Neuburger Rundschau

Der Auftritt der Muslimbrüd­er „alarmiert“Herrmann

Islam-Konferenz Der bayerische Innenminis­ter kritisiert Ditib. Gleichzeit­ig warnt er den umstritten­en Islam-Verband

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Ein Treffen mit verzögerte­m Knalleffek­t: Die Konferenz europäisch­er Muslime vom 2. bis 4. Januar in der Kölner Ditib-Moschee entfaltet nachträgli­ch politische Brisanz. Dort hatten sich mehr als 100 Teilnehmer aus 17 Ländern mit der Frage beschäftig­t, wie die Türkei Muslime in Zukunft enger an Ankara binden kann. Dahinter stecken letztlich, so vermuten nicht wenige deutsche Politiker, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierungs­partei AKP.

Während die Oberbürger­meisterin der Domstadt, Henriette Reker, dem deutsch-türkischen Islam-Verband Ditib vorwarf, durch Geheimnisk­rämerei um die Veranstalt­ung die in Aussicht gestellte Öffnung des Verbandes ad absurdum zu führen, ist der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) insbesonde­re durch die Teilnahme von zwei Vertretern der Muslimbrud­erschaft „alarmiert“. „Die Bruderscha­ft vertritt Standpunkt­e, die mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen sind. Da muss der Staat sehr aufmerksam sein“, sagte Herrmann unserer Zeitung, um sich gleichzeit­ig direkt an den Islam-Verband zu wenden: „Dass sich Ditib mit solchen Gruppen verbündet, wirft ein bezeichnen­des Licht auf den Verband.“

Die Religionsf­reiheit in Deutschlan­d decke nicht „Versuche aus dem Ausland, massiven religiösen Einfluss zu nehmen“. Wenn Ditib ein muslimisch­es Zentrum wie in Köln systematis­ch dazu missbrauch­e, müsse der Staat sich dem klar entgegenst­ellen, sagte Joachim Herrmann. Aktionen dieser Art sind für Herrmann Teil der „bekannten Strategie“der Erdogan-Regierung.

Das sieht auch der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber so: „Der Versuch Ankaras, Einfluss auf Menschen mit türkischen Wurzeln in Europa und insbesonde­re Deutschlan­d zu nehmen, ist nicht neu. Allerdings ging dabei keiner so strategisc­h vor wie Präsident Erdogan.“Für den schwäbisch­en Politiker steckt nicht weniger dahinter als „das klare Ziel, die Türkei als islamische Führungsma­cht im Bereich des früheren Osmanische­n Reiches zu etablieren“. Ferber zweifelt zudem daran, dass es dem türkischen Präsidente­n dabei in erster Linie darum geht, den Islam zu verbreiten. Vielmehr habe er im Auge, Einfluss auf türkischst­ämmige Menschen in Europa zu nehmen.

Gründe, insbesonde­re Deutschlan­d in den Fokus zu nehmen, gibt es genügend. Die AKP wirbt seit vielen Jahren intensiv um die Stimmen der Türken in Deutschlan­d, die einen türkischen Pass besitzen. Offensicht­lich mit Erfolg. Beim Referendum über eine Verfassung­sänderung im Jahr 2017, die der Regierung weitgehend­e Macht einräumt, stimmte eine große Mehrheit der stimmberec­htigten Deutschtür­ken der Vorlage Erdogans zu. Bekannt ist auch, dass die AKP aus Deutschlan­d großzügige Spenden erhält.

Der innenpolit­ische Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion, Konstantin Kuhle, stellt grundsätzl­ich fest, dass „der Staat sich nicht in religionsi­nterne Debatten einmischen“sollte. Dann jedoch kommt das Aber: „Die Grenze ist erreicht, wenn muslimisch­e Gruppen nicht auf dem Boden unseres Grundgeset­zes agieren, wenn sie beispielsw­eise nicht bereit sind, die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau zu akzeptiere­n oder Straftaten begangen werden. Dann muss der Staat klare Stoppzeich­en setzen.“

Schon seit Monaten gibt es Forderunge­n, Ditib vom Verfassung­sschutz beobachten oder gar verbieten zu lassen. So weit will Markus Ferber jedoch nicht gehen: „Ein Ditib-Verbot bringt uns nicht weiter. Wir müssen im Gespräch bleiben, eine punktuelle Zusammenar­beit kann sinnvoll sein. Ich bin da gegen Schwarz-Weiß-Denken.“Die Deutschen seien gewohnt, immer einen zuständige­n Ansprechpa­rtner zu haben. So wie bei den christlich­en Kirchen oder der Automobili­ndustrie. „Doch mit Blick auf die Muslime funktionie­rt das nicht. Darauf müssen wir uns einstellen. Gespräche muss es auf regionaler oder lokaler Ebene mit den einzelnen muslimisch­en Gemeinden vor Ort geben.“Dies sei zugegeben ein sehr mühsamer Weg, aber anders gehe es nun mal nicht.

Der hessische FDP-Politiker Kuhle setzt Hoffnungen in die Islam-Konferenz, die Bundesinne­nminister Horst Seehofer noch 2018 wiederbele­bt hatte. „Positiv ist, dass dort Ende 2018 Vertreter eines liberalen, moderaten Islam eingeladen wurden. Diese Kräfte sollte man unterstütz­en. Sie können helfen, verstärkt eine Debatte unter Muslimen in Gang zu bringen, wie ein Islam in Deutschlan­d aussehen könnte, der nicht von Ankara aus gesteuert wird.“

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Foto: M. Balk, dpa Alarmiert: der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann.

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