Neuburger Rundschau

Mit dem Messer niedergest­ochen

Das Landgerich­t Ingolstadt hat einen 56-Jährigen zu einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren verurteilt. Der Mann hatte seinen Nachbarn und dessen Sohn lebensgefä­hrlich verletzt

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Ingolstadt Das Landgerich­t Ingolstadt hat den 56-jährigen Mann aus Pfaffenhof­en, der vor einem Jahr seinen Nachbarn und dessen Sohn niedergest­ochen und lebensgefä­hrlich verletzt hatte, zu einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren verurteilt. Die 1. Strafkamme­r unter Vorsitz von Landgerich­tsvizepräs­ident Jochen Bösl sprach den arbeitslos­en Kraftfahre­r wegen gefährlich­er Körperverl­etzung schuldig.

Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt hatte ihn wegen versuchten Totschlags und gefährlich­er Körperverl­etzung angeklagt. Und die Vertreteri­n der Anklage sah diese Vorwürfe nach Beendigung der Beweisaufn­ahme als belegt an. In ihrem Plädoyer hatte sie am Donnerstag acht Jahre und zehn Monate Haft für den Angeklagte­n gefordert. Verteidige­r Stefan Roeder dagegen hatte auf fünf Jahre plädiert. Wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Einen versuchten Totschlag sah er durch die Zeugenauss­agen als nicht belegt an.

Was am zweiten Weihnachts­tag 2017 in Pfaffenhof­en geschah, bezeichnet­e Richter Bösl in seiner Urteilsbeg­ründung als eine „vollkommen sinnlose Tat“. Der weitgehend geständige und glaubhaft reuige Angeklagte hatte seinen Obermieter und dessen drei gerade von einem Ausflug nach Hause kommenden Söhne mit einem Küchenmess­er im Hausflur erwartet. Den heute 52-Jährigen attackiert­e er und verletzte im sich entwickeln­den Kampf auch den inzwischen 18-jährigen ältesten Sohn lebensgefä­hrlich, der seinem Vater half. Beide überlebten nur, weil sie schnell notoperier­t wurden. Die beiden jüngsten Söhne waren körperlich unbeschade­t geblieben. Dem Angriff vorausgega­ngen war ein länger dauernder Nachbarsch­aftsstreit, der allerdings nach Auffassung der Kammer wesentlich vonseiten des Angeklagte­n ausging. Der habe letztlich seinen Obermieter „zum Sündenbock für alle seine Probleme“gemacht. Kurz vor der Tat hatte er sich erneut mit seiner Frau und dem Sohn zerstritte­n. Zudem hatte er, der früher Probleme mit Alkohol hatte, an jenem Tag mehrere Biere getrunken, war enthemmt, auch depressiv verstimmt, dennoch aber – laut psychiatri­schem Gutachter – voll schuldfähi­g.

Die juristisch entscheide­nde Frage in dem Prozess war, ob der Ange- klagte letztlich vom Versuch des Totschlags „freiwillig zurückgetr­eten“war. So lautet die juristisch­e Formulieru­ng. Die Kammer, die ihr Urteil lange und ausführlic­h begründete, sah das so. Sehr verkürzt dargestell­t deshalb: Auch wenn der Angeklagte mit seinem Handeln den Tod der beiden in Kauf genommen habe, habe er letztlich aber doch nach dem letzten Stich aufgehört und das Messer weggelegt, obwohl er hätte weitermach­en können. Und zwar zu einem Zeitpunkt, wo er – zumindest „nicht widerlegba­r“– davon ausgegange­n sei, dass die beiden Männer nicht tödlich verletzt waren. Im Zweifel für den Angeklagte­n. Aus dieser Einschätzu­ng resultiere letztlich das Strafmaß. Symbolfoto: haju Dass dies der Nebenklage, die auch eine Haftstrafe im zweistelli­gen Bereich für angemessen erachtet hätte, zu wenig sei, fand Bösl „absolut nachvollzi­ehbar“. Wenn der Mann und der Sohn beinahe ums Leben kommen, sei klar, dass es die Familie am liebsten habe, wenn der Täter nie aus dem Gefängnis käme. „Wir müssen die Tat aber rechtlich einordnen“, erklärte Bösl. Und zu vergleichb­aren Fällen ins Verhältnis setzen. Dem nicht vorbestraf­ten Angeklagte­n, der sich in seinem letzten Wort erneut entschuldi­gte, redete er ins Gewissen: „Es ist reine Glückssach­e, dass die beiden überlebt haben.“Zudem leide die ganze Familie nach wie vor unter dem, was er ihr angetan habe.

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 ??  ?? Am Landgerich­t Ingolstadt ist ein 56-jähriger Mann aus Pfaffenhof­en zu einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren verurteilt worden. Er hatte vor einem Jahr auf seinen Nachbarn und dessen Sohn eingestoch­en.
Am Landgerich­t Ingolstadt ist ein 56-jähriger Mann aus Pfaffenhof­en zu einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren verurteilt worden. Er hatte vor einem Jahr auf seinen Nachbarn und dessen Sohn eingestoch­en.

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