Debakel bei der „chinesischen Armee“
Eishockey Zu viel Respekt, Beruhigungsmittel im Pausentee oder doch einfach nur ein übermächtiger Gegner? Der ERC Ingolstadt kommt in Mannheim mit 2:7 unter die Räder
Mannheim/Ingolstadt Die Schultern hingen tief, die Schlittschuhe glitten nur noch langsam über das Eis, keine Aussicht auf Puckbesitz. Während sich die Panther ihrem Schicksal ergaben, ließen die Adler Mannheim die letzten Sekunden entspannt ausklingen: rückwärts fahrend, mit Kringeln und Kreiseln, ein siegessicherer Blick auf die Stadionuhr (sie zeigte 7:2) und dann, noch vor der Schlusssirene, ab in den Gratulationsschwitzkasten von Torhüter Dennis Endras. Es war ein Zurschaustellen absoluter Überlegenheit.
ERC Ingolstadts Trainer Doug Shedden hatte solch ein Symbolbild bereits vor der Partie an die Wand gemalt: „Sie sind wie die chinesische Armee. Sie haben viele Männer“, sagte er angesichts des tief besetzten Mannheimer Kaders, den auch den Ausfall einer Handvoll Schlüsselspieler nicht sonderlich schmerzte. Vielleicht war der Respekt vor dem Gegner letztlich zu groß, vielleicht der Pausentee zu beruhigend, vielleicht die Ausgangslage angesichts von 51 Pleiten in 79 Duellen mit Mannheim ohnehin entmutigend. Man konnte viel sinnieren, aber letztlich kreuzten sich die Gedankenstränge stets an einem Punkt: Am Ende dieses Sonntagnachmittags reichte die Leistung des ERCI vor allem defensiv nicht gegen einen unverschämt effektiven Meisterschaftsfavoriten.
Dabei war Ingolstadt mutig gestartet: Brett Olson war frei durch, wurde regelwidrig am Abschluss gestört, setzte den fälligen Penalty aber über das Tor (3.). Die Gäste ließen Mannheim anlaufen, erspiel- ten sich mit ihrem überfallartigen Umschaltspiel gar ein leichtes Chancenplus – und doch waren es die Adler, die per Konter trafen. Ville Koistinen traf an der gegnerischen blauen Linie den Puck nicht richtig. Im Gegenzug verlud Luke Adam den Ingolstädter Schlussmann Jochen Reimer, der nach fünf Partien auf der Ersatzbank wieder zwischen die Pfosten rückte.
Auch sonst improvisierte Shedden: Für Sean Sullivan (Sprunggelenk), Laurin Braun (angeschlagen) und Tim Wohlgemuth (stieg am Wochenende mit der U-20-Nationalmannschaft in die Top-Division auf) rückten Joachim Ramoser und Petr Taticek wieder in den Kader und Ville Koistinen zurück vom Sturm in die Verteidigung. Und die sah in der Folge gar nicht gut aus. Sowohl Phil Hungerecker (21.) als auch Ben Smith (22.) konnten in aller Ruhe per Nachschuss einnetzen nach nur 99 gespielten Sekunden im zweiten Abschnitt stand es plötzlich 3:0 für Mannheim. Und als Chad Kolarik in doppelter Überzahl den vierten Treffer besorgte (34.), da erschien „die chinesische Armee“tatsächlich wie eine unbezwingbare Übermacht. Ein feiner Beinschuss von David Elsner und ein echtes Pfund von Thomas Greilinger innerhalb von nur 39 Sekunden (37./38.) ließen kurz schöne Erinnerungen für den Außenseiter wieder aufleben: Mitte November hatte der ERCI einen 0:3-Rückstand gegen Mannheim noch gedreht. Doch daraus wurde nichts.
Erneut verschliefen die Panther den Drittelstart komplett. Mark Katic ließ Ingolstadts Abwehr (inklusive Reimer) mit einem Solo ganz schlecht aussehen (41.), Marc Eisenschmid erhöhte kurz darauf nach einem unnötigen Scheibenverlust der Panther auf 6:2 (42.). „Wir haben schon in Krefeld zu viele Chancen zugelassen“, sagte Panther-Verteidiger Benedikt Kohl. „Mannheim hat das eiskalt bestraft.“Auch wenn Maury Edwards (50.) und Taticek (54.) noch jeweils den Pfosten trafen, die Partie war gelaufen - und der Frust musste raus. Tyler Kelleher (schoss dem Schiedsrichter eine Scheibe hinterher) und Colton Jobke (prügelte sich mit Janik Möser) erhielten beide Disziplinarstrafen und bekamen das finale 7:2 von Garrett Festerling (55.) wohl nur noch unter der Dusche zu hören.
ERC Ingolstadt Reimer – Edwards, Jobke; Kohl, Koistinen; Friesen, Wagner; Schütz – Garbutt, Olson, Mashinter; Collins, Cannone, Elsner; D’Amigo, Olver, Kelleher; Greilinger, Taticek, Ramoser – Tore 1:0 Adams (8.), 2:0 Hungerecker (21.), 3:0 Smith (22.), 4:0 Kolarik (34./PP2), 4:1 Elsner (37.), 4:2 Greilinger (38.), 5:2 Katic (41.), 6:2 Eisenschmid (42.), 7:2 Festerling (55.) – Zuschauer 9243