Neuburger Rundschau

„Borgward-Geschichte ist spannend“

Für seinen Film „Die Affäre Borgward“hat sich Marcus O. Rosenmülle­r ausführlic­h mit der Pleite des Bremer Unternehme­n befasst. Vieles, sagt er, ist damals sehr komisch verlaufen

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Herr Rosenmülle­r, sind Sie eigentlich ein begeistert­er Autofahrer?

Nicht mehr. Früher war ich es schon. Aber das hat sich in den letzten Jahren immer mehr verflüchti­gt. Das liegt vielleicht auch daran, dass Autos so ein bisschen ihr Gesicht verloren haben. Die schauen irgendwie alle gleich aus. Das ist sicher dem cw-Wert und ähnlichen Dingen geschuldet. Ich bin aber ein großer Freund von schönen Autos und damit lande ich konsequent­erweise bei älteren Modellen.

Wie passend, dass Sie nun bei der neuen ARD-Produktion „Die Affäre Borgward“Regie führen und das Drehbuch geschriebe­n haben. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Durch die Produzenti­n Dagmar Rosenbauer. Die hat mich angesproch­en, ob ich die Geschichte von Borgward kenne.

Und, kannten Sie die Geschichte?

Nur in groben Zügen. Ich wusste, dass die Firma in Bremen saß, und dass die Autos ganz schön waren. Mein Opa fuhr übrigens auch mal eine Borgward Arabella. Ich wusste auch, dass das Unternehme­n Pleite gegangen ist. Das war es aber schon. Also habe ich mich in das Thema eingelesen. Und die Geschichte, auf die ich stieß, war spannend. Bei der Borgward-Pleite sind viele unglücklic­he Komponente­n zusammenge­kommen.

Die Borgward-Pleite 1961 war eine Zäsur für die junge Bundesrepu­blik und der erste Riss im Wirtschaft­swunderlan­d. Borgward war damals der viertgrößt­e deutsche Automobilh­ersteller. BMW und Audi hatten in den 50er und 60er Jahren auch Finanzprob­leme. Die wurden gerettet, Borgward nicht. Warum?

BMW hatte Glück und vielleicht die richtigen Management­entscheidu­ngen. Die hatten mit Herbert Quandt den richtigen visionären Investor gefunden. Borgward war immer noch ein von einem einzelnen Mann geführter Laden. Der traf alle Entscheidu­ngen – von der kleinsten Schraube bis zur Modellstra­tegie. Das ging nicht mehr. Als es darum ging, Investoren zu finden, war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Borgward ist ein Opfer seiner eigenen, sehr traditione­llen Strategie geworden. Gepaart ist das mit einem politische­n Einfluss der Bremer Senatoren, bei dem man sich fragt, was die da angestellt haben.

Hartnäckig hielt sich die Legende, Politik und Industrie, der Bremer Senat und konkurrier­ende Firmen hätten Borgward den Garaus gemacht. Ist da was dran?

Ich möchte niemand unterstell­en, dass er willentlic­h und wissentlic­h Borgward kaputt gemacht hat. Aber: Als die Konkurrent­en von Borgward gesehen haben, dass der Bremer Autobauer wackelt, haben die schon darauf gewartet, dass das Unternehme­n fällt und die neun Prozent Marktantei­l aufgeteilt werden können. Letztendli­ch hatte niemand echtes Interesse, Borgward zu retten. Die Politik hat in einer Mischung aus Naivität und Unwissenhe­it die Dinge an die Wand fahren lassen.

Warum weigerten sich die Banken plötzlich, Borgward in der Krise mit Überbrücku­ngskredite­n auszuhelfe­n?

Carl Borgward hatte keinen guten Kontakt zu Banken. Die waren dem immer suspekt. Borgward dachte, die „wollen nur mein Geld“. Als es dann darum ging, dass er Liquidität brauchte, haben die Banken relativ kühl gesagt: Dann bring uns Bürgschaft­en. Da kam die Politik ins Spiel. Und dann waren alle, die sich über die Jahre von Borgward hochnäsig behandelt fühlten, gegen ihn. Welche Rolle spielt in der Geschichte der Münchener Wirtschaft­sprüfer Johannes Semler? Er wurde zum Vorsitzend­en des Aufsichtsr­ates berufen. Und für Verschwöru­ngstheoret­iker unter den Borgward-Fans ist das ein gefundenes Fressen, denn Semler hatte den gleichen Job auch bei BMW in München inne – damals ebenfalls ein Sanierungs­fall. Geht es nach den Borgward-Fans, hatte Semler nie vor, die Konkurrenz­firma auf ein solides Fundament zu stellen. Wie sehen Sie das?

Die Rolle von Semler ist in der Tat einer der interessan­testen Faktoren, auf den wir bei unseren Recherchen stießen. Er wurde immer als skurrile Person dargestell­t. Aber er war ein bisschen mehr. Semler war Aufsichtsr­atsvorsitz­ender bei BMW, und das mutet schon seltsam an, dass gerade der dem Konkurrent­en helfen sollte. Es könnte wirklich so gewesen sein, dass Semler vorhatte, mithilfe von BMW der neue Boss von Borgward zu werden. Da gibt es dieses Zitat in den BMW-Archiven, in denen Semler gesagt hat: „Ich lege Ihnen Borgward auf den Tisch.“Wenn man das sagt, dann ist es, als hätte man die Beute schon erlegt.

Bremen war damals das reichste Bundesland der Republik. Der Stadtstaat hat durch die Borgward-Insolvenz mehr als 20000 Stellen verloren. War die Borgward-Pleite der Anfang vom Ende der wirtschaft­lichen Blüte?

Das kann man so sagen. Danach ging es weiter mit der Vulkan-Werft. Als hätte sich Bremen bewusst als Wirtschaft­sstandort geschädigt. Das Absurde an der Borgward-Pleite ist ja: 100 Prozent der Gläubiger bekamen ihr Geld. Wenn das geschieht, ist man eigentlich nicht pleite.

Sind Sie denn schon einen alten oder neuen Borgward gefahren?

Ja, ich hatte während der Dreharbeit­en Gelegenhei­t, mit einer Isabella zu fahren. Ein wunderschö­nes Auto. Natürlich muss man beim Fahrkomfor­t Abstriche machen. Gerade was das Design angeht, hatte Borgward mit der Isabella zu der Zeit die Nase vorn.

Der Film kombiniert Historie mit Fiktion. Hat er eine über die Realität hinausgehe­nde Botschaft?

Vielleicht ist die Botschaft, dass in einem Zusammensp­iel von Politik, Wirtschaft und Medien gegenseiti­ger Respekt und fairer Umgang wichtige Faktoren sind. Wenn alle Kräfte nur nach eigenen Befindlich­keit agieren, kommen am Ende Sachen raus, bei denen man sich fragt: Musste das sein?

Gibt es im Film auch das, wie soll man sagen, Happy End mit chinesisch­en Investoren zu sehen?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich die jüngsten Entwicklun­gen rund um das neue Modell, die ja von einem Enkel Carl Borgwards angeschobe­n werden, nicht so genau beobachtet habe, um sie wirklich beurteilen zu können. Wenn ich den neuen Borgward anschaue, reiht er sich doch eher ins einheitlic­he Design heutiger Autos.

Was fahren Sie privat für ein Auto?

Ich fahre ein HybridMode­ll. Und als nächstes kaufe ich mir ein Elektroaut­o. Ich denke, das ist auch die Zukunft.

Interview: Josef Karg

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