Wo sind meine Geschwister?
Martina Pfannschmidt wurde vor 49 Jahren gleich nach ihrer Geburt zur Adoption freigegeben. Sie hat sechs oder sieben Brüder und Schwestern, die sie nie gesehen hat. Seit Jahren sucht sie nach ihnen und vermutet sie im Raum Donauwörth
Donau-Ries Woher komme ich? Wohin reichen meine Wurzeln? Wer gehört zu mir? Und warum bin ich so, wie ich bin? – Fragen wie diese beschäftigen wohl die meisten Menschen irgendwann im Laufe ihres Lebens. Familie und Herkunft sind wesentliche Teile der eigenen Identität. Auch Martina Pfannschmidt macht sich Gedanken darüber, grübelt, wem sie wohl ähnlich sieht, wer ihr die eine oder andere Charaktereigenschaft vererbt hat und wo es Menschen gibt, die dieselben Gene im Blut haben wie sie.
„Ich bin ein blonder, blasser Typ und ein bisschen eigen. Ziemlich burschikos. Von wem hab ich das wohl?“, überlegt die 49-Jährige etwa. Sie, die als Fernfahrerin durch Süd- und Osteuropa bis Afrika für Speditionen unterwegs war, die große Autotransporter gelenkt hat, heute für einen Sicherheitsdienst arbeitet und mit viel Leidenschaft Texte verfasst, will sich mit all diesen Merkmalen einordnen können in ein familiäres Gefüge.
Fragen über Fragen tauchen da auf – doch für Martina Pfannschmidt gibt es keine Antworten. Sie wuchs bei Adoptiveltern auf und sehnt sich bis heute danach, mehr über ihre leibliche Familie zu erfahren. Sie lebt seit ein paar Jahren in der hessischen Stadt Friedrichsdorf im Taunus, rund 20 Kilometer nördlich von Frankfurt. Ursprünglich aber stammt sie aus Herrenberg, etwa 30 Kilometer südwestlich von Stuttgart gelegen. Von dort aus ist ihre Mutter – es muss um das Jahr 1969 gewesen sein – mit fünf Kindern nach Donauwörth gezogen. Ohne Martina. Denn die gab sie zur Adoption frei.
„Meine Kindheit war völlig normal, war für mich in Ordnung“, sagt Martina Pfannschmidt, wenn sie an die frühen Jahre ihres Lebens zurückdenkt. Sie wusste lange nicht, dass die Menschen, zu denen sie Mama und Papa sagte, nicht die wa- die sie gezeugt und geboren hatten. Und sie vermisste auch nichts, „denn für mich ist eine Mutter diejenige, die bei mir am Bett sitzt und sich um mich sorgt, wenn ich krank bin“. Als Martina zwei Jahre alt war, starb ihr Adoptivvater und ließ sie zusammen mit einem weiteren Adoptivbruder und der Adoptivmutter zurück. In einem 1000-Seelen-Dorf, in dem sie sich trotz sehr strenger Erziehung frei und unbeschwert fühlte.
Von ihrer Adoption hat ihr nie jemand erzählt. Nicht ihre Mama, die ihr etwa in einem vertrauten Moment liebevoll die wahren Umstände hätte schildern können. Und auch sonst keiner. Einzelne Situationen aber haben zumindest eine Ahnung in ihr geweckt, dass etwas mit ihr „anders“ist. „Ich hab irgendetwas gespürt“, beschreibt Martina. „Aber ich wusste dieses Gefühl nicht zu greifen und schon gar nicht hätte ich es in Worte fassen können.“Was es war, wurde ihr erst mit zwölf Jahren bewusst, als sie zufällig ein Telefonat ihrer Mama hörte, in dem von ihrer Adoption die Rede war.
Doch auch dann wurde kein großes Thema daraus gemacht. „Es war für mich in Ordnung, so wie es war“, schildert die heute 49-Jährige ganz pragmatisch und erklärt zum besseren Verständnis: „Ich bin ein eher introvertierter Mensch und war damals noch ein verstocktes, pubertierendes Kind. Ich hab das alles mit mir selbst ausgemacht.“
Sechs Jahre gelang es ihr, darüber zu schweigen, dann aber brach die Wahrheit aus ihr heraus. „Ich war 18, als es einen fürchterlichen Krach zwischen mir und meiner Mama gab“, erinnert sie sich. „Da hab ich ihr im Zorn an den Kopf geworfen, dass ich eh ein Adoptivkind bin.“Ihre Mama reagierte mit einem halben Nervenzusammenbruch, der Martina erkennen ließ, wie viel Kraft es sie gekostet haben musste, all die Jahre dieses Geheimnis zu hüten. „Als wir uns wieder vertragen haben, haben wir den Faden nie wieder aufgenommen. Und da ich ihr nicht wehtun wollte, hab ich beschlossen, nie nach meinen leiblichen Verwandten zu suchen, solange sie lebt.“
Im Februar 2002 starb Martina Pfannschmidts Adoptivmutter und noch im selben Jahr machte sie sich auf Spurensuche in ihre Vergangenheit. Erste Anlaufstelle war das Jugendamt für den Landkreis Böblinren, gen, wo auch ihr Geburtsort liegt. „Ich hab mir keine großen Hoffnungen gemacht, dass es dort noch Unterlagen von damals gibt“, sagt sie. Doch sie sollte sich täuschen. Direkt vor Ort erfuhr Martina Pfannschmidt, dass sie sechs oder sieben Geschwister hat.
Und die Sachbearbeiterin konnte ihr tatsächlich noch einen Schritt weiterhelfen. „Sie durfte mir zwar Namen und Adresse meiner leiblichen Mutter nicht nennen, versprach mir aber, sie über meine Nachforschungen zu informieren und zu fragen, ob sie Kontakt zu mir haben möchte.“
Es dauerte nicht lange, da läutete bei Martina Pfannschmidt und ihrer Lebensgefährtin zu Hause das Telefon. Der Anruf kam aus Donauwörth. Am anderen Ende war – Martinas Mutter. Die anfängliche Freude der Tochter wich zunehmend einem Gefühl der Befremdung: „Sie erzählte mir gleich eine rührselige Geschichte, warum sie mich damals weggegeben hätte, angeblich wollte mich mein Vater nicht haben. Aber es blieb nicht bei dieser Geschichte. Im Laufe etlicher Telefonate, die wir in Folge führten, tischte sie mir immer neue Varianten auf und widersprach sich ständig. Auch hat sie an meinen Geschwistern kaum ein gutes Haar gelassen.“Etwa ein Jahr lang dauerte dieser Kontakt zur leiblichen Mutter, der für Martina Pfannschmidt keine Antworten brachte, sondern die Rätsel um ihre Herkunft eher noch größer machte.
Weder erfuhr sie Namen oder andere Details zu ihren Geschwistern, noch brachten die Gespräche Licht ins Dunkel über ihren leiblichen Vater. „Das hat mir besonders zu schaffen gemacht“, gibt Martina zu. „Denn da ich ja so gut wie ohne Vater aufgewachsen bin, hat er mir besonders gefehlt. Ein Vater wäre für mich das Wichtigste gewesen.“
Nach einem Jahr ließ Martina den Kontakt abreißen. Umso mehr sehnt sie sich danach, andere Angehörige zu finden. Sie soll angeblich fünf Schwestern und zwei Brüder haben – fünf von ihnen müssen älter als sie selbst sein, also älter als 49, vermutlich aber jünger als Mitte, Ende 60. Einige könnten auch heute noch im Raum Donauwörth leben.
Solange ihre Adoptivmutter lebte, suchte sie nicht nach Verwandten
OInfo Falls Sie sich angesprochen fühlen oder glauben, Hinweise auf Martina Pfannschmidts Geschwister oder ihren Vater geben zu können, nehmen Sie bitte Kontakt zur Redaktion der Donauwörther Zeitung auf (Telefon 0906/7806-38, E-Mail: redaktion@donauwoerther-zeitung.de). Wir leiten Ihre Mails oder Kontaktdaten gerne weiter.