Warme Winter stören den Rhythmus der Igel
Tierwelt Elke Schroll betreibt seit fast 30 Jahren im Aichacher Stadtteil Oberbernbach eine ehrenamtliche Igelstation und hat viel zu tun. Warum wegen der langen und heißen Sommer die „stachligen Gäste“immer mehr werden
Aichach-Oberbernbach Im Keller von Elke Schroll stapeln sich entlang der Wand Käfige. Käfige in der Größe eines Hasenstalls, teilweise verhängt mit Pappe und ausgelegt mit Zeitungspapier. Doch hier tummeln sich keine Mümmler, sie päppelt in ihrem Haus im Aichacher Stadtteil Oberbernbach Igel auf. Und das schon seit 28 Jahren.
Heute ist die studierte Sozialwirtin Fachfrau und kennt sich bestens mit den stachligen Wildtieren aus. Doch das war nicht immer der Fall. Als Elke Schroll mit ihrer Igelberatungsstelle begann, wusste sie nicht besonders viel über die Tiere. Ihr Wissen hat sie sich über die Jahre selbst angeeignet. Dazu hat sie sich einige wichtige Kontakte aufgebaut. Schroll: „Ich arbeite eng mit einer Aichacher Tierarztpraxis zusammen, stehe im Kontakt mit der Veterinärmedizin der Universität und bin bei dem Tierschutzverein Pro Igel aktiv.“Durch ihre Arbeit hat Schroll sich inzwischen einen Ruf weit über die Stadtgrenzen hinaus erarbeitet. Sogar aus München hatte sie schon ein stachliges Findelkind auf Zeit. Auch ein Notfall aus Landsberg ist ihr gut im Gedächtnis geblieben. „Einmal kam ein Igel mit gerade einmal 21 Gramm zu mir“, erzählt sie. Bei so kleinen Tieren sei es wichtig, schnell zu handeln. Denn so unterernährt könnten sie weder die nächsten Tage noch den Winter alleine jemals überleben. Außerdem ist hier Fachwissen über Igel nötig.
Die Arbeit mit den Igeln ist zeitintensiv, es geht nicht ohne Unterstützung: Ihr Mann halte ihr den Rücken frei, damit genug Zeit für die Pflege der Igel bleibe, erzählt Schroll. „Mein Tag hat aktuell 48 Stunden“, scherzt sie. 15 Minuten pro Igelbox müsse sie einrechnen. 22 Igel leben aktuell bei ihr – also ein Zeitaufwand von über fünf Stunden allein für die Reinigung der Käfige. Hinzu kommen Beratungsgespräche mit den Igelfindern. Obwohl immer mehr Tiere zu ihr gebracht werden, möchte Elke Schroll ihre Beratungsstelle nicht weiter ausbauen.
In ihrer Arbeit mit den Tieren ist Schroll sehr akribisch, dokumentiert jedes Tier und jede Behandlung. Nur so kann sie den Überblick behalten. An der Wand reihen sich Ordner um Ordner und belegen ihr jahrelanges Engagement für die Tiere. Seit September hatte sie bereits 87 Igel in ihrer Obhut. In ihrem ersten Jahr fing sie mit 25 Igeln an, inzwischen pflegt sie „durchschnittlich 130 bis 150 Tiere pro Jahr“. An der gestiegenen Anzahl pflegebedürftiger Igel habe auch der Klimawandel Mitschuld, erzählt sie. Durch die warmen Winter und früh einsetzende Wärme im April verändere sich der Rhythmus der Igel. „Wegen des heißen Sommers ging die Paarungszeit nicht, wie normal, bis August, sondern bis in den September hinein“, sagt Elke Schroll. Sie vermutet, dass sich der Zyklus dadurch nach hinten verschiebe und der Nachwuchs später im Jahr geboren werde. „Normalerweise werden die Igel im Oktober bei mir abgegeben, dieses Jahr kamen noch im November untergewichtige Tiere.“Die Gefahr für die Nachzügler liegt in der Nahrungsknappheit im November. Hinzu kommt, dass durch die milden Temperaturen Igel über den Winter nicht tief genug schlafen. Dadurch verbrauchten sie mehr Energie und wachten im Frühjahr geschwächt auf, erklärt Schroll.
Nicht nur die zu warmen Temperaturen im Herbst führen zu den vielen Findelkindern bei der Igelexpertin. Auch die veränderten Gärten, vielen Straßen, verschmutzten Flächen und Monokulturen schränken den natürlichen Lebensraum der Igel stark ein. Andererseits lobt die Oberbernbacherin aber auch den Umgang mit Wildtieren: „Die Menschen sind inzwischen viel sensibler.“
Schroll ist die Gesundheit ihrer tierischen Gäste wichtig. Ablehnen würde sie einen pflegebedürftigen Igel daher nicht. Weil für Medikamente und Futter für die Tiere einiges an Kosten anfällt, bittet sie die Finder, sich daran mit 50 Euro zu beteiligen. Das deckt ihr zufolge nicht einmal die Hälfte der Ausgaben, die sie privat finanziert. Manche reagierten dennoch überrascht.
Manche Finder muss Schroll auch darauf aufmerksam machen, dass sie kein Tierheim oder Auffangstation ist. „Es kommt schon vor, dass ich die Besitzer erinnern muss, ihren Igel im Frühjahr wieder abzuholen.“Lieber wäre ihr, die Finder würden die Tiere nach einer umfassenden Aufklärung bei sich daheim pflegen und überwintern. „Natürlich stehe ich bei Fragen immer bereit und helfe, wo ich kann“, beteuert sie. Sobald der Igel schlafe, sei die Arbeit sehr überschaubar. Man müsse nur regelmäßig prüfen, ob er weiter schläft.
Dennoch landen zusätzlich zu den kranken Igeln weitere Tiere bei ihr, wenn die Finder sich nicht um sie kümmern können oder wollen. Allerdings hat die Oberbernbacherin nur zehn Boxen, die sich für den Winterschlaf eignen. Sie befinden sich im Garten, da Igel niedrige Temperaturen benötigen. Die Räume im Haus seien dafür zu warm. Freuen würde sich Elke Schroll deshalb, wenn sich für einige Tiere Paten finden würden. „Ich wäre sehr dankbar, wenn jemand Igeln einen Überwinterungsplatz anbieten könnte“, sagt sie.
Selbst im Dezember können vereinzelt noch Igel herumlaufen. Schroll erklärt: „Ein Igel, der zu dieser Jahreszeit noch wach ist und unter 500 Gramm wiegt, kann alleine den Winter nicht überstehen.“Das Tier müsse in Obhut genommen werden, da es sonst verenden könne. Findern rät sie, sich schnell über die richtige Unterbringung zu informieren. Entweder über das Internet, bei Tierärzten, über Naturschutzverbände oder direkt bei ihr. Denn, auch wenn ein Igel gesund wirke, müsse das Tier zunächst gesundheitlich untersucht und von Zecken und Flöhen befreit werden. Und diese Aufgabe sollte ein Arzt oder eine Expertin wie Elke Schroll übernehmen. ⓘ
Kontakt Wer gerne Igelpate werden möchte, kann sich per Mail an Elke Schroll wenden: igelpate.aic@gmx.de