Bischof trifft auf Opfer
Erst kürzlich schockierte eine Missbrauchsstudie die Öffentlichkeit. Nun stellt sich der Würzburger Oberhirte einer Diskussion und spricht von tausenden noch nicht ausgewerteten Akten
Würzburg/augsburg Nach dem Podiumsgespräch am Mittwochabend im Würzburger Burkardushaus bestand noch lange Redebedarf. Erstmals hatte sich mit Franz Jung ein Bischof eines bayerischen Bistums einer Diskussionsrunde mit einem Missbrauchsopfer gestellt – nachdem Ende September die Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (Mhg-studie)“vorgestellt worden war.
Unter den rund 120 Anwesenden waren mehrere Missbrauchsopfer. Und diese suchten den Kontakt zu den Teilnehmern des Podiums – zu Bischof Jung, zum Betroffenen Godehard Herzberger, zu Ex-ministerin Christine Bergmann, Mitglied „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“, und zu Hans-joachim Salize. Der Mannheimer Professor gehörte zu den Autoren der Mhg-studie und stellte deren Hauptergebnisse vor: 1670 Beschuldigte, überwiegend Priester; 3677 Betroffene. Sowie: Der Missbrauch innerhalb der Kirche dauere an. Weitere Aufklärung sei nötig.
Wie das konkret aussehen kann, führte Bischof Jung aus, der überraschend erklärte: Sein Bistum werde die kirchlichen Akten über Missbrauchsvorwürfe gegenüber Klerikern der Staatsanwaltschaft übergeben – vorrangig zunächst Dokumente seit 1970. Denn diese Verdachtsfälle könnten noch nicht verjährt sein. Zudem würden tausende Akten aus dem Zeitraum von 1945 bis 2000, die noch nicht in der Mhg-studie ausgewertet wurden, von einer Anwaltskanzlei gesichtet.
„Mit dieser Entscheidung zeigt Bischof Jung als einer der Ersten absoluten Willen zur Strafverfolgung des Verbrechens der sexualisierten Gewalt“, meinte Magnus Lux von der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“. Die Bischöfe würden sich aus dem klerikalen Sumpf nicht selbst herausziehen können. „Verbrechen gehören in die Hand des Staatsanwalts.“Für Missbrauchsopfer wie Godehard Herzberger war Jungs Ankündigung die wichtigste Neuigkeit des Abends.
Auch die anderen bayerischen Bistümer gehen ähnlich vor wie das Würzburger. Das Bistum Augsburg erklärte auf Anfrage, dass es vor wenigen Tagen ein Gespräch mit der Generalstaatsanwaltschaft München gegeben habe. Nach Angaben von Bistumssprecher Karl-georg Michel haben daran Generalvikar Harald Heinrich, die unabhängige Missbrauchsbeauftragte des Bisder tums, die Rechtsanwältin Brigitte Ketterle-faber, und der frühere Richter am Oberlandesgericht München, Manfred Prexl, teilgenommen. Prexl gehörte zu einem Rechercheteam, das im Bistum mit der Durchsicht von Akten für die Mhg-studie befasst war.
Er sei beauftragt worden, alle im Rahmen dieser Studie erfassten Missbrauchsfälle zusammenzustellen – für die Studie waren sie anonymisiert worden. „Die Ausführungen werden dabei so exakt wie möglich sein, um der Generalstaatsanwaltschaft eine Prüfung der strafrechtlichen Relevanz zu ermöglichen“, so Michel. Man gehe davon aus, dass dann die je örtlich zuständige Staatsanwaltschaft tätig werde. „Sollte im weiteren Verlauf eine ausführlichere Akteneinsicht erforderlich sein, wird diese der Staatsanwaltschaft wie schon bisher vollumfänglich gewährt werden.“