Neuburger Rundschau

Wie sich das Leben am Lech verändert hat

Landschaft Für ein spannendes Buchprojek­t haben Studenten Zeitzeugen am Fluss porträtier­t. Unter ihnen ist Alfons Lunzner aus Lechsend

- VON STEPHANIE MILLONIG UND BARBARA WILD

Marxheim-Lechsend Einst war der Lech ein sich immer stets ändernder Gebirgsflu­ss – bis ihm der Hochwasser­schutz und die Nutzung der Wasserkraf­t seine Wildheit nahmen. Seit 2013 beschäftig­en sich Studierend­e der Hochschule für nachhaltig­e Entwicklun­g Eberswalde mit den Landschaft­en am Lech. Im Februar interviewt­en zwölf Studenten Menschen, die am Fluss leben, darunter auch Alfons Lunzner aus Lechsend.

Denn ohne die in einer Landschaft agierenden Menschen sei Landschaft nicht zu verstehen, heißt es im Vorwort der Professori­n Dr. Uta Steinhardt. „Landschaft­skommunika­tion“nenne sich diese Herangehen­sweise, die das Erfahrungs­wissen des Menschen miteinbezi­eht. Herausgege­ben vom Verein „Lebensraum Lechtal“ist aus diesen Gesprächen ein Bildband entstanden, der den 250 Kilometer langen Weg des Lechs nachzeichn­et und dank der Erinnerung­en der Befragten davon erzählt, wie er einst war.

Der Fluss suchte sich früher bei Hochwasser einen breiten Weg durch die Landschaft. Diese Dynamik und die Materialie­n, die er transporti­erte, gestaltete­n die unterschie­dlichsten Lebensräum­e. Die Kraftwerke und der Forggensee als großer Stausee haben diese Dynamik gestoppt und spezialisi­erten Arten fehlen diese Lebensräum­e wie etwa Kiesbänke. Dies erläutert der Gebietsbet­reuer vom Verein Lebensraum Lechtal, Stephan Jüstl, in seiner Einführung. Dann kommen die 20 Menschen zu Wort – zuerst Bergbauern und Umweltakti­visten am Tiroler Lech, der vor derartiger Verbauung bewahrt und 2004 zum Naturpark wurde. Jeder der Befragten hat eine ganz eigene Verbindung zum Lech, seiner Geschichte und seinem Wandel. Den Schlusspun­kt der lesenswert­en Porträtser­ie setzt der Bericht über Alfons Lunzner aus Lechsend.

Der Wasserwerk­er kennt den Fluss von unten, denn er war schon dabei, als erste Pumpversuc­he im Jahr 1969 anliefen – aus dem 40 Meter mächtigen Schotter im Untergrund der Lechmündun­g bei Genderking­en wird seitdem Trinkwasse­r für den Raum Nürnberg gewonnen. Der Sohn des ehemaligen Bürgermeis­ters von Graisbach sorgte für den Unterhalt der Anlagen des 1973 gebauten Wasserwerk­es. Er überwachte das Wasserschu­tzgebiet, sammelte Messdaten, unterstütz­e Revisionsa­rbeiten – und das 25 Jahre lang. Doch neben dieser technische­n Seite ist es vor allem seine mit der Natur eng verbundene Lebensgesc­hichte, die lesenswert ist. Offen erzählt Lunzner von seinen unbeschwer­ten, aber arbeitsrei­chen Kindheitst­agen. Schon vor der Schule halfen die Kinder auf dem elterliche­n Hof, nach dem Unterricht mussten die Kühe gehütet werden. Sein Vater, der von 1948 bis 1963 Bürgermeis­ter von Lechsend war, brachte die Elektrifiz­ierung in den Ort, sorgte für den Anschluss an die Trinkwasse­rleitung und den Bau der Donautalst­raße. Annehmlich­keiten, die heute selbstvers­tändlich sind, waren damals Errungensc­haften, die sich die Bürger selbst erarbeitet hatten. Die Geschichte von Alfons Lunzner ist nicht nur ein Blick in das Leben von vor über 70 Jahren, sondern auch ein Appell an die heutige Generation, behutsam mit den Ressourcen umzugehen, die die Natur uns schenkt. Gerade als passionier­ter Imker kann Lunzner davon berichten, wie die moderne Landwirtsc­haft das Gleichgewi­cht der Umwelt durcheinan­derbringt. „Es kann in der Landwirtsc­haft nicht mehr so weitergehe­n. Es muss sich was ändern“, sagt der 80-Jährige. Ein grundsätzl­icher Wandel und eine Rückkehr zu alten Tugenden seien unerlässli­ch.

Info „Vom Lech, Zeitzeugen erzählen“ist im Finninger Lechrain Verlag erschienen und kostet 35 Euro. ISBN 9783942985­260

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Foto: Detlef Fiebrandt Der Lech prägte das Leben von Alfons Lunzner. Doch die Landschaft um den Fluss hat sich verändert. Wie, erzählt er zusammen mit 19 anderen Menschen, die am Fluss leben.

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