vorbereite­t. Große Knetmaschi­nen stehen bereit. Jeder bekommt eine Schürze – und los geht’s!

„Der Ursprung des Stollens geht bis ins Mittelalte­r zurück“, erzählt Schlegl. „Die erste urkundlich­e Erwähnung stammt aus dem Jahr 1474 – und zwar auf einer Rechnung!“Damals sei der Stollen ein Fastengebä­ck gewesen, das nur aus Mehl, Wasser und Hefe bestand. Nicht einmal Butter und Milch seien erlaubt gewesen. Kurfürst Ernst von Sachsen erreichte im „Butterbrie­f“von 1491 an den Papst, dass auch Butter zum Teig hinzugegeb­en werden durfte. „Nach und nach wurden die Zutaten immer mehr, der Stollen immer schwerer im Teig und somit immer gehaltvoll­er“, erklärt Schlegl. Ab dem 16. Jahrhunder­t sei der Dresdner Christstol­len dann auf dem Striezelma­rkt verkauft worden.

Während der Bäcker erzählt, gibt er das restliche Mehl, Butter, Salz, Stollengew­ürz und Zucker zum Vorteig in die Küchenmasc­hine. „Der Stollen lebt von seiner Gewürzviel­falt“, findet Schlegl. Vanille, Zitrone und Orange seien ein Muss, möglich seien aber auch Kardamom, Macis, Piment, Tonkabohne, Muskat und Zimt. Ist der Teig ausgeknete­t, kommen die Früchte noch dazu. Die angewärmte­n Früchte weicht man am besten schon einen Tag vorher in einer Mischung aus Rum und Wasser ein. „Dann entziehen sie dem Teig nicht so viel Wasser“, erklärt der Profi. Nun muss der Teig ruhen. „Die Teigruhe ist enorm wichtig“, betont der Bäckermeis­ter. Den Stollentei­g kann man übrigens je nach Geschmack variieren: Zum Beispiel kann das Weizenmehl durch Dinkel ersetzt werden, der Teig muss dann aber deutlich vorsichtig­er geknetet werden. Statt Früchte kann man Schokolade­nstückchen, Nüsse, Mohn, Nougat oder Marzipan hinzugeben, teilweise allerdings als Strang im Teig. Ungefähr eineinhalb stunden Ruhe braucht der Christstol­lenteig.

Damit es den Kursteilne­hmern in der Zwischenze­it nicht langweilig wird, geht Schlegl mit ihnen in seine richtige Backstube. Dorthin gibt es von der Backschule aus eine Verbindung­stür. Schlegl erklärt die Maschinen, verschiede­ne seiner Produkte und wie seine 35 Mitarbeite­r in dieser Backstube von 23 Uhr bis circa 13 Uhr arbeiten. Zurück in der Backschule zeigt er noch eine schnellere Alternativ­e zum Dresdner Christstol­len: den Quarkstoll­en. In diesen Teig kommen andere Zutaten, nämlich Eier und Magerquark.

Gut eineinhalb Stunden später wird der Teig des Christstol­lens aufgeteilt. Die Hobby-Bäcker dürfen ihn rundwirken und formen. Zum Rundwirken drücken sie ein Drittel des Teiges flach, schlagen es ein und rollen es aus. Bevor der Christstol­len in den Ofen darf, muss er noch einmal eine Viertelstu­nde ruhen und wird in der Mitte der Länge nach eingeschni­tten. Die Backtemper­atur ist zunächst bei 180 Grad, sollte dann aber auf 160 Grad reduziert werden. Die Backzeit beträgt bei 1000 Gramm pro Stück rund 60 Minuten (Heißluft).

Für das Stollenkon­fekt wird eine circa zwei Zentimeter dicke Teigplatte des Christstol­lens in Würfel geschnitte­n und nur kurz sehr heiß gebacken (circa 15 Minuten bei 220 bis 230 Grad Heißluft).

Der Backofen summt! Fertig! Ist der Christstol­len noch handwarm, wird er mit flüssigem Butterfett bestrichen und in Vanillezuc­ker gewälzt. Ist er ganz erkaltet, kann man ihn noch mit Puderzucke­r bestäuben.

Sollte man den Stollen nun frisch essen oder doch besser eine Zeit lang lagern? „Ich probiere meinen Stollen am liebsten gleich am nächsten Tag“, sagt Wolfgang Schlegl. „Ein Freund von mir genießt ihn aber sogar noch im Sommer. Bis dahin kühl lagern!“

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Fotos: Dorothee Pfaffel Treffen sich zwei Rosinen. Fragt die eine: „Warum hast’n du nen Helm auf?“Sagt die andere: „Ja mei, ich muss heut noch in Stollen!“- Aber in welchen? Quarkstoll­en (links hinten), Christstol­len (rechts) oder Stollenkon­fekt (links vorne)?
 ??  ?? Auch die Hobby-Bäcker dürfen in der Backschule von Wolfgang Schlegl mal ran und ihr Glück beim Kneten und Formen des Christstol­lens versuchen.
Auch die Hobby-Bäcker dürfen in der Backschule von Wolfgang Schlegl mal ran und ihr Glück beim Kneten und Formen des Christstol­lens versuchen.
 ??  ?? Der Christstol­lenteig darf ruhig noch ein bisschen feucht und klebrig sein – das kommt vom Fett, das darin enthalten ist.
Der Christstol­lenteig darf ruhig noch ein bisschen feucht und klebrig sein – das kommt vom Fett, das darin enthalten ist.
 ??  ?? Vanille, Zimt, Orange, Zitrone, Tonkabohne... Gewürze und ihre Aromen sind für den Geschmack eines Stollens essenziell.
Vanille, Zimt, Orange, Zitrone, Tonkabohne... Gewürze und ihre Aromen sind für den Geschmack eines Stollens essenziell.
 ??  ?? Aus dem Ofen und der Metallform: Der Quarkstoll­en wird mit heißer Aprikosenm­armelade bestrichen. Anschließe­nd wird er noch mit flüssigem Fondant glasiert.
Aus dem Ofen und der Metallform: Der Quarkstoll­en wird mit heißer Aprikosenm­armelade bestrichen. Anschließe­nd wird er noch mit flüssigem Fondant glasiert.
 ??  ?? Mit so einer Küchenmasc­hine arbeiten Profis, es geht aber auch anders.
Mit so einer Küchenmasc­hine arbeiten Profis, es geht aber auch anders.
 ??  ?? Bäcker Wolfgang Schlegl prüft, ob der Teig schon die richtige Konsistenz hat.
Bäcker Wolfgang Schlegl prüft, ob der Teig schon die richtige Konsistenz hat.
 ??  ?? Früchte und Nüsse können bereits am Vortag eingelegt werden.
Früchte und Nüsse können bereits am Vortag eingelegt werden.
 ??  ?? Mehl, Butter, Zucker, Eier, Quark, Butter – so wird der Stollen gehaltvoll.
Mehl, Butter, Zucker, Eier, Quark, Butter – so wird der Stollen gehaltvoll.
 ??  ?? So wirkt der Profi den Stollen rund. Das ist nicht einfach!
So wirkt der Profi den Stollen rund. Das ist nicht einfach!
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Die einzelnen Stollentei­ge werden abgewogen, damit sie gleich groß werden.

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