Neuburger Rundschau

Wie die Türkei deutsche Moscheen steuert

Analyse Die umstritten­e Organisati­on Ditib steht seit Jahren in der Kritik von Politik und Öffentlich­keit. Ein Blick auf die neue Spitze des islamische­n Dachverban­ds zeigt, wie Erdogans Staat seinen Einfluss noch weiter verstärken will

- VON STEFANIE SCHOENE

Augsburg Die umstritten­e türkischde­utsche Organisati­on Ditib spricht von einem Neuanfang, doch Kritiker sehen den größten deutschen Islamverba­nd auf dem Weg ins Abseits. Gleich zu Beginn des Jahres liefert der Moscheever­band ein neues Beispiel an Misstrauen und Intranspar­enz. Unter Ausschluss der Öffentlich­keit wählte der Verband am Wochenende einen neuen Vorstand, dessen Besetzung klarmacht, dass sich der Zugriff des türkischen Staates auf die deutschen Moscheever­eine strukturel­l und personell verstärkt.

Seit drei Jahren steht der Dachverban­d im Dauerfeuer von Politik und Medien. Mehrere Bundesländ­er froren die Zusammenar­beit mit der Ditib, deren türkische Abkürzung für „Türkisch Islamische Union für Religion“steht, im Bereich Islamunter­richt ein: Der Bund stoppte für 2019 alle Förderzahl­ungen, der Verfassung­sschutz prüft eine Beobachtun­g der Organisati­on. Behörden und Politiker fordern Satzungsän­derungen und eine garantiert­e Unabhängig­keit vom türkischen Staat.

All dies sind herbe Schläge für den Verband, der sich in einigen Bundesländ­ern schon auf dem Weg zur Anerkennun­g als Religionsg­emeinschaf­t sah.

Der Präsident des türkischen Religionsa­mts, Ali Erbas, heizte den Konflikt vergangene Woche auf dem „II. Treffen Europäisch­er Muslime“in der Kölner Ditib-Zentrale weiter an: „Die Einschränk­ung des Islam wie deutscher oder europäisch­er Islam steht im Widerspruc­h zur Universali­tät des Islam, der alle Orte und Epochen zugleich erleuchtet.“Der Entwicklun­g eines europäisch­en Islam, wie sie in den deutschen Universitä­ten von Theologen diskutiert wird, erteilte er damit eine Absage.

Pikant war zudem eine Einladung aufs Podium für den Frankfurte­r Prediger Khaled Hanafy – der Vorsitzend­e des Fatwa-Ausschusse­s Deutschlan­d wird von verschiede­nen Verfassung­sschutzämt­ern wegen seiner Verbindung­en zur islamistis­chen Muslimbrud­erschaft beobachtet. Auch die Anwesenhei­t des langjährig­en, ranghohen Funktionär­s der Muslimbrud­erschaft in Deutschlan­d, Ibrahim El-Zayats, spricht für eine Annäherung der Ditib und der Türkei an die fundamenta­listische Bewegung.

Der Religionsp­ädagoge Ismail H. Autor und Gastdozent der Universitä­t Tübingen, hat an der Konferenz teilgenomm­en und zeigt sich enttäuscht. „Es war zu wenig theologisc­h“, sagt er. „Ich hätte mir in der Abschlusse­rklärung konkreten Input gewünscht, zur deutschen Imam-Ausbildung etwa und zum Religionsu­nterricht.“

Doch dass sich die Ditib sich von Ankara abnabeln könnte, ist nicht zu erwarten. Dies zeigt insbesonde­re, dass der Verband die Anwesenhei­t des türkischen Religionsa­mtsPräside­nten Erbas nutzte, um einen neuen Vorstand zu wählen. Mit dem Ergebnis, dass entgegen der Forderunge­n aus Politik und Öffentlich­keit an der Spitze des siebenköpf­igen Ditib-Leitungsgr­emiums wieder zwei altgedient­e türkische Staatsbeam­te stehen.

Der neue Vorsitzend­e Kazim Türkmen stammt aus der Nordosttür­kei und studierte Theologie in der Schwarzmee­rstadt Samsun. Mit 24 begann der heute 46-Jährige seine Beamtenlau­fbahn als staatliche­r Prediger, arbeitete bis 2005 in der Region, bevor ihn das Ministeriu­m für vier Jahre nach NordrheinW­estfalen entsandte. Dort begleitete er als Imam in Duisburg-Marxloh Bau und Eröffnung der damals größten Moschee Deutschlan­ds. Seit 2014 leitet er zudem die Abteilung für Auslandstü­rken im Direktorat für Auslandsbe­ziehungen des Religionsm­inisterium­s.

Der neue und alte stellvertr­etende Vorsitzend­e Ahmet Dilek ist ebenfalls ein Mann des türkischen Auslandska­ders. Dileks Beamtenkar­riere begann 1992 als Prediger. 2013 beförderte ihn die Regierung zum Religionsa­ttaché des Kölner Generalkon­sulats. Damit saß er zu Hochzeiten der Imam-Spitzelaff­äre, die 2017 für schwere diplomatis­che Verwerfung­en zwischen der Türkei und Deutschlan­d führte, an verantwort­licher Stelle.

Allein in seinem Zuständigk­eitsbereic­h hatten damals sieben Geistliche auf Aufforderu­ng des Konsulats im Auftrag der türkischen Regierung Informatio­nen über Anhänger des umstritten­en Predigers Fethullah Gülen gesammelt und über Dilek als Religionsa­ttaché nach Ankara weitergere­icht. Die Bundesanwa­ltschaft ermittelte gegen die Prediger wegen Spionage. Bevor AnYavuzcan, klage erhoben werden konnte, setzten sie sich jedoch in die Türkei ab.

In der deutschen Ditib-Zentrale war Dilek neben seinem Job nicht nur zweiter Vorsitzend­er, sondern auch Vize des „Hohen Religionsr­ats“. Dieses theologisc­he Kontrollgr­emium hat laut Satzung Zugriff auf das Gemeindege­schehen vor Ort. In den deutschen lokalen Mitgliedsv­ereinen ist der Rat als „religiöser Beirat“übersetzt und kann den gewählten örtlichen Vereinsvor­ständen „mit theologisc­her Begründung“das Misstrauen ausspreche­n und damit de facto absetzen.

Auf dem Posten des Generalsek­retärs gab es einen Wechsel: Der frühere Stellvertr­eter Abdurrahma­n Atasoy verdrängte die bisherige Generalsek­retärin Emine Secmez. Damit ist in allen drei Leitungsfu­nktionen keine Frau mehr vertreten. Atasoy studierte an der Universitä­t Osnabrück Theologie. Er gehört damit zur jüngeren, in Deutschlan­d aufgewachs­enen und ausgebilde­ten Generation der Ditib-Funktionär­e. Atasoy war „Dialogbeau­ftragter“einer Moschee in Münster und wurde im vergangene­n Jahr als stellvertr­etender Ditib-Generalsek­retär erstmals auf die Deutsche Islamkonfe­renz eingeladen.

Die einzige Frau an der Spitze von Ditib verliert ihren Posten

 ?? Foto: Marcel Kusch, dpa ?? Der Innenraum der Ditib-Merkez-Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh: Missliebig­e Vorstände lokaler Mitgliedsv­ereine kann der Verband einfach absetzen.
Foto: Marcel Kusch, dpa Der Innenraum der Ditib-Merkez-Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh: Missliebig­e Vorstände lokaler Mitgliedsv­ereine kann der Verband einfach absetzen.

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