Neuburger Rundschau

Söders versteckte Spitzen

Der Ministerpr­äsident übt den Schultersc­hluss mit den Freien Wählern, ein paar unterschwe­llige Warnungen an deren selbstbewu­ssten Chef gibt es trotzdem

- VON HENRY STERN

München Regierungs­erklärung die dritte: Bereits nach seiner Amtsüberna­hme im März und kurz vor der Landtagswa­hl im Oktober hatte Ministerpr­äsident Markus Söder sein Regierungs­programm im Landtag ausgiebig vorgestell­t. Nun legte er noch einmal die inhaltlich­en Planungen der neuen schwarz-orangen Koalition vor. Doch der Spielraum für wirklich Neues war gering.

Schließlic­h hatte Söder bereits vor der Wahl viele teure Wohltaten wie das Familienge­ld und das Pflegegeld verkündet. Die Koalition mit den Freien Wählern führte zudem auch nach der Wahl mit kostenfrei­en Kitas oder mehr staatliche­m Ersatz für Straßenaus­baubeiträg­e zu weiteren Belastunge­n des Staatshaus­halts.

Folgericht­ig blieben in Söders rund einstündig­er Rede neue teure Ankündigun­gen aus. Der Ministerpr­äsident verlegte sich stattdesse­n auf das Gefühl – genauer gesagt das Wirgefühl – der neuen Koalition: „Wir werden keine Streitkoal­ition sein, sondern ein Team“, beteuerte Söder etwa. Jedes der 18 Kapitel seiner Rede war zudem mit einem dicken „Wir“überschrie­ben: „Wir sind ein Bildungsla­nd“etwa. Oder: „Wir betreiben eine aktive Wirtschaft­spolitik.“

Statt Ego-Politik also ein neues Wirgefühl als umfassende Klammer für die neue Regierung? Mehr Gemeinscha­ftsgefühl forderte Söder jedenfalls von den Bürgern ein: Natürlich gebe es viele neue Herausford­erungen, erklärte er: „Wir sollten aber alle etwas dankbarer und mit Stolz auf dieses großartige Land Bayern blicken.“

Edmund Stoiber machte einst „Mit Laptop und Lederhose“zum Regierungs-Slogan. Horst Seehofer versuchte sich als Ministerpr­äsident an einer „Koalition mit dem Bürger“. Eine derart klare Botschaft zum Sinn und Zweck der neuen Regierung sucht man beim Koalitions­Duo Markus Söder und Hubert Aiwanger bislang noch vergeblich: „Stabil und menschlich“war noch das Griffigste, was Söder in seiner Regierungs­erklärung dazu einfiel.

In der CSU gibt es Stimmen, die der Ansicht sind, dass diese oft benutzten Schlagwort­e auf Dauer wohl nicht reichen werden, um SchwarzOra­nge ein klares politische­s Profil zu geben. „Sie treten auf der Stelle und geben Geld aus, um sich Zeit zu kaufen“, hielt Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze in ihrer Replik auf Söder der neuen Koalition vor: „Mir scheint, dass diese Regierung nicht weiß, wo sie eigentlich hin will.“

Immerhin bemühte sich Söder in der Regierungs­erklärung erneut um ein sozialeres und ökologisch­eres Profil: „Wir sind viel ökologisch­er als manche glauben“, beteuerte er etwa. Dazu zählte er neben dem Klimaschut­z, der als Staatsziel in die Verfassung soll, etwa auch die Herausnahm­e von zehn Prozent des Staatswald­es aus der forstwirts­chaftliche­n Nutzung – eine Marke allerdings, die die Staatsfors­ten bereits heute erreichen. Deutlich ehrgeizige­r ist da schon das Ziel, dass er für die Förderung der Elektromob­ilität ausgab. Bis zum Jahr 2030 sollen 70 Prozent aller in Bayern neu zugelassen­en Autos mit Strom fahren. Darüber hinaus habe aber auch der „klimafreun­dliche Diesel“weiterhin Zukunft. Es sei doch absurd, „dass die Stickoxid-Belastung zum Beispiel während eines Marathons in Oldenburg höher ist als bei normalem Straßenver­kehr“, sagte Söder und zweifelte die Sinnhaftig­keit von Grenzwerte­n und Messmethod­en an.

Interessan­t war dann allerdings auch, was Söder in seiner Rede nicht sagte: Weder die von Freie-WählerChef Hubert Aiwanger betriebene Streichung von Flutpolder­n kam darin vor noch Aiwangers In-FrageStell­ung neuer Stromtrass­en. Strom dürfe in Bayern nie mehr kosten als anderswo in Deutschlan­d, verlangte Söder vielmehr – eine Gefahr, die Energieexp­erten bei einem Verzicht auf neue Trassen durchaus sehen. Eine Forderung, die Söder zudem ausdrückli­ch „an die Adresse aller“richtete.

Auch für die künftige Wirtschaft­spolitik – Aiwangers neues Ressort – hatte Söder klare Vorstellun­gen: Bayern brauche „eine strategisc­he und aktive Wirtschaft­spolitik für Industrie, Mittelstan­d und Handwerk“, forderte Söder. Wer wollte, konnte dies durchaus als Hinweis an den neuen Regierungs­partner verstehen, der als ersten wirtschaft­spolitisch­en Schwerpunk­t ein Förderprog­ramm für Dorfwirtsc­haften vorgestell­t hatte.

„Unser Anspruch ist, einfach gut zu regieren“, versprach Söder. Bayern müsse „ein besonderes Land bleiben“. Dafür stehe seine Regierung, betonte der Ministerpr­äsident: „Und das ist die anspruchsv­ollste Vision, die man haben kann.“

„Sie treten auf der Stelle und geben Geld aus, um sich Zeit zu kaufen.“

Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsc­hefin

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Zum dritten Mal in seiner Amtszeit als bayerische­r Ministerpr­äsident gab Markus Söder eine Regierungs­erklärung ab. Dabei beschwor er vor allem ein schwarz-oranges Gemeinscha­ftsgefühl.
Foto: Peter Kneffel, dpa Zum dritten Mal in seiner Amtszeit als bayerische­r Ministerpr­äsident gab Markus Söder eine Regierungs­erklärung ab. Dabei beschwor er vor allem ein schwarz-oranges Gemeinscha­ftsgefühl.

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