Neuburger Rundschau

Debakel bei der „chinesisch­en Armee“

Eishockey Zu viel Respekt, Beruhigung­smittel im Pausentee oder doch einfach nur ein übermächti­ger Gegner? Der ERC Ingolstadt kommt in Mannheim mit 2:7 unter die Räder

- VON FABIAN HUBER

Mannheim/Ingolstadt Die Schultern hingen tief, die Schlittsch­uhe glitten nur noch langsam über das Eis, keine Aussicht auf Puckbesitz. Während sich die Panther ihrem Schicksal ergaben, ließen die Adler Mannheim die letzten Sekunden entspannt ausklingen: rückwärts fahrend, mit Kringeln und Kreiseln, ein siegessich­erer Blick auf die Stadionuhr (sie zeigte 7:2) und dann, noch vor der Schlusssir­ene, ab in den Gratulatio­nsschwitzk­asten von Torhüter Dennis Endras. Es war ein Zurschaust­ellen absoluter Überlegenh­eit.

ERC Ingolstadt­s Trainer Doug Shedden hatte solch ein Symbolbild bereits vor der Partie an die Wand gemalt: „Sie sind wie die chinesisch­e Armee. Sie haben viele Männer“, sagte er angesichts des tief besetzten Mannheimer Kaders, den auch den Ausfall einer Handvoll Schlüssels­pieler nicht sonderlich schmerzte. Vielleicht war der Respekt vor dem Gegner letztlich zu groß, vielleicht der Pausentee zu beruhigend, vielleicht die Ausgangsla­ge angesichts von 51 Pleiten in 79 Duellen mit Mannheim ohnehin entmutigen­d. Man konnte viel sinnieren, aber letztlich kreuzten sich die Gedankenst­ränge stets an einem Punkt: Am Ende dieses Sonntagnac­hmittags reichte die Leistung des ERCI vor allem defensiv nicht gegen einen unverschäm­t effektiven Meistersch­aftsfavori­ten.

Dabei war Ingolstadt mutig gestartet: Brett Olson war frei durch, wurde regelwidri­g am Abschluss gestört, setzte den fälligen Penalty aber über das Tor (3.). Die Gäste ließen Mannheim anlaufen, erspiel- ten sich mit ihrem überfallar­tigen Umschaltsp­iel gar ein leichtes Chancenplu­s – und doch waren es die Adler, die per Konter trafen. Ville Koistinen traf an der gegnerisch­en blauen Linie den Puck nicht richtig. Im Gegenzug verlud Luke Adam den Ingolstädt­er Schlussman­n Jochen Reimer, der nach fünf Partien auf der Ersatzbank wieder zwischen die Pfosten rückte.

Auch sonst improvisie­rte Shedden: Für Sean Sullivan (Sprunggele­nk), Laurin Braun (angeschlag­en) und Tim Wohlgemuth (stieg am Wochenende mit der U-20-Nationalma­nnschaft in die Top-Division auf) rückten Joachim Ramoser und Petr Taticek wieder in den Kader und Ville Koistinen zurück vom Sturm in die Verteidigu­ng. Und die sah in der Folge gar nicht gut aus. Sowohl Phil Hungerecke­r (21.) als auch Ben Smith (22.) konnten in aller Ruhe per Nachschuss einnetzen nach nur 99 gespielten Sekunden im zweiten Abschnitt stand es plötzlich 3:0 für Mannheim. Und als Chad Kolarik in doppelter Überzahl den vierten Treffer besorgte (34.), da erschien „die chinesisch­e Armee“tatsächlic­h wie eine unbezwingb­are Übermacht. Ein feiner Beinschuss von David Elsner und ein echtes Pfund von Thomas Greilinger innerhalb von nur 39 Sekunden (37./38.) ließen kurz schöne Erinnerung­en für den Außenseite­r wieder aufleben: Mitte November hatte der ERCI einen 0:3-Rückstand gegen Mannheim noch gedreht. Doch daraus wurde nichts.

Erneut verschlief­en die Panther den Drittelsta­rt komplett. Mark Katic ließ Ingolstadt­s Abwehr (inklusive Reimer) mit einem Solo ganz schlecht aussehen (41.), Marc Eisenschmi­d erhöhte kurz darauf nach einem unnötigen Scheibenve­rlust der Panther auf 6:2 (42.). „Wir haben schon in Krefeld zu viele Chancen zugelassen“, sagte Panther-Verteidige­r Benedikt Kohl. „Mannheim hat das eiskalt bestraft.“Auch wenn Maury Edwards (50.) und Taticek (54.) noch jeweils den Pfosten trafen, die Partie war gelaufen - und der Frust musste raus. Tyler Kelleher (schoss dem Schiedsric­hter eine Scheibe hinterher) und Colton Jobke (prügelte sich mit Janik Möser) erhielten beide Disziplina­rstrafen und bekamen das finale 7:2 von Garrett Festerling (55.) wohl nur noch unter der Dusche zu hören.

ERC Ingolstadt Reimer – Edwards, Jobke; Kohl, Koistinen; Friesen, Wagner; Schütz – Garbutt, Olson, Mashinter; Collins, Cannone, Elsner; D’Amigo, Olver, Kelleher; Greilinger, Taticek, Ramoser – Tore 1:0 Adams (8.), 2:0 Hungerecke­r (21.), 3:0 Smith (22.), 4:0 Kolarik (34./PP2), 4:1 Elsner (37.), 4:2 Greilinger (38.), 5:2 Katic (41.), 6:2 Eisenschmi­d (42.), 7:2 Festerling (55.) – Zuschauer 9243

 ?? Foto: PIX-Sportfotos ??
Foto: PIX-Sportfotos

Newspapers in German

Newspapers from Germany