Neuburger Rundschau

Ein Patenkind zu Weihnachte­n

Erwin Huber und seine Frau unterstütz­en seit Jahren Patenkinde­r, unter anderem bei der Von-Philipp-Foundation in Nepal. Warum sie das tun und wie sie auch ihren Kindern und Enkeln damit eine Freude gemacht haben

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Neuburg Kamal Bogati* schwängert seine Frau wieder und wieder. Rücksichtl­os. Er will unbedingt einen Sohn – Mädchen sind in Nepal nicht viel wert. Bei der Geburt der siebten Tochter verblutet seine Frau schließlic­h. Der Mann mutiert zum Alkoholike­r, seine sieben Töchter sind völlig auf sich allein gestellt. Im Alter von sechs Jahren kommt eines der Mädchen, Kalpana Bogati, ins Rainbow Children Home. Das ist eines von zwei Waisenhäus­ern, die die Neuburger Von-Philipp-Foundation in Nepal unterstütz­t. Und Kalpana hat Glück. Ein deutscher Pate nimmt sich ihrer an: Dr. Erwin Huber, einst Chefarzt am Neuburger Krankenhau­s.

Für Erwin Huber und seine Frau Irmtraud sind Patenschaf­ten ein wichtiges Instrument, um Kindern in Entwicklun­gsländern zu helfen. „Nur so ist einigermaß­en gewährleis­tet, dass sie eine gute Bildung erhalten, damit sie später Arbeit finden. Sonst wird das Elend immer mehr“, erklärt der ehemalige Chefarzt seine Motivation. Das Schicksal der kleinen Kalpana und ihrer Schwestern ging den Hubers so nah, dass sie später auch noch die Patenschaf­t für Kalpanas jüngere Schwester Sita übernahmen. Der älteren Schwester Tulasha, die langsam erblindet, ermöglicht­en sie eine Augenopera­tion. „Das sind ganz arme Mädchen“, erzählt Erwin Huber. Am Anfang beherrscht­en sie nicht einmal die nepalesisc­he Sprache. Sie durften nämlich keine Schule besuchen, kommunizie­rten mit niemandem. Stattdesse­n mussten sie den ganzen Tag auf der Weide das Vieh hüten. Kurz nachdem Kalpana ins Heim kam, wollte sie überhaupt nicht vor die Tür gehen. Sie hatte Angst vor Menschen und vor allen Dingen, die sie nicht kannte, wie zum Beispiel vor Fahrzeugen. Während Tulasha inzwischen in ihr Heimatdorf zurückgeke­hrt ist, blühen die anderen beiden Schwestern im Rainbow Children Home auf, berichten die Verantwort­lichen des Waisenhaus­es.

Die Hubers bekommen regelmäßig Post von Heimleiter­in Goma. Anhand von Zeugnissen und Fotos erfahren sie, welche Fortschrit­te ihre nepalesisc­hen Patenkinde­r machen und wie es ihnen geht. Erwin war aber auch schon persönlich in Pokhara, der Stadt in Nepal, in der sich die beiden Waisenhäus­er der Von-Philipp-Foundation befinden. „Die Kinder sind sehr stolz und freuen sich, wenn sie merken, dass man sich für sie interessie­rt“, erzählt der Neuburger. Tulasha zum Beispiel sei überhaupt nicht schüchtern gewesen und habe ihn gleich gefragt, ob er mit ihr tanzen wolle.

Die Hubers haben aber nicht nur für sich selbst Verträge abgeschlos­sen. 1994 haben sie ihren vier leiblichen Kindern Patenschaf­ten zu Weihnachte­n geschenkt. „Unsere hatten ja schon alles“, erklärt Irmtraud Huber. Mit den Patenkinde­rn einer lateinamer­ikanischen Organisati­on konnten die Jugendlich­en dann auf Spanisch Briefe schreiben. Mittlerwei­le hat sogar die elfjährige Enkelin der Hubers ein Patenkind aus Tahiti.

Erwin Huber weiß nur zu gut, dass es den Menschen in vielen Ländern schlechter geht als in Deutschlan­d. Deshalb unterstütz­t er nicht nur Patenkinde­r, sondern arbeitet, seit er im Ruhestand ist, außerdem für die „German Doctors“. Auch jetzt gerade ist der 75-Jährige wieHuber der mehrere Wochen für diese Organisati­on unterwegs, und zwar in Kalkutta in Indien. Während die meisten Familien in Deutschlan­d Weihnachte­n im Überfluss feiern, wird der Neuburger Arzt mit dem geballten Elend der Dritten Welt konfrontie­rt: Menschen, die an Mangelersc­heinungen fast zugrunde gehen, Mütter, die ihre Kinder absichtlic­h abmagern lassen, damit sie mit ihnen besser betteln können, und zahlreiche leidende Tuberkulos­ekranke. Zu einer einst tuberkulos­ekranken Frau, der Huber 2010 das Leben gerettet hat, pflegt er bis heuKinder te eine fürsorglic­he Beziehung. Mit Sylvia Dungdung und ihrer Familie wird der Neuburger am ersten Weihnachts­feiertag eine katholisch­e Kirche im Slum besuchen. Danach werden sie gemeinsam essen. Kurz vor dem Abflug Richtung Indien erinnert sich Erwin Huber mit einem Lächeln: „Einmal hat sie Ziegenflei­sch gekocht. Es sollte etwas Besonderes sein. Aber es war das Furchtbars­te, was ich je gegessen habe.“

*Name von der Redaktion geändert

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Kalpana wächst im Rainbow Children Home in Pokhara in Nepal auf. Dort hat sie ein neues Zuhause gefunden.
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Sita ist Kalpanas kleine Schwester und lebt ebenfalls im Rainbow Children Home. Sita kam im Alter von vier Jahren ins Heim.
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Fotos: Huber/vpf Sylvia Dungdung war an Tuberkulos­e erkrankt. Fast wäre sie daran gestorben. Die Inderin lebt mit ihrer Familie auf wenigen Quadratmet­ern.
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Dr. Erwin Huber bei einem seiner Auslandsei­nsätze.

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