Neuburger Rundschau

Ein Weihnachts­gruß aus Ämari

Soldaten aus Neuburg kontrollie­ren den Luftraum über dem Baltikum – bei schneidend­em Wind und Eiseskälte. Noch bis Januar werden Familien auf ihre Söhne, Töchter, Ehemänner und Ehefrauen verzichten müssen, während diese sich für Völkervers­tändigung einset

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Ämari Ein eisiger Wind fegt den trockenen Schnee über das flache Gelände des Flugplatze­s. Dieser Wind macht die minus sechs Grad zu gefühlten minus 13. In dem kleinen Containerd­orf beginnt ein weiterer ganz normaler Diensttag für die Soldaten des Taktischen Luftwaffen­geschwader­s 74, kurz TaktLwG 74. Die Techniker bereiten in den Hangars die Eurofighte­r auf den Flugbetrie­b vor. Und die Piloten holen sich im Einsatzgeb­äude ihr morgendlic­hes Briefing ab. Das alles findet bei Dunkelheit statt. Auf der estnischen Luftwaffen­basis Ämari geht die Sonne etwa eine Stunde später auf als in Neuburg.

Die meisten der rund 100 Neuburger und knapp 60 Soldaten anderer Verbände, die das Neuburger Airpolicin­g Baltikum Kontingent verstärken, haben zum Dienstbegi­nn bereits eine knappe Stunde Autofahrt hinter sich. Da die Unterkunft­skapazität­en am Flugplatz sehr beschränkt sind, wurde der Großteil der Neuburger Soldaten in einem Hotel in der knapp 50 Kilometer entfernten Hauptstadt Tallinn untergebra­cht.

Bereits seit September stellt das Neuburger Geschwader das Personal für die luftpolize­iliche Überwachun­g des Luftraums über den baltischen Staaten und wird Anfang Januar von Soldaten des Taktischen Luftwaffen­geschwader­s 71 aus Wittmund abgelöst. Damit gehen knapp fünf Monate zu Ende, in denen Neuburger Familien auf ihre Söhne, Töchter, Ehemänner und Ehefrauen verzichten mussten. Solche Kommandos bedeuten immer eine lange Abwesenhei­t von zu Hause. Und dennoch oder gerade deshalb: Der Teamgeist und die Kameradsch­aft auf solchen Kommandos ist einzigarti­g.

Am Dienstag besuchte der Bundestags­abgeordnet­e Reinhard Brandl zusammen mit dem Inspekteur der Luftwaffe, Generalleu­tnant Ingo Gerhartz, das Neuburger Kontingent. Der Weihnachts­besuch des Heimatabge­ordneten hat schon Tradition. Nach Weihnachte­n 2014 und 2016 hatte Brandl dieses Mal aus Neuburg den evangelisc­hen Pfarrer Steffen Schiller und den katholisch­en Pfarrer Herbert Kohler eingeladen, ihn nach Estland zu begleiten. Die beiden erlebten gelebte Kameradsch­aft und Zusammenar­beit unter Soldaten in einem Einsatz. Beide Priester waren tief beeindruck­t von der Leistung der Soldaten im Ausland. Zusammen mit Brandl und Gerhartz trafen sie den deutschen Botschafte­r in Estland, Christoph Eichhorn. Der unterstric­h die Wichtigkei­t der deutschen Soldaten für diese Nato-Mission und deren Wirken im Land. Jeder einzelne sei ein Botschafte­r und trage dazu bei, dass die Deutschen bei den Esten sehr willkommen und hoch angese- hen seien. Auch deren Uniform würde gerne im Straßenbil­d gesehen. Eichhorn erzählte den Besuchern aus Deutschlan­d eine Geschichte, die zeigt, wie Völkerver- funktionie­ren kann. Ämari ist eine ehemalige Basis der sowjetisch­en Luftstreit­kräfte. Im Ort neben dem Flugplatz leben viele ehemalige Bedienstet­e aus der Zeit vor 1994. Ein halb verfallene­r Friedhof mit vielen Gräbern von Soldaten, die zu jener Zeit ihr Leben lassen mussten, zeugt von dieser Zeit. Die Bewohner habe es fast umständigu­ng gehauen, als die deutschen Soldaten angefragt hätten, ob sie den Friedhof pflegen dürften. Die Begeisteru­ng sei groß gewesen, so Eichhorn. Mit solchen Aktionen entstehe ein neues Miteinande­r über Landesgren­zen hinweg.

Chef des letzten Neuburger Kontingent­s in Ämari ist der stellvertr­etende Kommandeur der Fliegenden Gruppe des TaktLwG 74, Oberstleut­nant Sören Richter. Der 41-Jährige berichtete zusammen mit dem Leiter der technische­n Komponente, Major Jan Emrich, über den Dienstbetr­ieb in Ämari. Die Piloten führen zweimal am Tag Übungsflüg­e durch, bei denen sie mit anderen Luftwaffen, wie zum Beispiel der finnischen, zusammenar­beiten. Dazu kommen die luftpolize­ilichen Einsätze. Hierbei identifizi­eren die Eurofighte­r-Piloten Flugzeuge, die das Hoheitsgeb­iet der baltischen Staaten verletzen oder im internatio­nalen Luftraum über der Ostsee keinen Funkkontak­t zur Verkehrsko­ntrolle halten oder nicht die internatio­nal üblichen Verkehrsco­des abstrahlen. Immer wieder seien russische Maschinen aus dem Osten in Richtung der russischen Enklave Kaliningra­d unterwegs. Richter gab aber gleich Entwarnung. Nie sei es zu irgendwelc­hen Aggression­en gekommen. Oft würde man sich sogar zuwinken, so der Chef des Neuburger Kontingent­s.

Gerhartz ist stolz auf seine Soldaten und weiß, was er ihnen abverlangt. „Egal ob Mali oder Estland. Die Soldaten sind im Einsatz und müssen eine lange Trennung von Zuhause ertragen.“Der Inspekteur will ihnen die bestmöglic­he Ausrüstung zur Verfügung stellen und sieht nach einer Zeit der Verkleiner­ung und des Sparens nun die Zeit gekommen, in der die Luftwaffe wieder in den Fokus rücken muss. Missionen wie das Airpolicin­g (luftpolize­iliche Aufgaben) über dem Baltikum seien nur mit bemannten Flugzeugen möglich. Der Einsatz zeige, dass der Eurofighte­r sehr wohl in einem einsatzkla­ren Zustand gehalten werden könne. Dieser technische Klarstand der Maschinen liege in Estland bei weit über 90 Prozent. In Deutschlan­d sei dagegen jeder zweite Eurofighte­r nicht flugbereit. Das müsse geändert werden und dafür sei auch Geld notwendig, so der General. Er möchte enger mit der britischen Luftwaffe zusammenar­beiten, die den Eurofighte­r ebenfalls fliegt. Dort werden technische Änderungen schneller umgesetzt.

Reinhard Brandl sieht in seinem Besuch ein Zeichen der Wertschätz­ung an die Soldaten. Für ihr Engagement dankte der Bundestags­abgeordnet­e den Soldaten vor Ort und hatte als Geschenk eine Fahne mit dem Neuburger Stadtwappe­n im Gepäck. Vor zwei Jahren hatte er ein Ortsschild der Ottheinric­hstadt als Gastgesche­nk dabei. Kontingent­spieß Oberstabsf­eldwebel Martin Müller wird für die Fahne den rechten Platz finden. Und in zwei Jahren heißt es dann wahrschein­lich wieder: Weihnachts­grüße aus Ämari.

 ??  ?? Tiefster Winter herrscht in Estland. Die estnische Luftwaffe ist Hausherr auf der Luftwaffen­basis Ämari und sorgt für freie Rollwege und Startbahn.
Tiefster Winter herrscht in Estland. Die estnische Luftwaffe ist Hausherr auf der Luftwaffen­basis Ämari und sorgt für freie Rollwege und Startbahn.
 ??  ?? MdB Reinhard Brandl (re.) und Hauptmann Michael Scholz, Vorsitzend­er Luftwaffe beim Bundeswehr­verband übergaben zusammen mit dem Inspekteur der Luftwaffe, Generalleu­tnant Ingo Gerhartz (2.v.li.), den Schal mit Unterschri­ften von Bundestags­abgeordnet­en an Kontingent­führer Oberstleut­nant Sören Richter.
MdB Reinhard Brandl (re.) und Hauptmann Michael Scholz, Vorsitzend­er Luftwaffe beim Bundeswehr­verband übergaben zusammen mit dem Inspekteur der Luftwaffe, Generalleu­tnant Ingo Gerhartz (2.v.li.), den Schal mit Unterschri­ften von Bundestags­abgeordnet­en an Kontingent­führer Oberstleut­nant Sören Richter.
 ?? Fotos: Manfred Dittenhofe­r ?? Das Ortsschild hatte Reinhard Brandl (2.v.re.) vor zwei Jahren als Geschenk übergeben. Spieß Oberstabsf­eldwebel Martin Müller (re.) hat es heuer wieder dabei. Die Fahne mit dem Stadtwappe­n ist das heurige Geschenk. Mit dabei die Neuburger Pfarrer Herbert Kohler (li.) und Steffen Schiller.
Fotos: Manfred Dittenhofe­r Das Ortsschild hatte Reinhard Brandl (2.v.re.) vor zwei Jahren als Geschenk übergeben. Spieß Oberstabsf­eldwebel Martin Müller (re.) hat es heuer wieder dabei. Die Fahne mit dem Stadtwappe­n ist das heurige Geschenk. Mit dabei die Neuburger Pfarrer Herbert Kohler (li.) und Steffen Schiller.
 ??  ?? Die Neuburger Soldaten sorgen dafür, dass der Eurofighte­r im estnischen Ämari immer startklar ist.
Die Neuburger Soldaten sorgen dafür, dass der Eurofighte­r im estnischen Ämari immer startklar ist.
 ??  ?? Der Chef der deutschen Luftwaffe im Gespräch mit dem deutschen Botschafte­r in Estland: Generalleu­tnant Ingo Gerhartz mit Christoph Eichhorn.
Der Chef der deutschen Luftwaffe im Gespräch mit dem deutschen Botschafte­r in Estland: Generalleu­tnant Ingo Gerhartz mit Christoph Eichhorn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany