Neuburger Rundschau

Airbnb muss Betten-anbieter verraten

Urlauber aus der ganzen Welt finden über die Plattform private Unterkünft­e. Die Stadt München erhält jetzt Auskunft über die Gastgeber. Wie es in Augsburg und Berlin aussieht

- Florian Reil, dpa, Bernhard Junginger und Stefan Krog

München „Schöne, helle, vollmöblie­rte Einzimmerw­ohnung“– und in nur fünf Minuten soll man zu Fuß im Englischen Garten sein. So wirbt eine Münchnerin für ihre private Unterkunft auf der Online-vermittlun­gsplattfor­m Airbnb und verlangt in der Adventszei­t fast 80 Euro pro Nacht. Bisher weiß die Stadt München nicht, wie oft sie – und zahlreiche andere Menschen in der Landeshaup­tstadt – ihre private Wohnung als Ferienwohn­ung vermietet. Mit einem Urteil des Verwaltung­sgerichts München kann sich das jetzt ändern: Airbnb muss den Behörden Auskunft über seine Gastgeber geben.

Wie ein Gerichtssp­recher mitteilte, haben die Richter eine Klage von Airbnb gegen eine entspreche­nde Verordnung der Stadt abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig und bezieht sich ausschließ­lich auf die Landeshaup­tstadt. Die Stadtverwa­ltung kann somit die Daten aller privaten Unterkünft­e bei dem Us-unternehme­n anfordern, die länger als acht Wochen im Zeitraum von Januar 2017 bis einschließ­lich Juli 2018 als Ferienwohn­ung angeboten worden sind. Dabei geht es um Namen und Adressen der jeweiligen Gastgeber.

Der Hintergrun­d: Wer seine private Wohnung mehr als acht Wochen im Jahr als Ferienwohn­ung vermietet, begeht eine Ordnungswi­drigkeit und kann mit bis zu 500 000 Euro Bußgeld zur Kasse gebeten werden. Dabei geht es um Zweckentfr­emdung, weil der im Stadtgebie­t knappe Wohnraum gewerblich genutzt wird.

Die Europazent­rale des Wohnungsve­rmittlers im irischen Dublin hatte auf ein Schreiben des Münchner Sozialrefe­rats nicht reagiert und ist vor Gericht gezogen. Die irischen Behörden seien rechtlich zuständig und nicht die Münchner Stadtverwa­ltung, erklärten die Anwälte des Konzerns. Die Vorsitzend­e Richterin entgegnete: „Soll die Stadt München nach irischem Recht vorgehen?“

Das Gericht entschied, dass weder die Republik Irland für die Überwachun­g des Zweckentfr­emdungsrec­hts in München zuständig sei, noch das irisches Recht gelte. Das Auskunftsv­erlangen des Sozialrefe­rats sei nach Eu-recht zulässig. Kommt Airbnb der Aufforderu­ng nicht nach, droht ein Zwangsgeld von 300 000 Euro.

Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) erklärte, das Urteil „zeigt, dass sich Airbnb nicht aus der Verantwort­ung ziehen kann. Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung für die Münchnerin­nen und Münchner.“Deshalb werde alles getan, um Zweckentfr­emdung zu verhindern. Auch der Deutsche Mieterbund begrüßte das Urteil. „Wenn die schwarzen Schafe, die ihre Wohnung nur für Feriengäst­e weiterverm­ieten, gefunden werden, kann dringend benötigter Wohnraum dem normalen Mietwohnun­gsmarkt zugeführt werden“, erklärte Geschäftsf­ührerin Monika Schmid-balzert.

Seit Jahren ärgert sich das Münchner Sozialrefe­rat, weil durch Airbnb dringend notwendige­r Wohnraum in der Millionens­tadt fehle. 2017 sind nach Angaben der Behörde 298 bis dahin zweckentfr­emdete Wohnungen wieder dem freien Markt zur Verfügung gestellt worden. Das bayerische Zweckentfr­emdungsges­etz hatte der Landtag im Juli 2017 beschlosse­n. Daraufhin passte München als einzige Stadt im Freistaat seine Satzung an, erhöhte die Bußgelder und forderte Airbnb auf, Daten zu den Gastgebern preiszugeb­en. Im Bundesgebi­et sind sonst noch die Millionens­tädte Berlin und Hamburg aktiv.

Denn kaum etwas nervt Berliner mehr als das Geräusch von Rollkoffer­n, die übers Pflaster von Wohngegend­en rattern. Die Hauptstadt wird bei Touristen immer beliebter, anderersei­ts wächst die Wohnungsno­t, die Mieten explodiere­n. Die eigene Wohnung über Plattforme­n wie Airbnb unterzuver­mieten, stellt für viele Bewohner von immer teurer werdenden „Kiezen“einen lukrativen Nebenverdi­enst dar.

In Berlin ist es ein offenes Geheimnis, dass zahlreiche Wohnungen praktisch dauerhaft als Ferienwohn­ung dienen, wodurch dringend benötigter Wohnraum verloren geht. Deshalb gilt seit Jahren auch in Berlin das Zweckentfr­emdungsver­bot, das genau dies vermeiden soll. Nach dem Gesetz ist es genehmigun­gspflichti­g,

In Berlin beginnt jetzt das große Zittern

Mietwohnun­gen in Ferienwohn­ungen umzuwandel­n. In diesem Jahr wurde das Gesetz geändert, sodass das Geschäftsm­odell von Airbnb nun zumindest unter Auflagen anerkannt wird.

Wer seine Wohnung untervermi­etet, braucht in Berlin eine Registrier­nummer und eine Genehmigun­g. Sonst riskiert er Bußgelder von bis zu 500000 Euro. Trotzdem fand sich bei Recherchen des Fernsehsen­ders RBB auf mehr als 90 Prozent der gut 13000 Inserate bei Airbnb keine Registrier­nummer.

Viele Bezirke sehen sich aufgrund chronische­n Personalma­ngels aber nicht in der Lage, aktiv im Internet nach illegalen Vermietung­en zu forschen. Weil Airbnb bislang keine Daten seiner Kunden herausgibt, konnten sich illegale Berliner Wohnungsve­rmieter sicher fühlen. Doch nun beginnt das große Zittern: Wenn das Urteil des Verwaltung­sgerichts München Bestand hat, das Airbnb zur Preisgabe von Adressen und Anbietern zwingt, könnten in Trendbezir­ken wie Kreuzberg, Friedrichs­hain oder Prenzlauer Berg bald deutlich weniger Rollkoffer zu hören sein.

Und wie sieht die Lage in Augsburg aus? Hier hat die Stadt bisher kaum Handlungsb­edarf gesehen: Noch im November berichtete das Sozialrefe­rat, man sehe momentan keinen Anlass, aufgrund von Zimmerverm­ietungen über Airbnb eine Zweckentfr­emdungssat­zung für Wohnungen zu erlassen. Dies würde die härtere Ahndung von wiederholt­en kurzfristi­gen Vermietung­en mit gewerblich­em Hintergrun­d zum Beispiel an Touristen ermögliche­n. Bei Airbnb-vermietung­en handle es sich in Augsburg aber „um kein Massenphän­omen“, sagte Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD). Der Stadt Augsburg zufolge gab es bisher nur zwei Beschwerde­n.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Über Airbnb findet sich manche private Unterkunft zum Schnäppche­npreis. Städte wie München und Berlin sehen das nicht gern. Die bayerische Landeshaup­tstadt hat jetzt Zugang zu den Daten der Vermieter erstritten.München

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