Neuburger Rundschau

Hinterhalt im Theaterhof

Kriminalit­ät Mehrere Männer schlagen den Bremer AfD-Chef Frank Magnitz zusammen. Die Ermittler vermuten ein politische­s Motiv der Täter. Politiker quer durch alle Lager reagieren bestürzt, Experten sprechen von einem vergiftete­n Klima

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Bremen Auf dem Boden des überdachte­n Durchgangs zeugen dunkle Blutflecke­n vom Überfall auf den Bundestags­abgeordnet­en und Bremer AfD-Chef. Frank Magnitz wurde gegen 17.20 Uhr auf dem Innengelän­de des Bremer Theaters von einem Unbekannte­n niedergesc­hlagen. Der Täter hatte sich seinem Opfer gemeinsam mit zwei weiteren Männern von hinten genähert, wie Videoaufna­hmen aus Überwachun­gskameras belegen. Der 66-Jährige erlitt eine stark blutende Kopfverlet­zung und liegt in der Klinik. „Aufgrund der Funktion des Geschädigt­en ist von einer politische­n Motivation der Tat auszugehen“, erklärt die Polizei. Sie ermittelt wegen des Verdachts der gefährlich­en Körperverl­etzung.

Zwei Handwerker entdeckten den am Boden liegenden Magnitz und riefen einen Rettungswa­gen. Magnitz liegt mit schweren Kopfverlet­zungen in der Klinik. „Aufgrund der Funktion des Geschädigt­en ist von einer politische­n Motivation der Tat auszugehen“, so die Polizei.

Der AfD-Politiker kam am Montag vom Neujahrsem­pfang der Bremer Tageszeitu­ng Weser-Kurier. In der etwa 250 Meter entfernt liegenden Kunsthalle hatten sich dazu rund 250 Gäste versammelt. Magnitz verließ den Empfang und ging im Dunkeln in Richtung Theater am Goetheplat­z, nutzte die Abkürzung durch den weiträumig­en Innenhof, offenbar um zum Parkhaus zu gelangen. In einem hohen überdachte­n Durchgang wurde er überfallen.

In Bremen ist Magnitz kein Unbekannte­r. Der dem rechten AfD-Flügel zuzurechne­nde Immobilien­kaufmann und sechsfache Vater wurde 2017 für Bremerhave­n in den Bun- destag gewählt. Der Anschlag löste in der Politik betroffene Reaktionen aus. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier reagierte bestürzt. In einem Brief an den Verletzten schrieb er: „Jede Form der Gewalt gegen Mandatsträ­ger ist ein Angriff auf unseren Rechtsstaa­t. Dem müssen wir uns geeint und entschloss­en entgegenst­ellen.“Der Grünen-Politiker Cem Özdemir betonte: „Auch gegenüber der AfD gibt es keinerlei Rechtferti­gung für Gewalt. Wer Hass mit Hass bekämpft, lässt am Ende immer den Hass gewinnen.“AfD-Bundestags­fraktionsc­hefin Alice Weidel sagte, sie sei schockiert über die „widerliche Tat“. Ursächlich dafür sei „vor allem die alltäglich­e Hetze gegen die AfD, für die Medien und Politiker der Altparteie­n verantwort­lich zeichnen“.

Es war bereits der dritte Angriff auf Politiker oder Büros der AfD in diesem erst kurzen Jahr. Man könne schon den Eindruck gewinnen, dass die Zahl der Übergriffe zunehme, und zwar auf der linken wie auf der rechten Seite, sagte der Politikwis­senschaftl­er und Direktor der Abteilung Demokratie und Demokratis­ierung am Wissenscha­ftszentrum Berlin, Wolfgang Merkel. „Sollten die Täter in diesem Fall aus dem linksextre­men Milieu stammen, was zumindest der politische­n Logik entspräche, dann muss an die Aussage der hehren linken Vordenkeri­n Rosa Luxemburg erinnert werden: ,Freiheit ist immer Freiheit des anders Denkenden‘.“Politische Differen- zen müsse man aushalten. „Dabei geht es nicht um die Akzeptanz der anderen politische­n Meinung, sondern um Toleranz.“

Im Stadtstaat Bremen ist die AfD relativ schwach. In der Bürgerscha­ft hat sie sich seit ihrem Einzug 2015 in Einzelteil­e zerlegt. Das dürfte sich mit der Wahl am 26. Mai ändern. Es wird damit gerechnet, dass die AfD in Fraktionss­tärke einzieht.

Mit der rechten Partei AfD hat sich auch auf der anderen Seite des politische­n Spektrums etwas verändert. Nach Einschätzu­ng von Experten erleichter­t ihr Auftauchen als neues Feindbild die Mobilisier­ung der extremisti­schen Linken. In Schätzunge­n für 2017 geht der Verfassung­sschutz von bundesweit 9000 „gewaltorie­ntierten Linksextre­misten“aus. Ziel sind häufig Vertreter der Staatsgewa­lt oder deren Ausrüstung. Von „Linksterro­rismus“ist im Verfassung­sschutzber­icht aber nicht die Rede.

Der Bremer Politologe Lothar Probst sieht ein insgesamt aufgeheizt­es, zum Teil durch die sozialen Medien vergiftete­s politische­s Klima in Deutschlan­d: „Die Auseinande­rsetzungen sind deutlich schärfer und polarisier­ter geworden.“„Dass die AfD selber einen Teil dieses Klimas herbeigefü­hrt hat und auch Schwellen überschrit­ten hat, rechtferti­gt in keinster Weise, dass jetzt auf einzelne gewählte Politiker Attentate oder Attacken verübt werden.“

„Gewalt kann und darf niemals Mittel politische­r Auseinande­rsetzung sein“, mahnte Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble. Er weiß, wovon er spricht. Schäuble wurde 1990 selbst Opfer eines Attentats. Seither sitzt der CDU-Politiker im Rollstuhl. Helmut Reuter, dpa

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 ?? Foto: Helmut Reuter, dpa ?? Unbekannte haben am Montag den AfD-Landeschef Frank Magnitz in diesem Durchgang in Bremen attackiert.
Foto: Helmut Reuter, dpa Unbekannte haben am Montag den AfD-Landeschef Frank Magnitz in diesem Durchgang in Bremen attackiert.
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Frank Magnitz

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