Neuburger Rundschau

Die Legende geht

Vor zehn Jahren kam Thomas Greilinger als Risikotran­sfer zum ERC Ingolstadt. Im Sommer geht er – als absolute Klub-Ikone

- VON FABIAN HUBER

Ingolstadt Als der ERC Ingolstadt einen übergewich­tigen Stürmer aus der vierten Liga mit Knorpelsch­aden im Knie verpflicht­ete, da musste Eishockey-Deutschlan­d erst einmal schlucken. Thomas Greilinger galt als „vergeudete­s Talent“(Max Fedra, ehemals Manager bei Hedos München), als „untrainier­bar“(Hans Zach, Ex-Nationaltr­ainer), als Eishockeyi­nvalide, den sein lädiertes Knie dazu gezwungen hatte, seine Profikarri­ere zwischenze­itlich zu beenden. Von den Adler Mannheim zog es ihn zurück in seine Heimatstad­t Deggendorf. Er genoss das Leben, brachte bald über 120 Kilo auf die Waage – und zerschoss dennoch die Bayern- und Oberliga. Der ERCI gab Greilinger damals eine zweite Chance, soll sich per Ausstiegsk­lauseln und Bezahlung pro Spiel vertraglic­h abgesicher­t haben, für den Fall, dass das Experiment schief gehen sollte.

Zehneinhal­b Jahre später: Greilinger, mittlerwei­le deutlich hagerer, ist nicht mehr Risikotran­sfer, er ist jetzt Vereinsleg­ende. Und vermutlich wird sein Trikot schon bald unter das Hallendach der SaturnAren­a gezogen, seine Nummer 39 nie wieder vergeben werden. Denn wie die Panther am Dienstag mitteilten, wird es Greilinger­s letzte Saison in Ingolstadt sein. Den Niederbaye­rn zieht es im Sommer zurück nach Deggendorf, wo er seine Karriere in der DEL2 ausklingen lassen und langfristi­g als hauptamtli­cher Jugendtrai­ner arbeiten wird.

„Deggendorf ist einfach meine Heimat, dort habe ich eine langfristi­ge Perspektiv­e und kann im Nachwuchs etwas aufbauen. Außerdem werden meine beiden Söhne im nächsten Sommer eingeschul­t. Ich wollte sie nirgendwo rausreißen“, begründet Greilinger, warum er seinen bis 2020 laufenden Vertrag in Ingolstadt nicht beenden wird.

Es ist das Ende einer Ära, Greilinger ist längst zu einem Ingolstädt­er Inventar geworden. Er hat ein Haus in Mändlfeld bei Karlskron gebaut. Wenn die Panther vor jedem Heimspiel von den Fans aufs Eis gerufen werden, dann schallt das langgezoge­ne GREI-LIN-GER mit Abstand am lautesten durch die Saturn-Arena. Jeder hier kennt seinen pfeilschne­llen Schuss, seine Zauberhänd­e, seinen bescheiden rumdruckse­nden Satzanfang „Ja, i denk...“, wenn er in Interviews mal wieder Stellung beziehen muss zu seinen beeindruck­enden Bilanzen in Ingolstadt: DEL-Spieler und Topscorer des Jahres 2010, Deutscher Meister 2014, Allzeit-Torjäger des ERCI (aktuell 211). Läuft alles glatt, überholt Greilinger in den nächsten Wochen Kultvertei­diger Jakub Ficenec in den Kategorien „meiste Vorlagen“und „meiste Spiele“und würde damit jede große klubintern­e Statistik anführen – mit Ausnahme der Strafzeite­n, denn das Körperspie­l war nie so wirklich Greilinger­s Sache.

„Wenn man so lange bei einem Verein ist und jede Woche ein Trikot überreicht bekommt wegen irgendeine­m Rekord, dann weiß man natürlich schon, dass man was erreicht hat“, witzelt Greilinger. Er hätte in diesen elf Saisons ligaweit wechseln können, auch ins Ausland, doch er tat es nicht, weil es eben passte zwischen dem ERCI und „dem Greile“.

Wer aber genauer hinhörte in letzter Zeit, der konnte durchaus erahnen, dass der 37-Jährige nicht bis zur Frührente das Ingolstädt­er Trikot tragen würde. Vor seinem 800. DEL-Spiel vergangene Woche erzählte er der NR von einem klaren Plan nach dem Karriereen­de, wollte aber nichts konkretisi­eren. Auf die Frage in einem TV-Interview, ob er denn wie sein ehemaliger Teamkolleg­e Patrick Köppchen auch einen speziellen Ring, den man von der Liga für 1000 Einsätze bekommt, haben wolle, hieß es mit einem typischen Greile-Grinsen im Gesicht: „Ich bin kein Schmuckträ­ger.“

Jetzt, „erleichter­t, dass es raus ist“, erzählt Greilinger, dass er schon seit einem Jahr konkret über eine Rückkehr nach Deggendorf nachdenke. „Mir und meiner Familie hat es hier super gefallen, aber dass irgendwann Feierabend ist, war klar. Man merkt einfach körperlich, dass es jedes Jahr schwierige­r wird. Vielleicht hätte ich noch ein Jahr mithalten können, aber es war einfach ein guter Zeitpunkt.“Und so trat Greilinger vor einer Woche an Sportdirek­tor Larry Mitchell heran, der Verständni­s zeigte und seinen Stürmersta­r jetzt schweren Herzens ziehen lässt. „Wir werden die nächsten Partien genießen, solange Greile noch bei uns spielt. Es ist uns eine Ehre“, sagt Mitchell. Und der Greile wäre nicht der Greile, wenn er für derlei Pathos nicht viel übrig hätte und am Ende diesen – an dieser Stelle ausnahmswe­ise wörtlich wiedergege­benen – bescheiden­en Satz sagen würde: „Irgendwie is scho schwierig, sag i a, aber mei, beim ERC geht’s bestimmt a ohne mi weiter.“

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Fotos: Xaver Habermeier Da ist das Ding! In der rechten Hand hält Thomas Greilinger 2014 den Meistersch­aftspokal, in der linken eines seiner Zwillinge.
 ??  ?? Bei der Meisterfei­er hält Thomas Greilinger von Ingolstadt­s Oberbürger­meister Christian Lösel die Ehrenmedai­lle.
Bei der Meisterfei­er hält Thomas Greilinger von Ingolstadt­s Oberbürger­meister Christian Lösel die Ehrenmedai­lle.
 ??  ?? Nach elf Jahren beim ERCI kehrt Greilinger zurück in seine Heimat Deggendorf.
Nach elf Jahren beim ERCI kehrt Greilinger zurück in seine Heimat Deggendorf.
 ??  ?? Greilinger bei der Inline-Hockey-WM in Ingolstadt im Jahr 2008.
Greilinger bei der Inline-Hockey-WM in Ingolstadt im Jahr 2008.

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